34 - Lauf schon

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Aus dem Augenwinkel sah ich den Dolch auf mich zu fliegen. Er verfehlte mich nur knapp und blieb ein paar Meter entfernt in der Wand stecken.
"Willst du mich jetzt auch noch umbringen oder was?!" schrie ich aufgebracht.
"Tut mir leid, ich wollte ihn treffen!" antwortete Toji.

Bevor Ryuichi mich aufspießen konnte, rollte ich mich ab und rannte davon. Seine Klinge verhakte sich zwischen zwei Rohren und das war meine Chance!
Ich schnappte mir den Dolch, der in der Wand steckte und rutschte unter der schweren Kette hindurch, die Toji noch hielt.
Er schien zu verstehen was ich vor hatte, griff um und zog sie fest.
Sie wickelte sich um Ryuichis Knöchel und brachte ihn ruckartig zu Fall.

Ich sah wie Toji zu ihm rannte und dabei einen weiteren Dolch aus dem Wurm zog.
Meine Augen weiteten sich und ich eilte zu ihm.
In letzter Sekunde zog ich an Tojis Händen und er hielt inne, während die Klinge bereits ein ganzes Stück in Ryuichis Rückgrad steckte.
"Wenn du ihn umbringst, wird Utahime auch sterben!" rief ich und seine grünen Augen blickten Unschlüssig in meine.
"Was wirst du tun?" lachte Ryuichi provokant und ich sah, dass Toji um Selbstbeherrschung rang.
"Geh sie holen!" knurrte er und bedeutete mir mit einer knappen Kopfbewegung zu gehen.
Ich nickte und rannte, so schnell ich konnte, auf den gruseligen Golem zu.

Als ich einen schmerzerfüllten Aufschrei hinter mir hörte, blieb ich abrupt stehen und warf einen Blick über die Schulter.
Meine Augen trafen die von Toji, welche weit aufgerissen waren. Er hatte eine Hand auf die Rippen gepresst, sie war blutüberströmt.
Er krümmte sich und spuckte Blut.
"Toji!" schrie ich erschrocken und sah hinter ihm jemanden aus dem Schatten treten.
"Lauf schon!" schrie Toji, während sich in meinem Inneren bereits Verzweiflung mit Panik mischte.
Ich war wie erstarrt. Keiner meiner Muskeln wollte sich mehr rühren, während mein Kopf mich anschrie, dass ich zu ihm zurück musste.

"Asada!" jubelte Ryuichi, der noch immer am Boden lag, mit dem Dolch im Rücken. "Könntest du das Ding bitte raus ziehen, es ist lästig." grinste er den Fremden an.
"Du wolltest sie töten, was?" fragte der nur und ignorierte die Bitte vollkommen. Seine kalten Augen fixierten mich einen Moment und mir gefror das Blut in den Adern.

Toji hielt den Griff des Dolches noch immer fest.
"Naja also..."fing Ryuichi an sich raus zu reden, doch Asadas Gesicht verfinsterte sich nun noch mehr.
"Für Leute wie dich, die meinen Befehlen nicht Folge leisten, habe ich keine Verwendung." sagte er tonlos, hob den Fuß und platzierte ihn auf dem Griff des Dolches.
"Hol sie!" drängte Toji mich und hustete gequält.
Immer mehr Blut tropfte aus seinem Mund auf den Boden.
Ich schüttelte den Kopf, um mich zu sammeln und rannte wieder los, während mir Tränen in die Augen stiegen und meine Wangen hinab liefen. Wer war dieser Asada?

"Halte den Rand du Verräter!" schrie dieser jetzt erzürnt Toji an und trat auf den Dolch, der nun gänzlich in Ryuichis Körper versank.
Ein paar furchtbar gurgelnde Laute entwichen noch seiner Kehle.

Ich erreichte endlich Utahime und versuchte so schnell, wie auch vorsichtig, ihren Kopf zwischen den langen, spitzen Fingernägeln herauszuwinden, die scharf waren wie Rasierklingen.
Hinter mir ertönte ein dumpfer Schlag und ich sah, wie Toji zur Seite geschleudert wurde, während Asada in großen, bedrohlichen Schritten auf ihn zu ging.
"Was ist hier los?" Eine raue Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich blickte auf Utahime herab, die gerade erst zu sich gekommen war und sich den schmerzenden Kopf rieb.
"Ist er tot?" fragte sie jetzt und ich folgte ihrem Blick hin zu Ryuichi, der reglos in einer Blutlache da lag.
Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich alarmiert zu dem riesigen Golem auf sah, der sich bereits aus seiner Erstarrung zu lösen schien.
"Wir müssen hier raus!" rief ich schrill und zerrte Utahime hinter mir her, weg von diesem Vieh.

Während wir rannten sah ich Asada, der vor Toji hockte, welcher an die Wand gelehnt da saß und sich noch immer seine Wunde hielt.
Asada zerrte ihm grob an seinen Haaren den Kopf in den Nacken. "Schade, du hattest so viel Potential Toji Zenin." knurrte er bedrohlich und rammte ihm dann den Dolch in den Hals.
Toji lächelte ihn an, während er verzweifelt nach Atem rang. Blut strömte aus der Wunde und tränkte sofort den Kragen seines T-Shirts.

"Nein!!!" schrie ich weinend und stürzte auf ihn zu. Utahime schnappte erschrocken nach Luft und folgte mir.
Als wir fast bei Toji angelangt waren, trat Asada ihr gegen den Kopf und sie ging bewusstlos zu Boden, während er mich an der Hüfte packte und über die Schulter warf, als wäre es eine seiner leichtesten Übungen.

Ich strampelte und wehrte mich mit allem was ich hatte. "Loslassen!" kreischte ich.
Die Tränen nahmen kein Ende und Toji so zu sehen, wie er um sein Leben kämpfte und mich dabei mit fahl leuchtenden Augen ansah, war das schmerzhafteste, was ich jemals erlebt hatte.
Es erinnerte mich an damals, als die Zenin ihm die Kehle durchtrennt hatten.
Er hatte mir versprochen, dass das nie wieder passieren würde, oder nicht? Wieso? Wieso musste er wieder wegen mir leiden? Wieso musste ich dabei zusehen? Bitte...bitte stirb nicht! Stirb nicht, bevor ich es dir gesagt habe!

Ich biss Asada in den Hals und er ließ mich mit einem zornigen Aufschrei fallen.
Verzweifelt stemmte ich die Füße in den Boden, suchte nach Halt und stolperte auf Toji zu.
Die Erde bebte, als der Golem sich am Ende des Raumes aufrichtete, doch das alles war mir egal. Es zählte nicht.

Ich nahm den blutverschmierten Griff des Dolches und zog ihn ruckartig aus Tojis Hals.
Er fuhr zusammen und ich hörte nichts als Röcheln und gurgelnde Laute.
Verzweifelt und krank vor Panik presste ich meine Hand auf seine Wunde. Das Blut sickerte warm zwischen meinen Fingern hindurch.
Ich weinte so sehr, das meine Tränen auf Tojis Gesicht tropften.

"Toji, bitte mach die Augen auf!" flehte ich und rüttelte an ihm.
Er bewegte sich nicht mehr und ich ließ meine Fluchkraft in meine Hände fließen, um ihn zu heilen. Ich konnte es, ich musste ihn heilen!
Es hatte schon einmal funktioniert. Also würde es diesmal wieder funktionieren, oder?

Große Hände packten mich an den Knöcheln und zerrten mich zurück. Ich versuchte mich an Toji festzuhalten, der reglos mitgezogen wurde und einfach zur Seite kippte.
Jetzt verlor ich den Halt und versuchte verzweifelt mich irgendwo anders fest zu halten, doch es war zwecklos. Alles was ich hinterließ war eine Spur aus Tojis Blut auf dem glatten Betonboden.

Ich schrie mir vor Panik und Schmerz die Seele aus dem Leib.
Tojis Gesicht war blutverschmiert und seine Augen waren halb offen. Mein Herz zeriss es in meiner Brust, als ich sah, wie leer sie waren. Kein grünes Leuchten war durch die schwarzen Strähnen seiner Haare mehr zu erkennen.
"Toji?! Ich liebe dich!" schrie ich aus vollem Halse. Doch ich glaubte, er hörte es schon nicht mehr.
"Wir gehen!" zischte Asada, der mich erneut über die Schulter warf.
Ich streckte meine blutverschmierte Hand noch nach Tojis reglosem Körper aus, bevor sich die Tür vor meinen Augen schloss und ihn, zusammen mit Utahime und dem Feuergolem, einschloss.

Das Versprechen, das du mir einst gabst |Toji x readerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt