Kapitel 12

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Es ist Samstag morgen, als es leicht an meiner Zimmertür klopft. Gestern Abend hat mein Vater mir noch erklärt, dass heute eine Spendengala stattfindet. Diese wird anscheinend von der Firma, in der er arbeitet gegeben und... ich muss mit.
Langsam schlage ich meine Augen auf und lehne mich an das Rückenteil meines Bettes.
Mein Vater öffnet die Tür und streckt seinen Kopf durch den Türspalt. „Guten Morgen Kyra. Ich habe Frühstück gemacht, es steht unten. Ich muss nochmal schnell weg, sei bitte um 16 Uhr fertig für auf die Gala. Dein Outfit hängt in deinem Bad. Bis später." „Okay Dad, bis nachher."
Ich habe gar keine Lust auf diese Gala. Ich begebe mich nach unten und frühstücke.

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Ich drücke die Badezimmertür auf und trete hinein. Eine Dusche wird jetzt gut tun. Also ziehe ich mich aus und stelle mich unter das angenehm warme Wasser, das auf mich herab fällt. Ich schließe meine Augen und mir schießt das Bild von einem bestimmten blauäugigen Jungen in den Kopf. Damit kommt aber auch das ganze Gefühlschaos, dass er in mir auslöst.
Eine halbe Ewigkeit später stelle ich das Wasser ab und verlasse, in ein Handtuch gehüllt die Dusche.
Auf dem Waschbeckenrand stehen zwei unterschiedlich große Schachteln. Ich gehe langsam darauf zu und öffne behutsam die kleinere. Sie sieht aus, als ob sie Schmuck beinhalten würde.
Ich habe Recht. Eine wunderschöne, goldene Kette und passende Ohrringe liegen auf einem roten Samtkissen. Die Kette hat eine kleine Fassung am Ende, in der ein kleiner aber dennoch atemberaubender, blau schimmernder Edelstein gefasst ist.
Das muss sau teuer gewesen sein. Das kann ich doch nicht tragen?!
Immer noch kopfschüttelnd lege ich die kleinere Schmuckschachtel beiseite und widme meine Aufmerksamkeit der zweiten.
Ich nehme den Deckel ab und schaue hinein. Marineblauer Stoff mit goldenen Bestickungen springt mir ins Auge.
Mein Mund bleibt offen stehen. Vorsichtig greife ich danach und ziehe das bodenlange, elegante Kleid heraus. Daraufhin betrachte ich es noch einmal und es verschlägt mir einfach die Sprache.
Der Ausschnitt ist etwas gewagt aber dennoch elegant, es ist figurbetont geschnitten.
Ich liebe meinen Körper und weiß meine weibliche Kurven zu schätzen trotzdem bin ich schlank und ich würde sagen auch trainierter als die ganzen Mädchen in meinem Alter aka. ausgehungerten Schlampen.
Plötzlich bemerke ich eine beunruhigende Tatsache. Das Kleid ist rückenfrei, was heißt, dass man mindesten einen Teil meiner Narbe sehen können wird. Shit! Meine Atmung wird schneller.
Stop! Kyra du musst dich beruhigen, dein Vater konnte das schließlich ja nicht wissen, also kannst du es ihm nicht verübeln. Du schafft das auch so.
Um ein anderes Kleid zu besorgen ist es zu spät und so beschließe ich, das beste daraus zu machen. Wie gesagt ändern kann ich es ja sowieso nicht. Mit meinen Haaren werde ich die Narbe hoffentlich verstecken können.
Ich schminke mich dezent, dennoch elegant. Meine Haare lasse ich in leichten Wellen über meine Schultern und den Rücken fallen. Sie verdecken die Narbe.
Puh... Glück gehabt!
Die Kette liegt kalt auf meinem Dekolleté und ich ziehe mir die Ohrringe an. Anschließend schlüpfe ich in das Kleid, dabei schmiegt es sich an meinen Körper. Der weiche Stoff ist angenehm auf meiner Haut und ich fühle mich erstaunlicher weise sehr wohl. Langsam ziehe ich den Reißverschluss zu. Es passt wie angegossen und fällt ab der Hüfte etwas lockerer zu Boden.
Unweigerlich frage ich mich, was Celine zu diesem Kleid sagen würde.
Eine Träne entkommt meinem Auge, aber ich wische sie direkt weg.
Dann gehe ich nach unten und stelle fest, dass ich noch dreißig Minuten habe.
Im Flur stehen dunkelblaue, hohe Schuhe, die wahrscheinlich für mich sind. Daneben liegt eine kleine, ebenfalls dunkelblaue Handtasche, die sehr gut zu den Kleid passt.
Schnell stopfe ich mein Handy, Puder, Parfum und Taschentücher in die Handtasche und schlüpfe in die hohen Schuhe. Das Kleid schwebt nun wenige Millimeter über dem Boden.
Gerade will ich meinem Vater schreiben— ja inzwischen haben wir Nummern ausgetauscht und schreiben sogar miteinander — da geht die Haustür auf.
Mein Vater steckt in einem sehr edlen, klassischen schwarzen Anzug und sieht etwas gestresst aus.
„Gott sei Dank, zum Glück bist du fertig." Einen Moment schweift sein Blick über mich. „Und wie ich sehe passt das Kleid. Sehr schön. Du siehst toll aus." Bei seinem letzten Satz dreht er sich zur Garderobe und nimmt einen, wie soll es anders sein, dunkelblauen Mantel und drückt ihn mir in die Hand. Da ich ihn nicht tragen will und es wahrscheinlich eh zu kalt ohne ist, streife ich ihn über. Daraufhin folge ich meinem Vater nach draußen in seinen schwarzen Audi. Halt der typische Firmenwagen.
Ich habe keine Ahnung, wo diese Gala ist geschweige denn überhaupt irgendetwas darüber.
Das wird lustig.

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(Ryan POV)

Ich stecke in einer marineblauen Anzugshose und einem weißen, meiner Meinung nach zu engen Hemd. Und ich soll darüber auch noch ein Jackett anziehen.
Meine Mutter spinnt echt!
Ich schaue in den Spiegel und mir schauen zwei blaue Augen, in denen tief verborgener Schmerz liegt entgegen. Ich schüttele die Gedanken ab und lasse sie nicht zu. Mittlerweile bin ich darin ganz gut geworden alles zu verstecken. Es interessiert eh niemanden, wie es mir geht, meine Mutter war nie da, noch sonst wer. Wut kommt in mir hoch und überdeckt die eigentlich Enttäuschung.
Auf einmal wird die Badezimmertür aufgerissen und Elena, meine kleine Schwester steht in der Tür. Sie wurde von unserer liebreizender Mutter in ein schwarzes bodenlanges Kleid gezwängt.
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass sie nicht wirklich hübsch ist. Wenn ihr jemand das Herz brechen sollte, dann kann dieser jemand was erleben. Sie hat auch noch einen Zwillingsbruder— Jordan.
„Ryan, komm Mutter will gleich los. Beeil dich." „Jaja, bin gleich fertig. Sie soll sich nicht so aufführen." Ich breche kurz in Gelächter aus und Elena steigt mit ein.
Schnell richte ich meine Haare und nehme mir noch meinen Ring. Dann schlüpfe ich doch in das Jackett und gehe mit meiner Schwester nach unten.
Unten im Eingangsbereich warten Jordan, mein Vater und meine Mutter. Sie trägt ein dunkelrotes Kleid, zudem mein Vater ein passendes, rotes Hemd mit einer schwarzen Hose kombiniert trägt. Jordan ist passend zu Elena angezogen.
Dann durchschneidet die Stimme meiner Mutter die Stille. „Ryan, hast du das Stück am Klavier geübt? Ich hoffe für dich, dass du es kannst!", dann dreht sie sich ohne ein weiteres Wort um und tritt nach draußen.
Wir alle folgen ihr. Meine Eltern gehen auf ihren Porsche Carrera 911 zu und ich begebe mich mit meinen Geschwistern zu dem Firmen Auto meiner Mutter, da mein Audi R8 V10 nur zwei Sitze hat.
Dann fahren wir los Richtung San Francisco.

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