They turned you into a ghost...

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Der Regen durchströmte die Kleidung von Bucky und Olivia. Theoretisch müssten sie bis auf die Knochen durchgefroren sein. Aber sie froren nicht - wie immer. Das Adrenalin in ihrem Körper kam noch dazu.
„Olivia.", krächzte Bucky. Er spürte den Geschmack von Eisen in seinem Rachen. Blut floss über seine Lippen und bildeten einen leichten Rinnsal seinen Kinn herab. Das schien aber die Person ihm gegenüber nicht im geringsten zu stören, ihr Blick wirkte leer. So ausdruckslos und stumpf.
Olivia reagierte nicht auf ihren Namen. Lediglich ihre Augenwinkel zuckten leicht hin und her. Ihre Hand griff unter ihr Shirt. Sie zog sich ein Messer hervor, legte ihren Kopf kurz schief und schritt dann auf ihn zu. Das Messer vorweg gehalten, die Spitze auf Bucky zugerichtet. Keine Sekunde später rannte sie.
Bucky wich elegant aus, ballte seine Hände zu Fäusten und schlug paar mal zu. Der Schlag in den Magen traf nicht, ins Gesicht ebenso nicht. Das entwaffnen funktionierte auch nicht. Es funktionierte nicht weil er nicht wollte. So traf das Messer ihm in den linken Unterbauch. Er spürte wie sich die Spitze drehte.
Das Messer, welches er noch vorhin ihr gegeben hatte, damit sie sich selbst verteidigen konnte.

Es hätte ihm auffallen müssen das sie anders gewirkt hatte, so angespannt und ruhig. So kühl und irgendwie hasserfüllt.

So... unnormal.

Bucky packte ihre Hände, die noch immer den Griff des Messer umklammerten. „Olivia, Bitte...", hauchte er erneut.

Aber Olivia lächelte nur matt. „Stirb.", zischte sie und versuchte es tiefer zu bohren.

Bucky stöhnte leise vor Schmerz auf. Aber er hielt ihre Hände eisern fest, sodass sie nicht tiefer schieben konnte. Er wollte sie nicht bekämpfen, weswegen er umso mehr litt. Nicht körperlich, sondern mental. Er drückte ihre Hände zurück, spürte wie das Messer raus glitt und wie ein Blutschwall erneut aus seinem Körper floss. Diesmal schaffte er es ihr das Messer aus der Hand zu reißen. Er zögerte, überlegte es in ihre Seite zu stoßen. Seine Körperhaltung sprach dafür, aber er wich zurück. Das Messer hielt er hinter sich.

Ich komme nicht an sie ran. Sie hört mich nicht. Sie... sie ist tot., dachte er bitter. Er schmiss das Messer zur Seite. „Verzeih mir. Bitte.", flüsterte er in die Stille hinein.

Als Steve die verlassene Lagerhalle erreichte, sah er als erstes Blut. Jede Menge Blut. „Bucky!", schrie er.
„Hier drüben.", ertönte die erstickende Stimme des Soldaten. Steve rannte los, bog um paar Ecken, wich Schrott und Kartons aus, bis er seinen besten Freund fand. „Bucky!..." Er hatte sein Schild kampfbereit vor sich gehalten. Aber als er Bucky zusammengekauert am Boden knien saß, senkte er seine Arme langsam. „Was ist passiert?", fragte er.

Bucky sah zu ihm rüber, seine Augen wirkten wie erstarrt. Er wusste nicht wie er erklären sollte was passiert war. Es war zu schnell gegangen.

Nachdem er das Messer zur Seite geworfen hatte, hatte er sich mit Mühe und Not auf Olivia gestürzt. Diese war geschickt ausgewichen. Da aber beide keine Waffen hatten, die sie einsetzen konnten, wurde aus dem Gerangel eine klassische Prügelei. Paar Schläge nach links, paar Tritte in die Magengrube. Ausweichen, erneut zuschlagen.
Knochen knackten auf Knochen. Haut schürfte sich ab, wenn man gegen Metall gerieben wurde. Es war ein ekliger, normaler Kampf gewesen.

Letztendlich schaffte es Olivia nicht gegen den ionischen Arm anzukommen. Sie unterlag diesem.

Bucky hatte sie mit dem Metall am Hals gepackt und drückte sie gegen die Wand. Die Augen der jungen Frau wirkten noch immer leer, selbst als sie nach Luft röchelte und strampelte. Sie versuchte ihn zu treten.

Das anständige Leben hatte sie weich gemacht.
Sie hatte keine Chance gehabt. Hydra's letztes Experiment schlug fehl und zeigte gleichzeitig volles Potenzial.

Aber das ahnte Bucky nicht, wie auch?

Olivias Sensoren im Körper rattern. Die Informationen die an die längst verwaisten Hauptquartiere geschickt wurden, würden niemals gelesen werden.

Soldaten ein normales Leben nahezulegen würde nichts bringen. Sie sollten ihre Aufträge direkt erfüllen und nicht warten. Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt auf der Welt, um viele Opfer auf einmal erlegen zu können.

Bucky erhob sich vom Boden. So konnte Steve endlich die Leiche auf dem Boden sehen. Es sah so aus als ob sie schlafen würde. „Buck...", flüsterte er. Er lief auf seinen Freund zu und zog ihn in eine Umarmung, auch wenn dieser nicht wollte.

„Ich weiß nicht was ich fühlen soll.", flüsterte der dunkelhaarige. Er legte seinen Kopf auf Steves Schulter ab. „Ich habe sie getötet. Es ging so schnell. Ihre Augen.. waren so leer. Aber gleichzeitig so dankbar. Ich weiß nicht was sie zuletzt gefühlt hat. Ich weiß nicht was sie... warum sie... wieso hat sie..." Ohne es zu wollen fing er zu heulen an. Bucky heulte das erste mal seit sehr langer Zeit wieder. Nicht vor Schmerz oder Hass. Sondern davor weil er nicht wusste was er fühlen sollte.

Steve legte vorsichtig seine Arme um ihn. Schon lange hatte er seinen Freund nicht mehr so heulen gehört. Hatte Buck überhaupt jemals vor ihm geheult?
„Es tut mir leid.", flüsterte der Steve.

Die Männer verharrten so stillschweigend etwas. Bis sich Bucky langsam löste. „Ich will sie beerdigen." sagte er. Er drehte sich um und hob die Leiche hoch. Olivia's Haar hing ihr platt herab. Seine Faustschläge hatten dunkle Flecken auf dem zierlichen Körper hinterlassen.
„Wir sollten erstmal hier verschwinden. Hier sind gleich nicht so nette Personen.", meinte Steve. Auch er litt, denn sein bester Freund litt.

Bucky nickte und folgte Steve daraufhin hinaus. Draußen hatte es aufgehört zu regnen. „Wie bist du den Leuten eigentlich entkommen? Ich dachte du wirst verhört oder sonst was." Bucky durchbrach die unangenehme Stille. Das Lagerhaus hatten sie schon ein gutes Stück hinter sich gelassen.
„Ich sagte ich muss gehen. Ich habe deine Nachricht gelesen gehabt. Da bleibe ich doch nicht bei denen... ich stehe eh nicht gut da!", seufzte er. „Ist mir egal was sie denken. Du bist mir wichtig Buck. Wichtiger als alles andere."

Wichtig? Ich bin wichtig? Schweigend sah er seinen Freund an. „Du bekommst wegen mir mehr Probleme... das weißt du."
„Das ist jetzt nicht relevant. Sie hatten Olivia auf dem Kicker, ich habe es gesehen. Ich denke... du hast ihr ein großes Stück Leid erspart." Er blickte auf Buck's Arme. Olivia sah noch immer so aus als ob sie schlafen würde. Man müsste sich nur die Blutflecken und alles andere weg denken.

„Der tot ist also eine Erlösung? Wie klischeehaft.", seufzte der dunkelhaarige. „Dann wünschte ich mir das ich schon vor sehr langer Zeit gestorben wäre."

Breathe {Bucky}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt