Ich drehte mich einmal im Kreis aber egal wohin ich schaute, ich sah nur Wald und Wiese. Wie zum Teufel war so etwas möglich? Eben saß ich noch entspannt auf einer Bank und im nächsten Moment befand ich mich nun hier. Wo immer auch hier sein mochte. Mein Gehirn begann nur langsam, die Einzelteile zusammenzusetzen. Leider kam ich zu keiner logischen Erklärung. Das Einzige was ich wusste war, dass ich kurz meine Augen geschlossen hatte und dann anscheinend teleportiert wurde. Ja das klang natürlich sehr logisch, vielen Dank auch Gehirn. Vielleicht sollte ich erstmal laufen und schauen ob ich irgendwo einen Hinweis darauf fand, wo genau ich mich denn nun aufhielt. Etwas anderes blieb mir auch nicht wirklich übrig. Vom rumsitzen wurde meine Situation sowieso nicht besser. Allerdings stellte mein nicht vorhandener Orientierungssinn schon mal ein Problem dar. Denn wie sollte ich denn wissen, ob ich nicht im Kreis lief? Hier schien es zumindest keine größere Stadt in der Nähe zu geben und der Wald sah überall gleich aus. Ich zog trotzdem den Reißverschluss meiner Jacke fester zu und stiefelte auf gut Glück los.
Es war eine sehr schlechte Idee gewesen einfach loszulaufen. Ich wusste nicht wieviel Zeit vergangen war, aber ich war keinen Schritt weitergekommen. Wohin ich auch ging sah ich nichts als Wald. Die Kronen der hochgewachsenen Bäume schienen mich mit jedem Schritt mehr zu verspotten und meine Laune sank minütlich. Normalerweise mochte ich Waldspaziergänge, aber nicht wenn man nicht wusste wo man hinlief oder sich befand. Leider gab es auch keinen festgetretenen Weg, woraus ich schlussfolgerte, dass sich in diese Gegend wohl nur selten jemand verirrte. Da hatte ich ja mal wieder totales Glück. Mein Handy war mir hierbei auch keine große Hilfe, denn hier gab es nirgendwo Empfang. Es war als wäre ich in der Vergangenheit gelandet, in der Leute den Weg ohne technische Hilfsmittel finden konnten. Tja zu denen gehörte ich nun aber leider nicht. Ich verdrehte die Augen und starrte böse zum Himmel hinauf. Dieser verdunkelte sich zu allem Übel auch noch und es sah nach Regen aus. Zum Glück hatte ich meine Regenjacke an, aber meine Sneaker waren bestimmt nicht wasserfest. Ich musste also schnellstens einen Unterschlupf finden, bevor der Waldboden durch den Regen aufgeweicht wurde und ich nicht mehr weiterlaufen konnte. Etwas zu Essen wäre jetzt auch nicht schlecht, denn ich bekam langsam Hunger. Ich wusste zwar nicht, wieviel Uhr es inzwischen war, aber es war bestimmt schon Zeit für das Mittagessen. Seit dem Frühstück am Morgen hatte mein Magen nichts mehr zugeführt bekommen und nun fing er an zu protestieren. Wenn ich nicht bald einen Weg hinaus fand, dann könnte es böse enden. Vielleicht half es ja, wenn ich nur geradeaus lief. So konnte ich wenigstens nicht im Kreis laufen, auch wenn mir dies nicht aufgefallen wäre, da hier immer noch alles gleich aussah. Also echt, konnte der Förster oder wer auch immer noch nichtmals ab und zu Hinweisschilder aufstellen? Aber wenn meine Vermutung über wenig bis keine Wanderer zutraf, die diesen Wald benutzten, dann waren solche Schilder auch nicht vonnöten. Laut seufzend lief ich immer weiter durch den grünen Wald, in der Hoffnung doch noch mit etwas Glück hier heraus zu kommen.
Meine Hoffnung wurde allerdings zunichte gemacht, als ich bemerkte, dass es auf einmal merklich dunkler wurde. Ich war inzwischen bis auf die Knochen durchnässt, da es einen heftigen Regenguss gegeben hatte, bei welchem mir meine Regenjacke auch nicht viel half. Mir konnte es momentan nicht schlechter gehen: Ich war komplett durchnässt und durchgefroren, hatte Hunger und meine Füße taten mir vom stundenlangen laufen weh. Ich versuchte, nicht allzu viel an Marina zu denken, aber das ließ sich während des Laufens nicht vermeiden. Mein Gehirn hatte keine andere Beschäftigung, also kehrten meine Gedanken immer wieder zu ihr zurück. Wie es ihr jetzt wohl ging? Bestimmt hatte sie bemerkt das ihre beste Freundin spurlos verschwunden war. In ihrer Panik hatte sie bestimmt schon sämtliche Polizisten alamiert und einen Aufstand veranstaltet. Ich stellte mir vor wie sie mit wippenden Locken unruhig auf und ab lief und auf die Polizisten einredete. Oh Gott, diese Vorstellung verursachte mir direkt eine Gänsehaut. Mein Antrieb hier endlich raus zu finden wurde immer stärker und mit neuem Mut lief ich entschlossen weiter. Meine durchnässten Schuhe ignorierte ich, sowie auch meine durchnässten Klamotten. Einen Schnupfen zu bekommen war mir gerade herzlich egal, denn wenn ich wieder zu Marina fand, konnten wir darüber lachen. Sie würde mich dann ins Hotelbett verfrachten, mir Suppe kaufen, die sie mit dem Wasserkocher erhitzen würde und wir würden unsere Lieblingsserie schauen, während sich vor unserem Fenster London ausbreitete. Oder ich konnte mir auch einfach Erkältungspillen kaufen und damit überleben, bis ich wieder wohlbehalten Zuhause war, wo meine Mutter mich verwöhnen konnte. All die Gedanken an meine Liebsten verringerten meine etwas angestiegene Laune und mir liefen ein paar vereinzelte Tränen über das Gesicht. Einmal angefangen, konnte ich den Tränenfluss nicht stoppen, der auf einmal anfing zu fließen. Warum musste ausgerechnet mir so etwas passieren. Ich wusste noch nicht einmal was genau denn nun mit mir geschehen war und nun irrte ich völlig orientierungslos in einem fremden Wald umher, der meiner Meinung nach am Ende der Welt lag. Und natürlich gab es in einem Wald, anders als in der Zivilisation, nun auch kein Schnellrestaurant. Dieses würde wenigstens das Problem mit meinem Hunger lösen. Da ich in einer Stadt aufgewachsen war und nie in ein Sommercamp oder ähnliches geschickt wurde, standen meine Chancen sehr schlecht, mir irgendetwas essbares zu besorgen. Ich konnte mir ja nicht einmal aus einem Ast eine Waffe schnitzen, wie ich es in vielen Filmen gesehen hatte. Obwohl mein Überlebenswissen aus Filmen hier wohl nur bedingt anwendbar war. Ich bezweifelte, dass die Regisseure sich um eine realistische Darstellung bemühten.
Zitternd schlang ich die Arme um meinen Oberkörper und setzte einen Fuß vor den anderen. Was anderes blieb mir auch nicht übrig. Der Himmel wurde immer dunkler und schon bald sah ich kaum noch die Hand vor Augen. Ohne künstliches Licht konnte es echt dunkel werden. Deshalb suchte ich mir eine Stelle an der ich rasten konnte, denn im Dunkel der Nacht würde ich mich mit Sicherheit nur verletzen. Ein kaputter Fuß war wirklich das Letzte was ich jetzt gebrauchen konnte. Schon bald entdeckte ich einen Felsen, der eine Art Höhle bildete. Erleichtert schlich ich mich in die Höhle und machte es mir so gut es ging auf dem Moosboden bequem. Meine nasse Jacke legte ich wie eine Decke über mich, in der Hoffnung das sie vielleicht über Nacht trocknete. Trotz meinem nagenden Hunger und der Angst, dass etwaige Killer mich hier hilflos finden könnten- ich hatte eindeutig zu viele Horrorfilme gesehen- glitt ich schnell in einen traumlosen Schlaf.
Ich wurde von einem dunklen, langgezogenen Ton unsanft geweckt. Schnell schlug ich meine Augen auf und blickte mich um, um eine mögliche Gefahr zu lokalisieren. Es war leider immer noch stockfinster, weshalb ich nicht allzu viel erkennen konnte. Augenscheinlich schien sich keine andere Person in meiner Nähe aufzuhalten, aber man konnte ja nie wissen. Ich setzte mich aufrecht hin und richtete meine Haare so gut es eben ging. Dann saß ich eine Weile still da und lauschte auf mögliche Angreifer. Als ich nach einer Weile immer noch nichts verdächtiges bemerkte, beschloss ich, dass ich nicht unbedingt die Herkunft jedes Geräusches wissen musste, was nachts in einem dunklen Wald erklang. Und solange mich niemand angriff, war mir die Welt draußen wirklich sehr egal. Etwas beruhigter lehnte ich mich nun an die Felswand. Hinlegen wollte ich mich nicht, denn es könnte ja doch noch eine Gefahr draußen lauern, bei der ich schnell reagieren musste. Außerdem hatte ich durch mein unsanftes Erwachen nun einen Adrenalinschub. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, also war an Schlaf erst einmal nicht zu denken. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich mein Handy aus meiner Tasche zog. Obwohl ich hier kein Netz hatte, konnte ich immer noch Candy Crush spielen. Die App rief ich dann auch auf, nachdem ich vorsichtshalber mit meiner Handytaschenlampe alle Ecken der Höhle ausgeleuchtet hatte. Ich vertiefte mich in mein Spiel und nach einer Weile schlief ich für eine kurze Zeit tatsächlich wieder ein. Am nächsten Morgen wurde ich von Vogelgezwitscher und einer blendenden Helligkeit geweckt. Erschöpft schlug ich meine Augen auf und richtete mich aus meiner halb sitzenden Position auf. Ich massierte meine rechte Schulter mit kreisenden Bewegungen, denn sie fing nun an zu schmerzen. Ich hatte aber auch wirklich in einer komischen Position geschlafen. Mein erster Blick galt meinem Handy. Dreißig Prozent Restakku, dass war annehmbar wenn ich es nun auf Flugmodus stellte. Empfang gab es hier leider immer noch nicht. Ich blieb zunächst unschlüssig sitzen. Der Gedanke, dass mir nun ein weiterer, einsamer Tag im Wald bevorstand, reizte mich nicht gerade. Zudem musste ich dringend etwas zu Essen suchen, denn mein Magen fing langsam an weh zu tun und ich bekam nun auch Kopfschmerzen. Ich richtete mich auf wackeligen Knien auf, raffte schnell meine Sachen zusammen und lief aufs Geratewohl los. Da ich mich sowieso schon hoffnungslos verlaufen hatte, spielte die Richtung auch keine Rolle mehr. Aber schon nach kurzer Zeit hörte ich Stimmen näher kommen, die sehr aufgebracht klangen. Aus Vorsicht versteckte ich mich hinter einem Baumstamm und versuchte unaufällig einen Blick auf die Personen zu erhaschen.
DU LIEST GERADE
Between Two Worlds
FanfictionNeira wollte den besten Urlaub ihres Lebens in London verbringen. Aber dann passiert etwas, was niemand voraussehen konnte. Sie wird in eine andere Welt katapultiert und muss nun lernen, dort zurecht zu kommen. Keine leichte Aufgabe, in einer ihr vö...