Morgendlicher Besuch

471 12 11
                                    

Ich schaue auf die Uhr. Viertel nach 7. Naja, immerhin deutlich später als die letzten Wochen... Ich drehe mich noch ein paar Minuten hin und her. Ach, ich kann eh nicht länger schlafen. Ich schiebe meine Decke zur Seite und stehe auf. Ich ziehe die Vorhänge zur Seite und mache mein Fenster auf Kipp. Dann gehe ich ins Wohnzimmer. Luca liegt da, auf dem Bauch, eine Hand hängt vom Sofa runter. Er sieht echt süß aus. Ich ziehe seine Decke, die etwas runter gerutscht ist, wieder hoch und setze mich neben ihn. Er sieht so friedlich aus! Ich streiche ihm eine Locke aus dem Gesicht, als es gerade klingelt. Kurz halte ich inne, aber Luca scheint das nicht zu stören, er schläft ganz ruhig weiter. Ich eile zur Tür und öffne sie. Ich dachte Andrzej und Vica rufen an bevor sie kommen? Vielleicht hab ich es ja nicht gehört, ich hab noch gar nicht auf mein Handy geguckt. Ist das überhaupt auf laut? „Hallo?" Das ist nicht Andrzej. Aber ich kenne die Stimme. Evgeny kommt die Treppe hoch. Er schaut sich suchend um. Ich stehe da wie in einer Starre, bis er zu mir schaut und auf mich zukommt. „Nein!" Ich gehe wieder in meine Wohnung. „Christina, bitte" höre ich noch, bevor die Tür ganz ins Schloss fällt. Was will der denn hier?? „Christina?" ruft er und klopft an meine Wohnungstür. „Chrissi, ich weiß, dass du noch da bist" ruft er. „Geh weg!" Ich lehne an der Tür, als würde es was bringen, dass ich sie damit weiter zu halte. „Ich geh nicht weg, bitte, hör mir zu!" Ich verdrehe die Augen. Als würde mich irgendwas interessieren, was er zu sagen hat. Er klopft wieder an die Tür. „Komm schon" Ich schüttle den Kopf. Ich will ihn nicht sehen, ich will nicht, dass er in meiner Wohnung ist, ich will nicht mit ihm sprechen und ich will ihm nicht zuhören. „Christina? Ich bleibe hier, bis du die Tür aufmachst" Ich atme laut aus. Ich weiß, dass er das ernst meint und dass er das durch zieht. Offensichtlich lässt er mir echt keine Wahl. Ich könnte Luca fragen, ob er ihn vertreiben kann... Ne, ich muss das alleine schaffen. Der Arme schläft ja noch, dafür wecke ich ihn nicht. „Christina, bitte, ich will mit dir sprechen" bittet er mich nochmal. Ich atme einmal tief durch. Dann lege ich meine Hand an die Türklinke. „Du hast 2 Minuten" sage ich bestimmt, als ich die Tür öffne. „Kann ich rein kommen?" Ich schüttle den Kopf. „Nein" Evgeny seufzt. „Komm schon, das ist doch kindisch" Ich schaue ihn auffordernd an. „Bist du gekommen, um das zu sagen?" Er schüttelt den Kopf und schaut nach unten. „Es tut mir leid" Bitte was?? Damit hat er mich komplett überrascht. „Es tut dir leid?" Evgeny nickt und schaut mich an. Das hab ich gerade das erste mal von ihm gehört. Das erste mal seit all das passiert ist. „Kann ich rein kommen?" fragt er nochmal. Ich zögere. „Okay" seufze ich und gehe einen Schritt zur Seite.

Evgeny kommt rein und schaut sich um. „Woher weißt du eigentlich wo ich wohne?" Ich hab's ihm bewusst nicht gesagt. „Hab halt wen gefragt" erklärt er. „Wieso nicht mich?" Evgeny zögert. „Weil du's mir nicht gesagt hättest" Ich nicke. Da hat er ausnahmsweise mal recht. Wir stehen voreinander und schweigen uns an. „Also, was hast du zu sagen?" Ich verschränke die Arme vor der Brust. „Ich wollte das alles doch nicht. Es tut mir leid. Das die letzten Tage, das war nur zur Ablenkung oder so, aber eigentlich" Evgeny zögert. „Ja?" frage ich nochmal. „Ich brauche dich, Christina" Überrumpelt gehe ich einen Schritt zurück. „Komm schon, können wir nicht mal" - „Nein" unterbreche ich ihn und gehe noch einen Schritt zurück. „Evgeny, das kommt alles ein bisschen spät" Er seufzt und nimmt meine Hand. Aus irgendeinem Grund lasse ich es zu. „Ich hab halt Zeit gebraucht" erklärt er sich und kommt wieder einen Schritt auf mich zu. Ich schaue nach unten. Ich bin ziemlich überfordert mit der ganzen Situation. Ich starre auf unsere Hände. „Kannst du mir verzeihen?" Ihm verzeihen... „Ich weiß nicht" antworte ich wahrheitsgemäß. Eher nicht. „Komm schon" Evgeny kommt noch einen Schritt auf mich zu. „Ich weiß, dass da mit Luca nichts läuft, du wolltest nur meine Aufmerksamkeit" Empört schaue ich ihn an. „Ach ja? Weißt du das?" Evgeny nickt und kommt noch einen Schritt näher, sodass uns wirklich nicht mehr viel trennt. Das ist mir definitiv zu viel Nähe von ihm, aber ich kann gerade absolut nichts machen. Ich bin wie in so ner Schockstarre. „Bitte nicht" sage ich leise. „Christina, wir hatten so viel, wollen wir das einfach so wegwerfen?" Evgeny kommt mir immer näher und legt seine Hände an meine Taille. „Nein" Ich will sie zur Seite schieben, aber er lässt es nicht zu. Ich gehe einen Schritt zurück, aber Evgeny kommt hinterher, bis ich gegen die Wand stehe und Evgeny direkt vor mir, mit seinen Händen an meiner Taille. Er hat ne mega Fahne. Das erklärt aber irgendwie auch alles. „Siehst du, wusste ich doch, dass du uns auch noch ne zweite Chance geben willst" Erstaunt schaue ich ihn an. „Nein, das, ähm, das, das meinte ich nicht" Evgeny lehnt sich gegen mich. „Was soll das?" Ich schaue ihn an. „Komm, du weißt, dass ich eine zweite Chance verdiene" Ich schüttle den Kopf. „Bitte, lass mich los" sage ich diesmal bestimmt, aber Evgeny ignoriert mich komplett und so, wie ich zwischen ihm und der Wand klemme, kann ich mich kaum bewegen. „Geh weg" Ich versuche ihn weg zu drücken, schaffe es aber nicht. „Du kannst wieder zu mir ziehen und dann tanzen wir auch wieder zusammen und alles wird wie vorher" Evgeny lehnt sich zu mir. Ich drehe meinen Kopf zur Seite. Er fängt an meinen Hals zu küssen. „Evgeny, lass das!" rufe ich laut. „Lass mich in Ruhe!" Er hört zwar auf mich zu küssen, geht aber nicht wirklich zurück. „Lass mich los!" Evgeny schaut mich an. „Küss mich" bittet er mich. „Nein!" rufe ich laut. „Komm, Christina, wir gehören zusammen" Ich schüttle den Kopf. „Lass mich in Ruhe, geh weg!" rufe ich nochmal. „Hey, hey!" Evgeny wird zurück gezogen. Instinktiv eile ich hinter Luca. Er hält schützend einen Arm vor mich, an den ich mich klammere. „Was machst du denn - was macht der denn hier?" fragt Evgeny mich empört. „Schläfst du mit dem? Betrügst du mich?" Was sagt er da gerade? Luca guckt mich verwirrt an. „Wir haben Schluss gemacht, nachdem DU MICH betrogen hast, was ich hier mache oder nicht mache geht dich gar nichts an!" rufe ich hysterisch. Luca schaut mich fragend an und macht eine kleine Kopfbewegung Richtung Tür. Ich nicke. „Du gehst jetzt" sagt er dann bestimmt zu Evgeny. „Du hast mir gar nichts zu sagen, du stehst halb nackt in der Wohnung von meiner Freundin. Verwirrt schaue ich Evgeny an. „EX!! Freundin. Hast du irgendwas genommen? Wir sind nicht mehr zusammen und das wird sich garantiert nicht mehr ändern" Luca legt seine Hand auf Evgenys Brust. „Nächstes mal, wenn du sowas machst, bin ich nicht so nett" verspricht er und schubst ihn ziemlich hart raus. „Jetzt hau ab"

Butterflies fly awayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt