2. Kapitel

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Ich saß mit einem großen Teller Pancakes in der Küche.

Nachdem ich aufgewacht bin, habe ich mich schnell geduscht und habe mir einen

grauen Hoodie und schwarze Leggins angezogen. Ich habe meine Mutter mit einem

Kuss auf die Wange begrüßt und da es unser letzter Tag im Haus war hat sie

sogar für mich Pancakes gemacht, die ich so sehr liebe. Sie ist aus der Küche

gegangen, weil sie weiterpacken wollte, während ich genüsslich die Pancakes

verschlang. Jeder normale Teenager in meinem Alter hätte sich jetzt von seinen

Freunden verabschiedet. Ich hatte das Problem nicht, denn ich hatte hier keine

Freunde. In der Klasse wurde ich jetzt nicht gemobbt, aber ich war nicht gerade

die Beliebteste. Eigentlich bin ich komplett anders, wenn ich mit anderen

Menschen als mit meiner Mutter rede. Ich bin schüchtern, still und

zurückhaltend. Doch in Wirklichkeit bin ich total verrückt. Aber es stört mich auch

nicht wirklich. Ich fühle mich total unwohl in ihrer Anwesenheit und weiß auch

nie so richtig, was ich tun oder sagen soll, also schweige ich. Eigentlich

freute ich mich sogar um ehrlich zu sein über den Umzug, denn ich hatte echt

gar keine Lust mehr auf New Jersey. Ja, ich lebte im öden, schnöseligen und

konservativen New Jersey, was ich so sehr hasste!  Na ja, und sonst gab es nur noch Mum und mich.

Dad hat uns kurz vor meiner Geburt verlassen, aber ich hasse ihn jetzt nicht

dafür, auch wenn ich ihn nicht kannte. Immerhin war Mum mit mir schwanger als

sie 17 und mein Dad 18 war und beide hatten grade so noch die High School überstanden,

da kam ich schon. Natürlich wollte er erstmal sein Leben leben, bevor er Vater

wurde. Ich spülte gedankenversunken meinen mittlerweile leeren Teller in der

Spüle ab und räumte ihn automatisch in einen Karton. Langsam trotte ich die

Stufen zu meinem Zimmer hoch. Ich schnappte mir mein Buch „Eleanor and Park"

und begann an der Stelle weiterzulesen, wo ich aufgehört hatte. Ich tauchte

vollkommen in die Liebesgeschichte beider Protagonisten ein und merkte gar

nicht, dass meine Mutter mich rief. Als sie dann mit den Händen in die Hüften

gestemmt vor mir stand, blickte ich erst auf.

„Was gibt's?", fragte ich sie.

„Willst du mir vielleicht noch beim packen helfen?", warf

sie mir mit einem tadelnden Unterton entgegen.

„Oh, tut mir leid. Wo ist noch nicht alles gepackt?", fragte

ich sie entschuldigend.

„Spaß, ich habe schon alles fertig. Eigentlich möchte ich

dich fragen, ob wir zur Eisdiele wollen und nochmal durch die Gegend gehen

wollen", antwortete sie lächelnd.

„Ja klar", stimmte ich zu, scheuchte sie aus meinem Zimmer

und zog mir eine hellblaue Hotpants und ein weinrotes Top an.

„Hope!", schrie meine Mum durch das Haus.

„Komme schon", spurtete ich in den Flur und zog mir schnell

meine weißen Converse an.

„Wir können", sagte ich und Mum öffnete die Haustür und ließ

mir den Vortritt, damit sie abschließen konnte. Schweigend liefen wir zu

unserer Lieblingseisdiele, die gerade mal 5 Minuten von unserem Haus entfernt

ist. Früher, als ich kleiner war und es heiß war, waren meine Mum und ich hier

sehr oft.

„Was willst du haben?", fragte sie mich.

„Das fragst du noch?", lächelte ich sie an. Ich nahm nämlich immer dasselbe Eis, Kokos.

„Kann ja sein, dass du endlich einmal etwas anderes probierst", sagte sie gespielt empört. Darauf hin musste ich nur noch mehr lächeln. Luigi, der Ladenbesitzer lächelte uns freundlich an.

„Ich denke mal, dass es für dich, Hope, Kokos ist und für dich Stracciatella, Jenny?", fragte er uns mit einem leichten italienischen Akzent.

„Richtig", erwiderte meine Mum grinsend. Sie reichte ihm gleich das Geld, welches er mit einem etwas bedrückten Gesicht entgegennahm. Früher hat er es nie annehmen wollen, aber Mum ist eine echt überzeugende Person. Er hat aufgegeben zu wiedersprechen.

„Luigi, wir müssen uns auch leider von dir verabschieden. Wir ziehen nämlich morgen nach Denver", erklärte Mum mit einem traurigen Ausdruck in ihren Augen.

„Dann wünsche ich euch viel Glück und dass ihr in Denver gut zurechtkommt. Ich werde meine besten Kunden vermissen", sagte er und kam um die Theke um uns beide zu umarmen und uns jeweils einen Kuss auf die Wange zu drücken.

„Tschüss Luigi, du bist echt der Beste", sagte ich und drehte mich um, nachdem ich ihm noch einmal zugewunken habe.

„Noch viel Glück dir und deiner Familie", verabschiedete sie sich und drehte sich ebenfalls um. Wir verließen den Laden mit unseren fast komplett geschmolzenen Eis. Normalerweise hätten wir uns noch eins bei Luigi geholt, aber wir konnten da nicht noch einmal rein. Er war der einzige Freund, den Mum und ich hatten, und er ist uns extrem ans Herz gewachsen.

Wir trotteten stumm und traurig zum Park ganz in der Nähe. Meistens sind Mum und ich, nachdem wir uns bei Luigi unser Eis geholt haben, hierhergekommen. Wir setzten uns auf eine leere Parkbank und aßen den Rest vom Eis auf.

„Willst du dich noch bei den Klassenkammeraden verabschieden?", fragte mich meine Mum.

„Nein, ich war nicht so gut mit ihnen befreundet", erklärte ich ihr und erntete dafür einen mitleidigen Blick.

„Ach Schatz, in Denver wirst du hoffentlich sehr guten Anschluss finden", meinte sie und drückte mich kurz am Arm.

„Mir hat das eigentlich nicht so viel ausgemacht", erwiderte ich.

„Aber Hope, d..."

„Echt, ich mochte die eh alle nicht", unterbrach ich sie, um mit diesem Thema abzuhaken. Ich hatte echt keine Lust über meine Klasse zu reden. Es machte mir echt nichts aus, aber es ist schon irgendwie blöd, niemanden zum Reden zu haben. Immerhin konnte ich nicht mit meiner Mum über all meine Probleme reden.

„In Denver soll das Wetter echt schön sein", versuchte meine Mum wider ein Gespräch aufzubauen.

„Das ist schön. Ich freu mich schon", sagte ich mit einem leichten Lächeln.

„Danke Hope", flüsterte meine Mum glücklich und gerührt und zog mich in eine Umarmung, die ich sofort erwiderte. Nachdem wir noch ein paar weitere Stunden redend und lachend verbracht haben, beschlossen wir, nach Hause zu gehen, da wir ja morgen nicht übermüdet die lange Strecke nach Denver fahren mussten. Mit dem Gedanken an ein neues Leben schlief ich glücklich ein.


The Flower GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt