Verliebt in einen Engel

Der Unbekannte

Als Sienna an diesem Tag ins Krankenhaus gegangen war, drehten sich alle Gespräche der Leute nur um den unglaublichen Meteorschauer der vergangenen Nacht. Für gewöhnlich kündigten die Meteorologen ein solches Phänomen an. Doch das war nicht der Fall gewesen. Sienna hatte es gesehen, sie hatte zu diesem Zeitpunkt auf ihrem Balkon gesessen und Tee getrunken, während sie in den Nachthimmel gesehen und die Sterne beobachtet hatte. Wie aus dem Nichts waren am Himmel hunderte golden schimmernde Lichter erschienen und gen Erde gerast. Sie waren allesamt klein gewesen, doch irgendwo waren sie eingeschlagen.

Einer von ihnen war sogar in Siennas Nachbarschaft gelandet. Sienna hatte seine Flugbahn genau beobachtet, gesehen, wie er immer näher und näher gekommen war und darum gebetet, dass er nicht direkt bei ihr einschlagen würde. Und so war es gekommen, er hatte etwa zwei Blocks entfernt bei eingeschlagen und dabei einige Autoalarmanlagen ausgelöst.

Als sich Sienna am nächsten Tag auf den Weg ins Krankenhaus gemacht hatte, hatte sie einen Umweg gemacht, um die Stelle, an der der kleine Meteor eingeschlagen war, ausfindig zu machen. Sie hatte sogar eine zerbeulte Motorhaube von einem Wagen entdeckt, doch hatte sie nichts anderes finden können, keinen Klumpen Gestein, oder was auch immer sie erwartet hatte.

Nun, da sie wieder auf dem Nachhauseweg war, hörte sie immer noch an jeder Straßenecke, wie die Menschen über das Ereignis der letzten Nacht sprachen. Auch war es auf sämtlichen Zeitungstitelblättern zu lesen. Dieser Meteoritenschauer stellte die Menschen vor ein Rätsel und auch Sienna war schon gespannt auf die Aufklärung, dieses Ereignisses.

Sie bog gerade in die Straße ein, in der ihr Wohnblock stand, da bemerkte sie vor sich einen Mann. Sein Gang war langsam und schleppend und er hielt sich die Seite. Sienna betrachtete ihn misstrauisch, während er sich in die gleiche Richtung wie sie begab und damit direkt auf den Hinterhof des Wohngebäudes zuging. Sie hatte ihn noch nie hier gesehen, doch das musste nichts heißen, es gab hier viele Wohnungen, vielleicht war er gerade erst hier eingezogen. Doch die Art wie er sich bewegte, bereitete ihr Sorgen.

Gerade als sie ihn ansprechen wollte, wurde er langsamer, begann zu schwanken, und kippte schließlich gegen einen der Müllcontainer, der im Hinterhof des Wohngebäudes stand. Sienna verfiel in Laufschritt und als sie bei dem Mann ankam, sah er sie atemlos an, während sie sich neben ihm hinkniete.

„Sir? Sir, was ist passiert?", fragte Sienna und blickte sich etwas hilflos um, da in dem Hinterhof niemand außer ihr und dem Mann war.

Der Mann allerdings antwortete nicht, sondern sah sie lediglich an. Sein Gesicht war etwas blass und von Schweiß bedeckt. Sienna legte ihm den Handrücken auf die Stirn und er zuckte kurz zusammen, doch immerhin schien er wieder Fieber noch Untertemperatur zu haben. Noch immer hielt er sich die Seite und Sienna atmete durch, als sie ihre Hand wieder zurückzog.

„Ich bin Krankenschwester, Sie müssen also nicht fürchten, dass ich irgendwelchen Mist baue, der Sie umbringen könnte", sagte sie und lächelte halbherzig, was der Mann jedoch nicht erwiderte, „Sie haben offensichtlich Schmerzen. Ich würde mir gerne ihren Bauch ansehen und ihn abtasten, wenn Sie es erlauben."

Noch immer sah der Mann sie ergründend an, ohne auch nur ein Wort zu erwidern, und schön langsam begann Sienna daran zu zweifeln, dass er sie überhaupt verstand.

„Ich möchte Ihnen helfen. Bitte lassen Sie sich von mir helfen", sagte Sienna flehend in einem letzten verzweifelten Versuch, ihm eine Antwort zu entlocken.

Noch immer sah der Mann sie an, die blauen Augen etwas zusammengekniffen, doch schließlich nickte er langsam. Erleichterung breitete sich auf Siennas Gesicht aus. Dann umfasste sie sanft sein Handgelenk, um seinen Arm von seinem Oberkörper wegzuschieben. Anschließend schob sie sowohl seine schwarze Lederjacke als auch die graue Sweatjacke beiseite, damit sie bessere Sicht hatte.