Wir feierten an diesem Abend ein wenig den Sieg des Tages. Wir gingen wieder alle zusammen Essen, und dabei stießen wir auf uns an.
Am nächsten Morgen jedoch ging es weiter wie zuvor, wir fingen quasi wieder von vorne an, denn wieder hieß es, einen Duettpartner finden, und ein Lied.
Aber dieses Mal dauerte es nicht so lange wie beim letzten Mal und ich wurde schon am Nachmittag Stella zugeteilt. Wir sollten "Burn it down" singen, und damit war das Glück eindeutig auf meiner Seite! Dieses Lied war von Anfang an eines meiner Lieblinge gewesen. Es war wie gemacht für mich und meine Stimme. Das merkte man vom ersten Ton an.
"Wow, das klingt ja so, als könnten wir dich hier und jetzt auf die Bühne stellen!" ,sagte Alex, der zu uns getreten war um uns zu helfen.
Ich merkte, wir ich unwillkürlich rot wurde und wusste nicht, was ich schlimmer fand: Dass er mich so offensichtlich in Verlegung brachte, oder dass dies ein purer Glücksgriff war und er einfach nur im richtigen Moment zum richtigen Lied gekommen war. Wäre er in der letzten Runde vor Mikes Tipps gekommen, hätte er mit Sicherheit anderes behauptet!
Ich wusste nicht, was ich Alex antworten sollte. Ich war froh, als er Stella aufforderte, zu singen und ihr noch ein paar Tipps gebe konnte. So war ich für's Erste aus der Schusslinie. Dennoch bemerkte ich, dass er mich noch länger scheinbar gedankenverloren anschaute.
Auch die zweite Runde ging rasend schnell rum. Aufgrund der vielen Übung in der Woche davor konnten wir dieses mal sogar noch etwas mehr Sight Seeing einbauen. Das war natürlich klasse. Und immer wieder bemerkte ich, wie Alex mich zwischendurch ansah und ich fragte mich, was er wohl dachte. Ich hatte zwei Theorien:
Die erste war, dass er mich für sehr gut hielt, ja vielleicht fast schon für ein kleines Genie! Aber das war so ausgeschlossen, dass es überhaupt nicht sein konnte. Wahrscheinlich war es einzig und allein meine Wunschvorstellung und mein Hirn drehte und wendete sich die Fakten einfach so, dass es passen könnte.
Die zweite Theorie sagte aus , dass er bemerkt hatte, dass ich doch gar keine Chance gegen die anderen hatte. Trotz der guten ersten Probe. Er hatte in der Woche noch oft mit Stella und mir geübt, wobei er sich eindeutig mehr auf Stella konzentriert hatte als auf mich. Und die war jetzt richtig gut. Wahrscheinlich hatte er längst gemerkt, was in ihr steckte und wollte speziell sie trainieren, damit die Chancen stiegen, dass sie auf dem Album mitsingen durfte. Stella hatte nämlich auch eine wirklich fantastische Stimme! Die beiden waren in dieser Woche ein richtig gutes Team geworden, und wahrscheinlich hatte er einfach nur Mitleid mit mir. Er wusste schon, dass ich es nicht schaffen würde.
Aber, so sagte ich mir immer wieder, die Hauptsache war ja auch, einfach nur mitgemacht zu haben. Denn so war es ja auch wirklich.
Dann kam auch schon der nächste Freitag, und der Horror-Trip begann von Neuem. Wieder dieser endlos lange Tag, mit Proben, Make-up, Kostüm, Warten, Warten, Warten, und dann dem Auftritt.
Es ging alles so schnell, ich hatte alles an mir so gut ausgeschaltet, um es überhaupt aushalten zu können, dass ich dieses Mal tatsächlich fast meinen Einsatz verpasst hätte. Und dieses Mal war der erste Ton auch leider etwas schief geworden. Aber ich fing mich wieder, bekam die Kurve, und dann wurde es mit jeder Sekunde leichter. Als der Song vorbei war atmete ich erleichtert auf. Ich hatte es hinter mich gebracht.
Danach ging wieder das große Warten los, und dieses mal konnte ich meine Gefühle nicht von mir fernhalten. Ganz im Gegenteil: obwohl ich mir die ganze Zeit selber gepriesen hatte, dass allein die Teilnehme hier das größte Geschenk war, konnte ich mir auf einmal kaum noch vorstellen, nicht mehr weiter zu kommen. Ich wollte unbedingt bei der Aufnahme des Albums dabei sein! Ich wollte den ganzen tag umgeben sein von Musik, von Gesang, von Firebird, von Alex!
Mit dieser Erkenntnis nahm meine Nervosität unglaubliche Ausmaße an, mir wurde regelrecht schlecht. Bevor ich mich allerdings übergeben konnte wurden wir auch schon aufgerufen, auf die Bühne zu kommen. Wir würden mit zehn Leuten hin gehen. Aber nur fünf würden dort jetzt gleich weiter kommen. Das Ziel erreichen.
Wir standen wieder in Paaren, und Stella und ich wünschten uns gegenseitig viel Glück. Dann wurden die Ergebnisse verkündet.
Quälend langsam wurden die Namen verlesen, quälend langsam die Sieger gekürt. Stella und ich würden das letzte Paar sein.
Irina gewann. Und Kathi. Tom und Felix.
Und dann standen nur noch wir da.
"Jetzt kommen wir zum letzten Paar. Wer macht heute das Rennen? Stella oder Evelyn? Wer konnte das Publikum für sich gewinnen, auf seine Seite ziehen? Wer wird auf dem neuen Best of Album von Firebird sein? Und für wen endet heute Abend hier diese Reise?"
Ich wusste, dass sie gewinnen würde. Ich wusste es einfach. Und in den letzten Momenten hatte mein Inneres doch noch Frieden mit dieser Version gefunden. Stella war eine wirklich gute Sängerin. Sie hatte es verdient.
Eine einzelne Träne kullerte meine Wange herab. Sie war für meinen Traum, den ich jetzt aufgeben musste. Und ich ließ ihn gehen.
"Es ist EVELYN!" ,hörte ich die Ansage brüllen und ich schaute verwirrt auf. Da hatte sich wohl jemand verlesen! Doch auch der Blick auf den riesigen Bildschirm bestätigte mir das Ergebnis: Ich hatte gewonnen.
ICH HATTE GEWONNEN!
Stella umarmte mich kameradschaftlich, aber ihr war anzumerken, dass sie das erst einmal verarbeiten musste. Wer konnte es ihr verdenken. Bis vor kurzem hatte ich selbst mich ja mit diesem Szenario auseinander gesetzt. Ich umarmte sie zurück und dankte ihr für die Glückwünsche.
Dann kamen Firebird auf die Bühne zu uns rüber und umarmten jeden.
Ich konnte es noch kaum glauben. Ich würde doch dabei sein!
Mike kam auf mich zu und drückte mich an sich. Dann Andreas und David. Und dann kam Alex.
Ich war mir nicht ganz sicher, denn ich war abgelenkt von seiner Umarmung. Ich meine, wann wird man schon mal von Alex Zeller umarmt? Aber ich meinte, ihn flüstern zu hören "Ich wusste es".
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Let me hear your voice
Chick-LitNachdem Jahr um Jahr meines Lebens verstrichen war, ohne, dass etwas passiert war, etwas Großes, etwas, was man seinen Enkeln mal erzählen würde, beschloss ich, all meinen Mut zusammen zu nehmen und mich bei dieser Casting-Show anzumelden. Natürlic...