Kapitel 3

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Ich versuchte möglichst flach zu atmen und presste mich wie eine Flunder an den Baumstamm. So zumindest in der Theorie, denn mit einem Mal verstummten die Stimmen. Ich wagte es nicht hinter meinem Baumstammversteck hervorzukommen, also blieb ich erst einmal dort wo ich war. Man könnte glatt sagen ich war wie angewurzelt. Oh na danke schön Gehirn, dass du dich immer in den unpassensten Momenten zu Wort melden musst. Das war gerade wirklich nicht hilfreich. Während ich noch auf irgendein Geräusch lauschte, bemerkte ich plötzlich eine Gestalt rechts von mir. Da ich meinen Kopf nur ungern verrenken wollte, versuchte ich mit meinen Augen soviel wie nur möglich zu erfassen. Leider sah ich nur eine verschwommene Gestalt, die immer näher kam. Und nicht nur eine, nein, drei andere Menschen liefen ebenfalls auf mich zu. An meinen Versteckkünsten musste ich definitv noch arbeiten, wenn man mich so leicht finden konnte. Aber wer weiß, vielleicht konnten mir diese Leute helfen, endlich den Weg aus diesem verfluchten Wald zu finden. Ich ließ dennoch Vorsicht walten, denn ich war nun auch nicht so naiv und lief auf jede x-beliebige Person zu, die sich so im Wald herumtrieb. Ich stieß mich mit meinem Ellenbogen von dem Baumstamm ab, bewegte mich ein Stück nach vorne und wartete ab. Nach einigen Sekunden konnte ich dann auch etwas mehr von den Menschen erkennen, allerdings verwirrte mich dies ungemein. Die Gruppe bestand aus zwei Mädchen und zwei Jungen, wobei ein Junge und ein Mädchen etwas älter als der Rest wirkten. Sie trugen alle Kleidung, die aus einem anderen Jahrhundert zu stammen schien und mich eher an ein Mittelalterfestival als an das 21. Jahrhundert erinnerte. Aber wer wusste schon, ob nicht hier in der Nähe genau so ein Festival stattfand. Da passte ich mit meiner knallgelben Regenjacke nun mal so gar nicht ins Bild. Kein Wunder, dass ich so leicht zu entdecken gewesen war. 

"Wer bist du und was tust du hier?" Der augenscheinlich älteste von ihnen verlor keine Zeit und beäugte mich misstrauisch. Sein gezücktes Schwert bemerkte ich erst jetzt. Es sah sogar ziemlich echt aus und er sah so aus, als wüsste er damit umzugehen. Mein Selbsterhaltungstrieb meldete sich und ich verspürte das dringende Bedürfnis, meine Beine in die Hand zu nehmen und davon zu laufen. Von einem verrückten in einem englischen Wald ermordet zu werden stand nicht gerade auf meiner Top 5 der Arten, wie ich sterben wollte. Obwohl mir die Bedrohung, die von allen und insbesondere dem Jungen vor meiner Nase ausging, nur allzu bewusst war, war ich dennoch nicht um eine Antwort verlegen. Ich beschloss, mit einer Gegenfrage zu antworten: " Genau dasselbe könnte ich dich auch fragen. Ich bin schließlich diejenige, die seit etwas mehr als 24 Stunden durch diesen Wald irrt und einfach nur in mein Hotelzimmer möchte. Also falls du dich hier auskennst, wäre es sehr nett wenn du mir den Weg zur nächsten Hauptstraße erläutern könntest. Achja und es wäre auch noch sehr schön, wenn du dein ziemlich echt aussehendes Schwert jetzt runternehmen würdest, denn ich habe wirklich keine Ahnung von Selbstverteidigung." Nach meiner doch recht emotionalen Rede verschränkte ich die Arme vor der Brust und sah ihn abwartend an. Aber anstatt direkt zu antworten, musterte mich der Junge nun. Seine Augen glitten von meinem Gesicht zu meiner Regenjacke, wo sie einen Augenblick irritiert verweilten und wanderten dann weiter über meine Jeans bis hin zu meinen inzwischen sehr stark ruinierten Schuhen. Er legte den Kopf schräg und schaute mich fragend an. Dann stellte er die wohl komischste Frage, die ich je bekommen hatte. "Aus welchem Jahr kommst du?" Wie bitte was? Damit hatte ich nun so gar nicht gerechnet. Dementsprechend blieb ich zunächst stumm, aber dann meldete sich doch mein letzter Rest Mut und ganz vielleicht auch mein Hunger plus Kälte zu Wort. "Entschuldigung aber ich habe dir doch schon gesagt das ich bei eurem komischen Spiel nicht mitmache. Ich bin natürlich genau so wie ihr aus dem 21. Jahrhundert und wenn ihr mir jetzt bitte den Weg hier raus zeigen würdet, dann wäre das sehr nett. Ich habe langsam nämlich echt die Schnauze voll von dem ganzen Wald und liege wahrscheinlich morgen mit einer Erkältung flach." Also wirklich, sowas konnte ich jetzt gar nicht gebrauchen. Ich hatte klar und deutlich gesprochen, wie konnte man das nicht verstehen? "Du kommst echt aus der Zukunft? Tragen alle solche Sachen wie du und habt ihr schon fliegende Autos?" Die kleinste der Gruppe schaute mich aus großen Kinderaugen an. Ich schüttelte meinen Kopf und hoffte darauf, dass das ganze nur ein blöder Traum war, aus dem ich hoffentlich gleich erwachen würde. Ich war sicher auf der Bank im Museum kurz eingeschlafen und mein Gehirn dachte sich das alles gerade nur aus. Ja so musste es sein, denn warum sonst sollte jemand von mir denken, dass ich aus der Zukunft komme? "Naja also weißt du ich komme nicht wirklich aus der Zukunft. Wir leben doch alle im 21. Jahrhundert, also kann ich technisch gesehen gar nicht aus der Zukunft kommen." "Aber genau da liegt das Problem," meldete sich der andere Junge zu Wort. " Wir kommen aus dem 20. Jahrhundert und du bist in Narnia gelandet durch eine Art Portal. Das ist uns auch passiert, also ist es gar nicht so unwahrscheinlich wie du vielleicht denkst." Ich fing an hysterisch zu lachen. Das konnte doch alles nicht wahr sein! "Entschuldigung..."Ich schaute den Jungen abwartend an, da wir alle noch keine Namen ausgetauscht hatten. "Oh ich bin Edmund und das sind Susan, Peter und Lucy." Er deutete nacheinander auf sich, dann auf das ältere Mädchen, den anderen Jungen und schließlich auf die kleine, die mich immer noch mit einer gewissen Faszination betrachtete. "Freut mich, ich bin Neira." Meine Höflichkeit behielt ich trotz allem bei. Da kam meine gute Erziehung zum Vorschein. "Aber das was du gesagt hast kann ja unmöglich stimmen. Ich bin weder aus der Zukunft noch bin ich durch ein Portal in diese Welt namens Narnia gefallen. Sowas wie Magie gibt es nämlich nur in Büchern." Susan näherte sich mir vorsichtig. Sie sagte mit beruhigender Stimme." Jetzt komm erstmal mit, ich verspreche dir, wir werden dir nichts tun." Sie schaute zu Peter, der unverzüglich sein Schwert wegsteckte. Auch Edmund machte keine Anstalten, mit seinem Schwert auf mich los gehen zu wollen. Mir blieb nichts anderes übrig, wenn ich überleben wollte, dann musste ich den vier Geschwistern wohl oder übel vertrauen. Auch wenn ich mir immer noch nicht sicher war, was denn dieses ganze Gerede von Narnia sollte. Ich nickte also zustimmend und zusammen bahnten wir uns unseren Weg durch den Wald, indem sich die Geschwister tatsächlich auszukennen schienen.

Between Two WorldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt