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Es war ein langer Tag gewesen im Laden, und ich war froh, als ich hinter dem letzten Kunden die Türe schließen konnte. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief ein, während ich noch an der Türe lehnte. Dann machte ich mich an die Arbeit. Die täglichen Aufräumarbeiten und die Kasse musste noch gemacht werden. 

Im Vorbeigehen schaltete ich das Radio ein, dass ich hinter dem Tresen verstaut hatte, und es plärrte die Ansage "Und jetzt was Neues von den alten Hasen des Musikgeschäfts: Firebird" durch den Raum, ehe ein Rocksong anspielte. Ich wippte im Takt mit, während ich aufräumte und alle Bücher wieder an ihren Platz brachte. 

Bücher. Das war mein Leben. Mein Job. Und ich liebte es. 

Dennoch wurde mir immer wieder bewusst, und das in den letzten Wochen mit Deutlichkeit auch immer öfter, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Trotzdem lebte ich weiter wie bisher.  Meinen Alltagstrott. 

Mit meinen 21 Jahren hatte ich mittlerweile ein recht solides Leben,  und ich war dankbar dafür, ja wirklich! Ich hatte meinen Job, den ich liebte, ich hatte eine schöne Wohnung, ich hatte die beste Freundin der Welt. Was wollte man mehr? 

Ich konnte die Antwort auf diese Frage nicht nennen, doch ich wusste, dass es eine gab. 


Nachdem ich den Laden soweit fertig gemacht hatte ging ich zu Fuß nach Hause, durch unser kleines und ruhiges Städtchen. Es waren noch ein paar wenige Leute unterwegs, die gemütlich durch die Fußgängerzone flanierten. Ich schaute auf mein Handy und stellte fest, dass Niklas mir geschrieben hatte. Ich seufzte tief. 

Niklas und ich waren vor circa einem Jahr einmal zusammen gewesen. Er war mein erster Freund. Er war nett, vernünftig, all das, was sich Mütter für ihre Töchter wünschen. Wir hatten  einige wirklich nette Dates, und er war lieb und aufmerksam, und weil ich noch nie eine Beziehung gehabt habe davor und nicht länger die ewige Jungfrau des Freundeskreises sein wollte und er schöne braune Augen hatte, die einen unglaublich vertrauenserweckend anschauen konnten, wurden wir ein Paar. 

Die Beziehung hielt vier Monate, und nein, es war keine schlechte Zeit. Aber mir wurde mit der Zeit immer mehr klar, dass ich ihn nicht liebte, also trennte ich mich von ihm. Er kommt bis heute nicht ganz darüber hinweg und schreibt mir immer wieder. 

"Rate, wer mir wieder geschrieben hat" ,tippte ich in mein Handy und schickte die Nachricht meiner besten Freundin Sarah. 

Dann stand ich auch schon vor meiner Wohnung und war zu Hause.

Ich kochte mir etwas und sang dabei dieses neue Lied von Firebird. Ich fand die Band echt nicht schlecht, aber ein richtiger Fand war ich nicht. Dennoch. Dieses Lied hatte es mir schon angetan. Es war ein glatter Ohrwurm. 

Ich sang oft, wenn ich alleine war. Aber nie unter Menschen. Niemand wusste, dass ich das gerne machte. Nicht mal Sarah. 

Ich bildetet mir ein, dass ich sogar ganz gut singen konnte. Für mich klang es jedenfalls so, aber seitdem ich einmal gehört habe, dass man sich selber immer anders hört als andere, weil das irgendwie mit dem eigenen Körper und der Klangentwicklung zu tun hat, traue ich mich erst recht nicht mehr, vor anderen zu singen. Es reicht mir völlig, ab und zu Sprachnachrichten von mir selber zu hören. Das allein ist Horror genug. Trotzdem war tief in mir drin trotzdem der Gedanke, oder vielleicht auch nur der Wunsch, geblieben, dass ich gut singen könnte. 

Nach dem Abendessen holte ich mir eine Türe Chips, zog meine Lieblingsjogginghose an und pflanzte mich vor den Fernseher auf die Couch. Es lief natürlich mal wieder nur Müll im Fernsehen, und ich schaltete widerwillig eine kitschige RomCom an, weil sonst nichts lief und ich nichts Besseres zu tun hatte. 

Es war die dritte oder vierte Werbung innerhalb kürzester Zeit, als ich auf einen Spot aufmerksam wurde. 

Eine Casting-Show wurde angepriesen. Aber nicht irgendeine. Sie hieß "Let me hear your Voice", und es ging darum, dass die Band Firebird Stimmen castete für eine Best-of Album. Ich musste sofort an ihren neuen Song denken, der mir heute nicht mehr aus dem Kopf gegangen war.ich stand förmlich unter Strom, und ich wusste sofort, was ich tun musste. 

Let me hear your voiceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt