Kapitel 1

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»Es kann doch nicht sein, dass sich Harper jetzt seit drei Wochen einschließt. Hat irgendwer sie mal gesehen?« Tony stand auf und lief im Wohnzimmer auf und ab. Die Sonne stand bereits tief am Horizont und färbte das Licht in ein angenehmes, warmes Orange, welches durch die Fensterwand fiel.
Die Avengers saßen verteilt im Raum. Wanda und Pietro hatten es sich in Sesseln bequem gemacht, Steve, Bruce, Nat und Sam auf der großen Eckcouch und Vision und Rhodey saßen auf Barhockern an der Kücheninsel.
»Tony, Harper macht eine schwere Zeit durch. Du kannst nicht von ihr erwarten, dass sie nach drei Wochen mit uns zusammen sitzt und so tut als wäre nichts gewesen. Sie hat ihren Bruder verloren. Er war ihre Familie. Gib ihr Zeit.« Clint war Nats bester Freund gewesen. Daher kannte sie Harper schon seit ihrer frühesten Kindheit und wusste, was sie durchmachte. Sie wusste, wie viel Clint ihr bedeutete und wie sehr sie an ihm hing.
»Sie hat doch uns. Sind wir nicht auch ihre Familie?«, fragte Tony nun sichtlich aufgebracht. »Du weißt, dass das etwas anderes ist.«, meinte Steve und die Maximoff-Zwillinge nickten zustimmend. Sie wussten, wie es war seine Familie zu verlieren. Steves Mutter starb als er ein Kind war und seinen Vater lernte er nie kennen, da er im Krieg gestorben war. Die Zwillinge haben ihre Eltern bei einem Bombenangriff auf ihr Haus verloren.
Tony fühlte sich verantwortlich für Harper. Schon als sie und Clint vor drei Jahren bei ihm und den Avengers eingezogen waren, fühlte er so, doch jetzt wo auch Clint gestorben war, verstärkte sich alles. Er wollte für sie da sein, aber sie ließ niemanden an sich ran.
Mittlerweile hatte sich Tony wieder in seinen schwarzen Polstersessel gesetzt.
»Ich erwarte doch auch nicht, dass sie so tut als wäre alles gut und als wäre nichts passiert. Aber meint ihr nicht auch, dass es ihr nur noch mehr schadet, wenn sie sich total verschließt und mit niemandem mehr redet?«, fragte Tony.
»Mag sein. Aber was willst du tun? Du kannst sie wohl kaum dazu zwingen aus ihrem Zimmer zu kommen.«, merkte Bruce an.
»Oh doch! Das kann ich.« Tony stand auf und stieg die weiße Mamortreppe hoch, welche von einem schwarzen Geländer umgeben war.
Als Tony außer Hörweite war, begannen die Zurückgebliebenen leise zu diskutieren.
»So habe ich Tony noch nie erlebt. Der sonst so harte Kerl macht sich auf einmal Sorgen.«, murmelte Rhodey. Er lebte nicht im Avengers-Tower, aber war heute zu Besuch dort gewesen.
»Er fühlt sich verantwortlich für sie. Das ist mir schon aufgefallen als sie hier eingezogen ist. Aber seit Clint", Steve schaute zu Nat, da ihm einfiel, dass auch sie sehr unter der Situation litt, "nicht mehr da ist, denkt er vermutlich, dass er ihn in irgendeiner Weise ersetzen muss.«, überlegte Steve. Stumm nickten die Anwesenden.

Zur gleichen Zeit klopfte Tony eine halbe Etage höher an Harpers Zimmer an.
»Harper?« Keine Antwort.
»Harper, ich weiß, dass du da drin bist. Bitte lass mich rein.«, flehte Tony schon fast. Immer noch kam keine Antwort.
»Dann halt anders.« Er atmete kurz durch, in der Hoffnung doch noch eine Antwort zu bekommen, aber die bekam er nicht.
»F.R.I.D.A.Y, öffne Harpers Zimmertür.«
»Mister Stark, es tut mir leid, aber das kann ich nicht tun. Miss Barton hat mich ausdrücklich darum gebeten die Tür abgeschlossen zu lassen.«, antwortete die künstliche Intelligenz. »F.R.I.D.A.Y!«, ermahnte Tony die KI. Ein Klacken ertönte, welches verriet, dass die Tür nun aufgeschlossen war. Sofort öffnete Tony die Tür, doch was er sah, versetzte ihm einen Stich ins Herz: Das sonst so aufgeweckte und lebensfrohe Mädchen saß in ihrem schwarzen Boxspringbett inmitten unzähliger Kissen und Decken. Ihre Augen waren verquollen, dunkle Ringe lagen darunter und ihr Blick war leer. Tony tat es weh sie so zu sehen.
»Dein Ernst, Tony?« Schnell wischte sie sich die Tränen von den Wangen. An den hellgrauen Wänden hingen viele Bilder, unter anderem von den Avengers, ihren Eltern und vor allem von ihrem Bruder. Tony trat in das Zimmer ein und schloss die Tür hinter sich.
»Was wird das denn jetzt?! Geh raus, ich will alleine sein.«, maulte Harper.
»Gib mir eine Minute. Eine Minute und dann bin ich wieder weg, okay?«
»Meinetwegen.«
»Ich kann mir nicht länger ansehen, wie du dich selbst total kaputt machst.«, sprach Tony und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich verstehe ja, dass du eine schwierige Phase durchmachst, aber du tust dir selbst keinen Gefallen, wenn du dich hier einsperrst und jegliche soziale Kontakte abwehrst.«, ergänzte er. Nachdenklich schaute er zu Harper, der wieder neue Tränen über die Wangen flossen. Langsam ging er auf sie zu, setzte sich neben sie auf das Bett, legte seinen Arm um sie und sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Immer wieder flüsterte er ihr ein beruhigendes »Schhhh« zu, während er ihr über den Rücken strich.
»Ich bin für dich da, okay?«, wisperte Tony. Harper nickte nur, worüber Tony sichtlich erstaunt war, denn die letzten Male als er ihr das sagte, wollte sie nichts davon hören.
»Danke.«, schluchzte Harper dann.
»Nicht dafür.«
Durch die Fensterwand am Kopfende des Betts wurde auch Harpers Zimmer in ein warmes Orange getaucht und in Tony machte sich ein Gefühl der Hoffnung breit, dass es ihr langsam wieder besser gehen würde.
»Du Harper?«
»Hm?«
»Kommst du mit runter etwas Essen?«
Harper richtete sich wieder auf und wischte sich abermals die Tränen aus den Augen und sah Tony an.
»Ich weiß nicht.«, antwortete sie.
»Wann hast du denn die letzten Wochen gegessen? Ich hab dich nie gesehen.«, fragte Tony nun.
»Ich habe mir was geholt, wenn ihr geschlafen oder trainiert habt.« Tony nickte nachdenklich.
»Ich würde mich freuen, wenn du mitkommst, Harper.«
»Ich weiß, aber ich möchte nicht bemitleidet werden. Ich sehe Nats Blick schon vor meinem inneren Auge. Außerdem sehe ich scheiße aus, Tony. Ich habe die letzten Wochen nicht richtig schlafen können und so sehe ich auch aus.«
»Niemand wird dich dafür verurteilen und das weißt du. Ich kann mit den anderen reden und wenn du willst wird niemand mit dir sprechen. Du kommst einfach mit runter und isst etwas.«, versuchte Tony Harper zu überreden. Harper schwieg kurz, doch stimmte sie dann mit einem kurzen Nicken zu.
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Das war das erste Kapitel. Ich hoffe es hat euch gefallen. Lasst doch gerne einen Vote oder Kommentar da. <3

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