Nacht der Leidenschaft

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Es ist mittlerweile Herbst, der Erste seit dem Krieg.

Ich ließ meinen Blick durch die düstere, einer Gruft ähnelnden Hütte wandern. Überall standen verschnörkelte Möbel aus dunklem Holz und Obsidian, dazu verschiedene menschliche Schädel. Es fühlte sich fast wie ein Zuhause an.

Ich blickte aus den beschlagenen Fenstern hinaus zu der kleinen Feuerstelle, die sich zwischen den Hütten befand und ununterbrochen brannte. Genau an dieser Feuerstelle habe ich früher Lady Hestia kennengelernt, doch jetzt traf ich sie nicht mehr häufig an.

Ich erschrak, als eine Person vor das Feuer trat und dadurch einen Schatten auf die nasse Wiese warf. Bevor ich mich versichern konnte, dass ich sie mir nicht eingebildet habe, war sie schon wieder weg. Auf den Wunsch, die Identität des Fremden herauszufinden, blieb ich wach. Ich hätte eh nicht wieder einschlafen können, dafür waren die Albträume zu heftig.

Im Kopf zählte ich die Minuten, doch wurde ab und zu durch das laute Ticken der Wanduhr unterbrochen. Die Minuten verflogen, aber als sich die Tür der Apollohütte öffnet, mochte ich fast jubeln. Doch die Freude, dass dieser Vorfall etwas Besonderes sei, verging schnell. Wahrscheinlich war es nur Will, der sich wiedermal in der Krankenstation überarbeitet hatte und jetzt endlich schlafen geht.

Wenige Minuten später ging die Tür erneut auf und die Person trat in die kühle Nacht. Sie trug, soweit ich das in der Nacht und auf die Entfernung erkennen konnte, eine kurze Jogginghose und einen Pullover, dessen Kapuze ein Stück ins Gesicht gezogen war. Die mysteriöse Person, bei der es sich wahrscheinlich wirklich nur um Solace handelte, trug etwas in der Hand, aber ich konnte nicht erkennen, was genau es war. Sie drückte sich mit den Händen auf das helle Holzgeländer. Mit dem Rücken an die Außenwand gelehnt, kramte der Camper etwas aus seiner Tasche und legte den Quader, den er in der Hand getragen hatte, auf seinen Beinen ab. Anschließend führte er sich etwas zum Mund. Ein kleines Lichtlein tauchte in der Nähe seiner Hand auf. Endlich fiel mir auf, was die Person da machte! Sie war kurz davor zu rauchen.

Das jedoch machte meinen Verdacht, dass es nur Solace ist, zunichte. Dieser Sonnenschein würde niemals rauchen! Er würde noch nicht mal ansatzweise freiwillig in die Nähe einer Zigarette kommen.

Irgendwie war es angenehm, diesem Menschen beim Inhalieren und Exhalieren des nikotinhaltigen Rauches zuzuschauen. Wie der Qualm sich erst leicht an der spitzen Lippe kräuselte und sich dann in Schlingen in die dunkle Nacht verflüchtigte. Ich hatte freie Sicht auf sein Seitenprofil. Das Licht, das von der goldenen Hütte ausging, hüllte ihn ein. Es sah aus, als würden die Strahlen seinen Körper umarmen. Es wirkte, auch wenn das Licht keine feste Form hatte, als wäre es Apollo selbst, der sein Kind in starke Arme schließt, um es vor den Monstern und all dem Bösen auf der Welt zu beschützen.

Als der Halbgott sich wieder in seine Hütte zurückzog, legte ich mich erneut zu Bett. Es verwunderte mich, dass Will noch nicht herausgefunden hatte, dass einer seiner Geschwister rauchte, aber ich ließ die ganze Sache auf sich beruhen. Für diese Nacht zumindest...

Als ich aufwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Ohne zu frühstücken, machte ich mich auf den Weg, Kayla zu suchen. Sie war eins von Apollos Kindern, die ich relativ gern mochte. Kayla war nicht so wie manche ihrer Geschwister, sie war nicht durchgängig überdreht und fing auch nicht plötzlich an zu singen, sie genoss einfach das Leben und liebte ihre Geschwister ohne viele Worte. Sie sprach mit Gesten, nicht mit vielen Worten.

Wie erwartet, fand ich sie auf dem Bogenschießübungsplatz. Ich weiß selbst nicht, wieso ich unbedingt wissen wollte, wer diese Person ist, ich spürte einfach Zuneigung zu ihr. Dieser Mensch, der die Nacht im Stillen genoss und nichts außer Ruhe ausstrahlte, dessen Beinhaare im Glanz der Hütte niedlich aussahen, dieser Mensch war für mich wie ein Kunstwerk, vielleicht ein Gemälde, das ohne einen Ton von sich zu geben, gigantische Auswirkung auf die gesamte Atmosphäre um sich herum hat. Ich fühlte mich, als würde ich mich, ohne zu wissen in wen, verlieben.

Solangelo~OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt