Nähe

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Gleich als er weg war, machte sie sich daran, ihre Sachen auszupacken und im Schrank zu verstauen. Sie bemerkte gar nicht, dass Gadreel sich zu ihr gesellt hatte. Als sie sich zur Tür drehte, lehnte er im Türrahmen, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah sie an. Seinna hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange er sie schon beobachtete und fühlte sich kurz unbehaglich.

Da fiel ihr Blick wieder auf die Blutspuren an seinem Hals. Sie öffnete die Schublade ihres Schranks und zog das Shirt hervor, das sie zuletzt eingepackt hatte und hielt es Gadreel hin. Es war ein Shirt, das noch im Wäschekorb gelegen hatte, als ihr Exfreund ausgezogen war. Doch immerhin war es nicht komplett zerrissen.

„Hier, zieh das an", meinte sie und lächelte.

Gadreel bedankte sich und nahm das Shirt entgegen. Anschließend streifte er die Lederjacke ab, dann entledigte er sich noch seiner Sweatjacke. Als er sich dann das zerrissene Shirt über den Kopf streifte, wandte Sienna den Blick von ihm ab und drehte sich um.

„Stimmt etwas nicht?", fragte Gadreel dann.

Sienna drehte sich wieder zu ihm um und stellte fest, dass er das neue Shirt schon angezogen hatte. Sie atmete einmal tief durch und schüttelte dann unschlüssig den Kopf.

„Keine Ahnung", sagte sie wahrheitsgemäß, „diese ganze Sache mit der Falle für Metatron... mir gefällt das nicht."

„Wir haben keine andere Wahl, wenn wir ihn aufhalten wollen", sagte Gadreel.

„Ja, das weiß ich. Aber deshalb muss es mir noch lange nicht gefallen", entgegnete Sienna und sah Gadreel besorgt an, „was ist, wenn etwas schiefgeht?"

„Wenn wir es nicht schaffen Metatron aufzuhalten, dann wird er mich und Castiel töten und sich zum neuen Gott erklären", erklärte Gadreel ohne eine Miene zu verziehen.

Sienna blickte Gadreel schweigend an. Ihr Herzschlag raste und sie brauchte einen Moment, um seine Worte zu verarbeiten. Natürlich war ihr klar, was passieren würde, doch der Gedanke daran versetzte ihr einen scharfen Stich in die Brust. Sie wollte sich dieses Szenario nicht vorstellen, wollte sich nicht vorstellen, dass Gadreel nicht wiederkehren würde. Als sie fühlte, wie ihre Augen zu brennen begannen, senkte sie schnell den Blick und schüttelte den Kopf.

„Ich will nicht, dass dir etwas zustößt", sagte sie dann leise.

Gadreels Schritte waren so leise, dass Sienna ihn gar nicht hörte. Erst als er schon bei ihr stand, fühlte sie die Wärme, die sein Körper abstrahlte. Da legte er schon einen Finger unter ihr Kinn und hob es an, sodass sie keine andere Wahl hatte, als ihn anzusehen. Zwar bekämpfte sie die Tränen, die ihr in den Augen standen, doch als sie blinzelte, liefen sie ihr über die Wangen. Gadreel zog die Augenbrauen zusammen und musterte ihr Gesicht.

Der Druck unter Siennas Kinn ließ nach, und Gadreel fuhr mit dem Daumen die Kante ihres Kiefers nach, bis er an der Stelle angekommen war, wo die Träne hängengeblieben war. Als die Feuchtigkeit seine Haut benetzte, starrte er wie hypnotisiert darauf, so als würde er Siennas Träne analysieren. Nach einer halben Ewigkeit, die er völlig bewegungslos auf seinen Daumen gestarrt hatte, ließ er den Daumen nun höher gleiten, die Tränenspur auf Siennas Wange entlang, bis er knapp unter ihrem Augen angelangt war. Von dort weg bewegte er seinen Daumen unterhalb ihres Lides entlang, bis er bei ihrer Schläfe angekommen war.

Sienna hielt die ganze Zeit über die Luft an, während Gadreel sie konzentriert musterte. Als der Druck in ihren Lungen jedoch unerträglich wurde, atmete sie zitternd aus, um schließlich wieder einatmen zu können. Gadreel schien das gar nicht zu registrieren.

„Ich wünschte, ich könnte dir erneut versprechen, dass ich zurückkehre", sagte Gadreel dann mit belegter Stimme.

Daraufhin schniefte Sienna, legte ihre Hände auf Gadreels Wangen und zog ihn zu sich herab, um ihn zu küssen. Zögerlich erwiderte er ihren verzweifelten Kuss, fast so, als wüsste er nicht, was er tun sollte. Er war ein Engel. Und er war über Jahrtausende hinweg eingesperrt gewesen. Sienna wurde klar, dass es für Gadreel das erste Mal sein musste, dass er so geküsst wurde.

Sie bewies jedoch Geduld mit ihm, bis er schließlich lockerer wurde. Siennas Hände machten sich bereits selbstständig, als sie unter Gadreels Shirt fuhren und sich an ihrem Gürtel zu schaffen machten, während sie ihn langsam aber sicher zu ihrem Bett zog.

Verliebt in einen EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt