Kapitel 1

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  • Gewidmet Jana
                                    

Taylors Sicht:

Zwei Wochen zuvor:

Es war soweit. Vor diesem Tag hatte ich mich seit einem halben Jahr gefürchtet. Aber jetzt wo es soweit war, kam es mir so unwirklich vor. Als wäre das nur ein böser Traum, aus dem ich gleich erwachen könnte. Aber das war es nicht. Es war kein Traum. Es war die bittere Realität. Evelyn war tot. Eine Woche zuvor hatte ich diesen Anruf bekommen. Die Krankenschwester hatte mir am Telefon ihre tiefe Trauer bekundet. Jedes Mal, wenn mich daraufhin jemand gefragt hatte, wie es mir ging, wusste ich keine Antwort. Es fühlte sich so an, als wäre mit Evelyn der größte Teil meiner Seele gestorben. Jetzt konnte ich Allison verstehen. Es erschien so einfach. Es war ganz leicht. Einfach den Schalter umzulegen. Ich wollte das nicht mehr fühlen. Nach dem Tod meiner Eltern war ich in ein Loch gefallen. Ein tiefes Loch, dass mich zu verschlingen gedroht hatte. Aber ich hatte es geschafft. Aber jetzt wo Evelyn tot war, war ich wieder in diesem Loch. Doch dieses Mal schien der Ausweg nicht so leicht.
In diesem Loch war es so dunkel und voller Schmerz und Trauer. Und dass hielt ich nicht noch einmal aus. Also hatte ich ihn einfach umgelegt. Den Schalter. Ich würde zwar jetzt nicht zu einem rachsüchtigen Biest wie Allison mutieren. Aber ich verstand sie. Und nun standen wir alle hier. Jeder trug schwarze Kleider. Keiner sagte etwas. Nur der Priester sprach. Er hielt eine Rede. Viel davon bekam ich nicht mit. Es war als wäre ich gelähmt. Unempfänglich für jedes Wirken von außen. Und dass blieb natürlich auch meinen Freunden nicht verborgen. Nachdem der Priseter fertig gesprochen hatte, konnte jeder noch an Evelyns offenen Sarg treten und sich verabschieden. Melissa kam mit mir nach vorne. Sie sah so friedlich aus. Als würde sie einfach nur schlafen und sie könnte jeden Moment aufwachen. Das Bestattungsunternehmen hatte sie hübsch hergerichtet. Man konnte keine einzige der Schnittwunden mehr sehen. Nicht einmal ihren aufgerissesenen Hals. Bie rosigen Wangen, so schön es auch aussah, standen jedoch in einem großen Kontrast zu der mehr als bleichen Haut. Ich wünschte mir einfach nur, dass sie frieden gefunden hatte. Und so, wie sie gerade aussah, hatte sie das auch. Als der Sarg herabgelassen wurde, regnete es Rosen darauf. Ich trat als letzte an das offene Grab und warf ebenfalls eine rote Rose auf den Sarg. Nach der Beerdigung kam jeder auf mich zu und bekundete mir sein Beileid. Einige von den Menschen kannte ich nicht einmal. Das mussten irgendwelche Freunde von Evelyn gewesen sein.

"Taylor?" fragte eine traurige Stimme und riss mich damit aus meinem Tagtraum.

Als ich aufsah, blickte ich in Melissas traurige Augen. Sie war mir in letzter Zeit mehr eine Mutter gewesen, als jemals jemand zuvor.

"Soll ich dich nach Hause bringen? Oder möchtest du lieber..." begann sie.

"Nein. Nach Hause ist in Ordnung." unterbrach ich sie.

Sie nickte und nachdem so ziemlich alle gegangen waren, ging ich mit ihr und Scott zu ihrem Auto. Etwa 20 Minuten später waren wir an meinem Haus angekommen. -Mein Haus- Das klang wirklich komisch. Aber genau das war es jetzt. Ich würde in ein paar Monaten 18 werden, deshalb hatte keiner etwas dagegen, dass ich dort alleine wohnte. Naja, keiner außer ich. Ohne Evelyn kam mir das Haus viel zu riesig vor.

"Bist du sicher, dass keiner bei dir bleiben soll?" fragte Melissa erneut.

"Ich... Ich will nur etwas alleine sein." antwortete ich ihr.

"Ruf an, wenn du etwas brauchst. Oder du einfach nur reden möchtest." bot sie mir an.

Ich nickte und ging dann auf die Haustür zu. Mit zittrigen Fingern schloss ich sie auf und trat ein. Es kam mir so trostlos vor. Aber vermutlich nur, weil es genau das war. Trostlos. Und ich war alleine. Wieder einmal, war ich alleine. Draußen ging schon langsam die Sonne unter und ich wollte nur noch in mein Bett. Als ich nach oben ging, kam ich an ihrem Zimmer vorbei. Ich konnte nicht anders als hinein zu gehen. Als ich das Zimmer betrat, durchfuhr mich ein kalter Schauer. Es fühlte sich richtig seltsam an, hier drinnen zu sein. Aber es war nicht nur einfach seltsam. Es war falsch. Ich hatte das Gefühl,  dass ich nicht hier sein sollte. Also ging ich wieder und setzte mich in meinem Zimmer auf mein Bett. Ich überlegte. Ich überlegte, was ich jetzt tun sollte. Ich wäre am liebsten auf gesprungen und einfach aus dem Haus gerannt. Keine Ahnung, wohin, Hauptsache weg. Ich zerschlug diese idiotische Idee wieder und zog mir meine Schlafsachen an. Als ich mich kurz darauf ins Bett legte, war ich zwar wirklich müde, aber ich konnte noch lange nicht einschlafen. Doch irgendwann wurden meine Augen immer schwerer und fielen letztlich zu.

-/-

Am nächsten Morgen als ich aufwachte, blieb ich noch eine halbe Ewigkeit liegen und starrte meine Zimmerdecke an. Erst als mein Handy klingelte, stand ich auf. Es war Scott. Ich ging jedoch nicht ran, sondern drückte ihn weg. Ich wollte nicht mit ihm reden. Ich wollte mit niemandem reden. Der Tag verging viel zu langsam. Ich hatte die ganze Zeit über immer wieder Anrufe von Scott und Stiles, aber auch von Mia und Ella bekommen. Doch keinen Anruf nahm ich entgegen. Ich war den ganzen Tag zu Hause und hatte Musik gehört, fernsehen geschaut, oder einfach in meinem Zimmer rum gesessen. Gegen Abend ging ich unter die Dusche, was sich richtig befreiend anfühlte. Für einen Moment schien es, dass das heiße Wasser alle meine Sorgen einfach so wegwaschen würde. Und wieder klingelte mein Handy. Es war ja nett, dass sie sich sorgten, aber ich brauchte niemanden, der sich um mich sorgt. Nach der heißen Dusche wickelte ich mich in ein Handtuch ein und rieb den beschlagenen Spiegel frei. Als ich in den Spiegel sah, setzte mein Herz für einen Schlag aus. Sofort drehte ich mich erschrocken um, doch da war niemand. Ich hätte schwören können, dass sie direkt hinter mir gestanden hatte. Evelyn. Aber Evelyn war tot. Das hieße, dass ich mir das nur eingebildet hatte. Na toll. Jetzt halluzinierte ich mir meine tote Großmutter herbei. Ich musste hier raus. Am liebsten noch heute Nacht. Aber wohin sollte ich gehen? Sollte ich Ellas Angebot doch annehmen? Nein. Da kam mir eine bessere Idee. Ich würde mein Versprechen halten. Ich trocknete mich ab und zog mir frische Kleider an. Ohne meine Haare richtig abzutrocknen, stürmte ich in mein Zimmer und kramte einen Koffer aus meinem Schrank. Ich wollte keine Zeit verlieren. Hier würde ich noch verrückt werden. Also begann ich meinen halben Kleiderschrank in den Koffer zu werfen. Jedoch blieb mein nächtlicher Fluchtversuch auch nicht unentdeckt.

"Willst du verreisen?" fragte plötzlich eine Stimme.

Ich zuckte zusammen und als ich auf sah, blickte ich in die wunderschönsten blauen Augen der Welt.

"Ich kann nicht hier bleiben." sagte ich lediglich und packte weiter den Koffer.

"Wo willst du hin?" fragte mich Isaac neugierig.

"Nach L.A. Zu Jessi und M.J." antwortete ich, während ich überlegte, was ich noch brauchte.

"Wie lange bleibst du dort?" fragte er weiter.

"Keine Ahnung." gab ich wahrheitsgemäß zur Antwort.

"Wirst du wieder kommen?" fragte er nun.

Diese Frage ließ mich stoppen. Sie versetzte meinem Herzen einen richtigen Stich. Würde ich zurück kommen? Keine Ahnung. Ich war mir nicht sicher. Ich meine, es gab vieles, was ich nicht einfach so aufgeben wollte und konnte. Aber andererseits gab es hier auch vieles, was mich einfach schrecklich traurig machte.

"Ich weiß nicht." antwortete ich leise.

Isaac kam zu mir und stand nun ganz dicht hinter mir. Seine Nähe zu spüren war so beruhigend. Ich war mir so unsicher, was ich tun sollte.

"Taylor, wir machen uns sorgen." flüsterte er.

"Das braucht ihr nicht. Ich komme zurecht." antwortete ich leise und achtete dabei darauf, dass ich nicht anfing zu weinen.

"Taylor, du..." begann er, doch ich unterbrach ihn.

"Was?" sagte ich schroff und drehte mich zu ihm um. "Ich weiß was ich mache. Ich weiß was gut für mich ist und was nicht. Und dieses Leben, ist es momentan nicht."

Ich konnte jetzt nicht mehr anders. Ich konnte die Tränen nicht mehr zurück halten. Ich hätte eigentlich erwartet, das er so was sagt wie -dann mach doch was du willst- aber stattdessen, nahm er mich in den Arm und tröstete mich. Wieso war er nicht sauer? Ich hatte ihn, sowie jeden meiner Freunde in letzter Zeit kaum beachtet und jetzt würde ich einfach so verschwinden. Aber er war nicht sauer.

"Du musst wieder kommen. Versprich mir das." flüsterte er leise, woraufhin ich nur nickte.

Es war richtig. Ich würde wieder kommen. Das hier war nun mein zuhause. Auch wenn es sich momentan total fremd anfühlte. Isaac blieb noch die halbe Nacht bei mir, bis er von Derek eine SMS bekam. Warum musste Derek immer genau in solchen Momenten schreiben. Hatte er nichts Besseres zu tun? Aber Isaac hatte mir erklärt, dass es um Erica und Boyd ging. Also musste er wirklich los. Irgendwann nachdem er gegangen war, war ich dann auch eingeschlafen. Und somit endete mein vorerst letzter Tag in Beacon Hills.

Never Ending Nightmare (Teen Wolf FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt