Die Wahrheit

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"Wer war das?", fragte Levi sofort und ich sah ihm an, dass Wut in ihm hochstieg.

"Auruo.", nuschelte ich leise und Levi sprang sofort auf. Ich sah, wie er zum Höhleneingang ging und mit Armin und Mikasa sprach.
"Holt Auruo. Nehmt ihn fest. Alles weitere später.", sagte er knapp und kam dann wieder zu mir gelaufen.

 In der zwischenzeit war auch Hanji vor mich getreten und betrachtete das Wort auf meinem Oberkörper.
Sie sagte nicht dazu, sondern stellte sich wieder hinter mich und suchte sich sachen aus ihrer Tasche.

Levi setzte sich mir wieder gegenüber.
"Erzähl.", forderte er und ich atmete tief durch.

"Ihnen sagt der Name Zeke etwas?", fragte ich ihn und er nickte mit dem Kopf.

"Er hat einen Kameraden, der ebenfalls außerhalb der Mauer lebt. Sein Name ist Thomas. Ich bin mir nicht sicher, was die zwei eigentlich vor haben, doch sie haben ein kleines Labor, in denen sie unterschiedliche Experimente durchführen. Mia ist eines ihrer Versuchsopfer-"
Ich wurde unterbrochen, als Hanji etwas auf meine Wunde träufelte und es höllisch zu brennen begann.

"Du musst still halten.", wies sie mich an, doch als sie wieder meine Wunde berührte, zuckte mein Körper nach vorne.
"Ich bin erst beim reinigen der Wunde!", beschwerte sie sich.
"Ich werde sie noch zu nähen müssen!"

"Dann gib mir was zur Betäubung!", knurrte ich und drehte mich zu ihr nach hinten.

"Ich habe nichts hier. Und dich bis zum Stützpunkt zu schleifen, würdest du nicht überleben. Deine einzige Chance ist es, wenn du stillhälst und die Schmerzen erträgst."

Ich nickt sachte und ich spannte meinen Oberkörper an. Mit meinen Händen umfasste ich meine Knie und ich spürte, wie Hanji wieder etwas an meiner Wunde tat.
Mein gesamter Körper schrie danach, vor ihr weg zu gehen, doch ich wusste, ich musste still halten.

Ich biss meine Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien. Ich kniff die Augen zusammen und ich spürte, wie mir wieder Tränen über die Wange liefen.
Mein Körper begann vor Schmerzen zu zittern und ich fühlte, wie sich schweiß auf meiner Stirn bildete.

"Du musst sie festhalten.", hörte ich Hanji sagen und sofort spürte ich starke Hände auf meinen Schultern, die mich zu Hanji drückten.
"Da ist was in der Wunde drinne..", nuschelte sie leise und ein plötzlicher Schmerz tauchte wieder auf. Ich schrie und versuchte von ihr wegzukommen, doch Levi drückte mich wieder zurück.

Als der Schmerz vorbei war, sackte mein Kopf hinunter und lehnte an Levis Arm.
Ich keuchte und mit zitternden Fingern wischte ich mir meine Tränen von der Wange.

"Fürs Nähen werden mir mehr Leute gebrauchen.", hörte ich Hanji sagen und sie ging nun ebenfalls zum Eingang und rief Eren und Jean herein und sie erklärte ihnen ihre Aufgabe.

"Ist es nicht einfacher, wenn wir sie auf den Boden legen?", hörte ich Jean fragen.

"Zu schmutzig.", sagte Hanji. "Die Gefahr ist zu hoch, dass sich die Wunde verunreinigt und entzündet."
Ich hörte noch, wie Hanji den anderen Beiden etwas erklärte, doch mein Blick wanderte etwas nach Oben und ich sah, wie Levi mich ansah.
Mein Kopf lag immer noch an seinem Arm. Wäre ich bei klaren Verstand, würde ich den Kopf da weg machen, doch es hatte im Moment etwas beruhigendes, wenn ich in seiner Nähe war.

Dann spürte ich noch Erens Hände, die eine auf meinem Knie, die andere an meiner Hüfte. Jean tat das gleiche auf der anderen Seite.

Plötzlich überkam mich wieder ein Stechen und ich schrie auf. Meine Hände schossen nach Oben und ich hatte das Bedürfnis sie weg zu stoßen, doch mir war klar, dass es mich mein Leben kosten würde.
Unschlüssig, wohin mit ihnen, legte ich meine Hände auf Levis Brust und beim nächsten stechenden Schmerz, krallte ich mich in sein Hemd.
Mein Kopf ruhte immer noch auf seinem Arm und die Tränen liefen mir unentwegt über die Wange.
Der Schmerz war unvorstellbar und obwohl ich drauf achtete, die Zähne zusammen zu beißen, schrie ich bei jedem Stich, den Hanji setzte auf.

"Ein bisschen musst du noch durchhalten.", sagte sie und ich krallte mich noch fester ins Levis Hemd.

"Hanji..", flehte ich und ich wollte ein Stück von ihr wegrutschen, doch die anderen hielten mich so fest, dass ich mich kein bisschen rührte.

"Wieso wird sie nicht ohnmächtig?", fragte Eren und sah zu Hanji. "Du hast doch gesagt, das würde passieren und dann würde sie es nicht merken."

"Wahrscheinlich ist sie zu stur.", sagte sie und ich hörte missbilligung in ihrer Stimme.

Wie verlockend es gerade klang, einfach ohnmächtig zu werden und nicht den nächsten Stich mitzubekommen. Doch ich tat es. Ich schrie wieder auf und mein Kopf schoss nach oben. Ich sah graue Augen, die zu mir sahen und ich fokussierte mich darauf.

Levi sah mich einfach nur an und ich sah zurück. Ich konzentrierte mich darauf, wie schön seine Augen aussahen. Ich versank in ihnen und für einen Moment, waren die Schmerzen vergessen.

"Geschafft.", hörte ich Hanji sagen und mein Körper sackte sofort kraftlos zusammen. Levi, Jean und Eren fingen mich gleichzeitig auf.

"Ich verbinde die Wunde noch, solange musst du dich gerade halten. Danach ruhst du dich aus.", hörte ich Hanji sagen. Ich versuchte meinen Körper aufzurichten, doch ich hatte keine Kraft, weswegen Levi mir half und mich festhielt.
Während Hanji den Verdand um meinen Oberkörper wickelte, sah ich, dass meine Hände immer noch in Levis Hemd gekrallt waren.

Zittern ließ ich locker und Levi sah kurz zu sich hinunter, ehe er mich wieder in die Augen sah. Mein Blick blieb an seinem Hemd hängen, denn ich hatte so kräftig dran gezogen, dass die ersten beiden Knöpfe abgerissen waren und ich ein Stück seiner nackten Haut sehen konnte.
"Entschuldigung.", hauchte ich leise und noch immer konnte ich mein Blick nicht entreißen.

"Tch.", hörte ich ihn nur sagen. Hanji verkündete, dass sie fertig sei. Zitternd erhob ich mich und erst als ich einigermaßen Sicher stand, ließ Levi die Hände von mir. Hanji deutete auf ein paar Decken, die auf der Erde lagen und sagte, dass ich mich ausruhen sollte.

Vorsichtig legte ich mich auf die Seite und passte auf, dass ich mich nicht auf die Wunde legte. Levi ist mir gefolgt und setzte sich auf eine der Kisten neben mir.

"Erzähl weiter. Zeke und Thomas.", half er mich auf die Sprünge.

Ich stöhnte kurz auf und wischte mir durchs Gesicht. Ich merkte, dass sie immer noch nass war, doch das war egal.
Kurz überlegte ich, ob ich wirklich alles erzählen sollte, doch ich merkte, dass ich keine Kraft mehr dazu hatte, mir irgendetwas anderes einfallen zu lassen, also fing ich an zu erzählen.

"Mia und ich sind bei Thomas groß geworden. Eigentlich ging es uns soweit ganz gut dort. Er hatte uns gezeigt, wie wir hier draußen, neben den Titanen überleben konnten. Er sagte, dass wichtigste sei, dass wir uns von den Mauern fern halten sollten und nicht raus durften, wenn der Aufklärungstrupp draußen war. 
Als Kleinkind hat Mia etwas von der Titanenkraft von Zeke gespritzt bekommen. Sie konnte sich dadurch auch verwandeln, es aber nicht kontrollieren.
Sie lernte es erst mit der Zeit und Thomas half uns dabei. Als es Mia komplett unter Kontrolle hatte, kam Thomas mit Zeke zu uns. Er wollte Mia mit nehmen und sie geriet in Panik. Sie verwandelte sich und ich folgte ihr."

Kurz stockte ich in meiner Erzählung, doch ich sah Levis Auffordenden Blick und ich sprach weiter:
"Sie war blind vor Angst und sie merkte nicht, dass sie sich direkt auf die Mauer zubewegte. Ich war zu langsam, um sie aufzuhalten und ehe sie sich versah, wurde sie von der Mauergarnison attackiert. Vermutlich hatten sie ebenfalls angst gehabt, weil sie so etwas wie Mia noch nie gesehen hatten. Mia wollte sich wehren und hat dabei versehentlich einen von ihnen getötet. Ich kam erst bei ihr an, als es bereits zu spät war.

Mia rannte davon, doch ich blieb in der Nähe der Mauer und beobachtete die Soldaten. Ich konnte hören, wie sie ihren Kommandanten darüber berichteten. Ich wusste, dass ihr kommen und sie jagen würdest.

Mia war erst 9. Sie war zu jung, um das mit machen zu müssen. Sie hatte ihr zu Hause verloren und ich wollte nicht, dass nun auch noch Soldaten hinter ihr her sein würden. Ich bin zu ihr gegangen und habe mich von ihr verabschiedet.
Ich wusste, dass der Aufklärungstrupp  zu diesem Zeitpunkt  noch draußen unterwegs war und ich wartete einfach am Tor auf sie.
Als sie heimkehrten, schloss ich mich ihnen einfach an."

Ich lächelte ein wenig ironisch und ich sah Levi an.
"Sie können sich gar nicht vorstellen, wie einfach es war in die Mauern einzudringen. Ich hatte eigentlich nur vor gehabt, die Dokumente über Mia zu zerstören und danach wieder zu Verschwinden. Doch ich hatte keine Ahnung, wieviele Menschen sich innerhalb der Mauern aufhielten und wie wenig informationen normale Bürger erhielten, also tat ich das, was ich damals am klügsten hielt. Ich meldete mich als Rekrutin. Und was danach geschehen ist, wissen Sie ja.", beendete ich meine Geschichte und müde schloss ich die Augen.

"Wieso hast du mir das nie erzählt?", fragte Hanji als erstes und erst jetzt bemerkte ich, dass sie hinter  mir stand.

Kurz lachte ich auf.
"Hanji..", hauchte ich und ich konnte mir ein leichtes grinsen nicht verkneifen.
"Wenn es jemanden gibt, dem ich meine halb-Titanen-Schwester nicht anvertrauen würde, dann dir.
Ich weiß, wie fasziniert du von Titanen bist und als du das erste Mal von Mia gehört hattest, wolltest du sofort zu ihr und da war mir klar, dass es die beste Entscheidung war, euch beide möglichst weit weg voneinander zu lassen."

Ich sah, wie sie die Lippen leicht zu einem Schmollmund machte, doch ich sah ihr auch an, dass sie Verständnis hatte.

"Was ist mit dir und Auruo?", hörte ich nun Levi fragen und wieder schloss ich die Augen und atmete tief durch.

"An unserer ersten Expedition, waren wir, also Ihr Trupp und der von Hanji unterwegs. Ich habe mich hinaus geschlichen, weil es die erste Möglichkeit, seit ich die Mauern betreten hatte, sie wieder zu sehen. Und ich fand sie. Sie war in ihrer Titanenform und als sie mich erkannte, kam sie heraus.
Ich stellte sicher, dass es ihr gut ging und erklärte, wie mein Plan war. Ich hielt das Gespräch relativ kurz, weil ich Sorge hatte, erwischt zu werden und ging wieder zurück.

Die restliche Expedition verlief unauffällig und ich suchte Mia nicht noch einmal auf. Als wir wieder zurück waren, wurde ich von Auruo aufgehalten. Er suchte ein ruhiges Zimmer, um mit mir zu sprechen und..."

Ich stockte kurz und atmete tief durch. Ich sah Levis durchdringenden Blick und plötzlich schämte ich mir für die nächsten Worte, die ich erzählen musste. Ich legte meine Hand vor meine Augen, um mich vor Levis Blick zu schützen, ehe ich weiter sprach.

"...er hatte mich verfolgt und hatte gesehen, dass ich Kontakt zu Mia hatte. Er wusste, dass das Gerücht von einem 2. Tiertitan existierte, doch hatte nicht daran geglaubt.
Er gab mir zwei Möglichkeiten. Die erste war, dass er mich verraten würde. Ich würde vermutlich wegen Hochverrats gehängt werden und Mia würde da draußen gejagt werden.
Die zweite war, dass ich für sein Schweigen bezahlte. Ich hatte erst nicht verstanden, was er damit meinte, doch er machte es sehr schnell deutlich.

Ich habe gar nicht lange darüber nachgedacht. Niemals würde ich Mia so ein Leben wünschen. Ich hätte alles für sie getan.

Er wollte immer mehr und mehr. Und er hatte seine Bezahlung bis zu dem Zeitpunkt, als dem Sie von dem Wolf erzählt hatten gefordert."

"DU HAST DICH SO LANGE VON IHM MISSBRAUCHEN LASSEN?", schrie Hanji, doch ich sagte kein Wort. Ich biss die Zähne zusammen und unterdrückte meine Tränen. Diese unglaubliche Scham machte sich in mir breit.

"Er wird seine Strafe dafür bekommen. Schlaf jetzt.", vernahm ich Levi neben mir und mir war, als würde ich Abscheu in seiner Stimme vernehmen.
Ich hörte, wie er langsam aus der Höhle trat und ich ließ die Tränen laufen.


Eine sanfte Hand glitt über meine Wange und wischte mir die Träne weg.
"Es wird alles wieder gut..", hörte ich Hanji flüstern.
"Ich habe dir was gegen die Schmerzen gegeben. Erhol dich und ich verspreche dir, dass ab morgen alles wieder gut wird...."



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So, das Kapitel ist irgendwie doppelt so lang wie normal :D
Ich weiß gar nicht, ob ich heute noch ein zweites schaffe, mal gucken :D

Levi X Reader ~ Little Secret~ // BEENDET//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt