Wähle!

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Bucky blinzelte verwirrt auf. „Wie bitte?", überquerten leise die Worte seine Lippen. „Du möchtest deine Erinnerungen nicht?"
Olivia seufzte leise. Sie spürte wie sich der Druck in ihr aufbaute. Missmutig blickte sie zur Seite und fixierte ziellos einen geistigen Punkt vor ihrem Auge.
„Ich möchte nicht.", wiederholte sie. „Jetzt ist es gut wie es ist. Warum sollte ich mir den Stress jetzt geben..." Als sie einen Druck auf ihren Händen spürte, wandte sie ihren Kopf wieder. Bucky hatte seine Hände auf ihre gelegt.
„Das zwischen uns wird einfacher. Einfacher zu erklären, das was wir jetzt fühlen. Oder auch nicht fühlen... Alles wird einfacher."
Bitte lass mich dir helfen Olivia. Irgendwo bin ich es dir auch schuldig. Vielleicht bin ich auch ein Egoist, weil ich es will und du nicht... Aber danach wird es dir besser gehen.
Die dunklen Augen blickten das markante Gesicht der jungen Frau eindringlich an. Mit einemmal wirkten ihre Augen völlig leer, so leblos als ob sie jegliche Energie verloren hätten. „Ich würde gerne mit dir eine einfache Rückführung der Erinnerungen machen. Ist das möglich?"

Olivia schüttelte aber stur verneinend ihren Kopf. „Nein Bucky. Ich sollte dir eigentlich doch vertrauen. Etwas in mir will dir sogar blind vertrauen... aber etwas anderes in mir..." Sie atmete tief ein und seufzend laut wieder aus. „Etwas in mir hat Angst vor dir. Nicht weil du Kriege geführt hast, ich deine Lebensgeschichte dank den Museen oder Ähnliches kenne. Etwas in mir... hat Angst. Und wenn ich keine Erinnerungen habe, dann wird diese Angst auch nicht weiter empor steigen."
„Aber das kannst du so doch nicht einfach begründen!", sagte Bucky geschockt. „Hörst du dir selbst zu? Das ergibt überhaupt keinen Sinn!" Eine Mischung aus Wut und Angst baute sich in ihm auf.
„Ich habe dir vorhin gesagt das ich umziehen werde. Und das werde ich noch immer tun. Es ist am besten so... Ich, oder besser gesagt du solltest nicht verschlossene Nähte von alten Wunden wieder aufreißen. Ich akzeptiere das ich wohl wie du bin... aber da bis jetzt noch nichts passiert ist, habe ich die Hoffnung das alles zu vergessen wenn ich umgezogen bin." Olivia zog ihre Hände aus seinen und stand vom Bett auf. Sie strich sich mit einem matten Lächeln auf den Lippen, ihre Kleidung wieder glatt. Diese war vom kurzen schlafen ganz knittrig geworden. „Ein Es tut mir leid ist jetzt wohl nicht angebracht, oder ?"
Bucky blickte mit einem grimmigen Blick zu ihr auf. Er wusste nicht was er antworten sollte. Zwingen konnte er sie ja auch nicht.

Sein Psychologe pflegte immer gerne die Worte, wenn du selber es nicht möchtest, wirst du es auch nicht schaffen.

Und genau diese Worte stürmten momentan durch Bucky's Seele.

Die junge Frau verlies schweigend die Wohnung. Er hörte wie die Nebentür auf dem Flur ins schloss fiel. Mit einem leisen klicken verriegelte sich auch diese.

Der ehemalige Soldat schlug frustriert seine Faust aufs Bett. Sekunden später hatte er seinen Rucksack geschultert und machte sich wieder auf den Weg nach draußen, in den eisigen Regen hinein.
Seine Füße führten ihn zur nächstgelegen Bahnstation. Die jetzige Bahn hatte er um paar Minuten verpasst. Weswegen sich Bucky auf die Bank setzten. Als die nächste Bahn an ihm vorbei fuhr, stieg er aber auch nicht ein. Sowie bei der nächsten und übernächsten auch.

Abwesend beobachtete er die Regentropfen vor sich hin. Die Tropfen fielen auf den kalten Bordstein und zerplatzten mit einem leisen poppen.
„Wusste ich es doch. Du haust nie weit genug ab.", ertönte eine sanfte Stimme. Leichtfüßige Schritte kamen auf ihn zu, bis diese neben ihm stehen blieben. „Steve's Handy ist wohl kaputt. Ich weiß nicht wie er das geschafft hat... aber er hat mich darum gebeten nach dir zu sehen. Darf ich mich setzen?" Die orangene Haare tauchten in Bucky's Augenwinkel auf.
„Tu' was du nicht lassen kannst Wanda.", flüsterte er leise und schloss seine Augen. Eigentlich hatte er keinen sehen wollen.
Er wusste ja nichtmal wohin er wollte.
„Dir scheint es nicht gut zu gehen. Ich weiß wie du dich fühlst.", sprach sie weiter, ohne ihm überhaupt die Wahl zu lassen, ob er zuhören wollte oder nicht.
Seufzend nahm Bucky es in Kauf, in ein Gespräch verwickelt zu werden.
„Du weißt wie ich mich fühle?"
„Ja. Verloren. Wütend. Einsam. Warum kann ich nicht einfach glücklich sein? Wieso haben sie an mir Experimente gemacht? Kann ich nicht einfach alles und jeden töten der mein Leid größer machen lässt." Es raschelte neben ihm.
Wanda hatte sich zurück gelehnt und schlug ihre Beine übereinander. Mit ihrem rechten Fuß fing sie leicht zu wackeln an. Da Bucky seine Augen wieder geöffnet, fixierten seine Augen nun die Fußspitzen.

„Du hattest eine Wahl Wanda. Was du dir angetan hast, hast du freiwillig gemacht."
„Und es ist einfach nach hinten losgegangen. Ich habe alles verloren was mir lieb und wichtig war. Also James, warum lebe ich noch? Kannst du mir das sagen?"
In ihrer sanften Stimme, schlich sich ein quälendes Zischen hinein.
„Umbringen ist wohl keine Lösung.", brummte er.
„Nein. Es funktioniert nicht so einfach. Toll oder nicht? Jetzt will man schon sterben und man schafft es nicht." Wanda's Kopf rückte nach rechts. Ihr Kopf legte sich auf seinem Oberarm ab.
Bucky's Blick richtete sich noch immer auf die wackelnde Fußspitze.
„Also werden wir fürs Leben bestraft und zum sterben sind wir zu blöd.", erklärte er.
„Nein James. Ich werde für meine Fehler bestraft, denn ich hatte die Wahl. Du hattest keine Wahl. Früher. Aber jetzt hast du doch eine Wahl, also warum gibst du so schnell auf?"
„Ich gebe nicht auf! Sie will nicht, das ist der springende Punkt! Wie soll ich sie denn dazu bringen sich zu erinnern? Wenn sie nicht will, funktioniert das nicht." Seine Stimme war lauter geworden.

Wanda schmunzelte lediglich nur langsam. „Man muss nicht unbedingt an Erinnerungen dran kommen. Gefühle von früher tauchen an alten Orten auf. Bekannten Orten."
„Wanda ich kann das nicht. Ich gehe ihr doch ständig aus dem Weg. Ich weiß nicht worüber dich Steve ins Bild gesetzt hat, aber die letzten Monate schon sind ein Spiel. Ein Spiel wo wir uns im Kreis drehen, anfangen uns näher zu kommen. Explodieren und dann abstoßen. Wir können keine Beziehung zueinander aufbauen."
„Und warum nicht?"
„Dafür wurden wir nicht programmiert. Das ist... ist..." ,Bucky kam ins Stocken. „...ist ein Systemfehler...", murmelte er nun kaum hörbar. Seine laute Stimme erstickte in seiner Unsicherheit. „Wir wurden geschaffen um zu töten. Zu rauben. Städte über Nacht zu zerstören und keine Hinweise zu hinterlassen. Regime zu stürzen. Wir wurden..."

Er zuckte zusammen. Wanda's kalte Finger berührten ihn an der Wange. Sie hatte sich zu ihm vorgebeugt. Noch immer lag ein leichtes schmunzeln auf ihren Lippen. „James ihr hattet keine Wahl. Und ihr habt euch damals schon Hydra widersetzt. Ihr habt euch zueinander angezogen gefühlt. Zuneigung empfunden, auch wenn es vielleicht nur eine Nacht war."
Fragend zog sich seine Augenbraue in die Höhe. Woher weiß sie das denn jetzt?
„Jetzt hast du die Wahl James. Verliere sie doch nicht, nur weil du davon ausgehst das sie nicht will. Zwinge sie zu ihrem Glück und zu deinem Glück. Ich glaube nicht an Schicksal... aber das Schicksal hat euch doch heute zusammengeführt, oder nicht?" Die kalten Finger lösten sich von seiner Wange.

Im nächsten Moment stand Wanda auf und streckte sich ausgiebig.
Beide waren vom Regen mittlerweile völlig durchnässt. Bucky musterte die Hexe vor sich.
„Ich habe also jetzt die Wahl.", seufzte er.
„Und du verspielst sie.", antwortete sie.

Breathe {Bucky}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt