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Ich organisierte mir noch ein Getränk und ging zurück auf die Tanzfläche. Die Stimmung war heute Abend echt gut und obwohl mich noch ein bisschen mein schlechtes Gewissen plagte freute ich mich gleichzeitig auch, den Abend genießen zu können. Kathi und Mike hatten ja Recht. Was sollte schon passieren? 

Ich tanzte zwischen den anderen und wiegte mich im Rhythmus der Musik. Ich tanzte mit Andreas und David, mit Tom und Felix, und ignorierte Irina einfach, die so tat, als gehörte die Tanzfläche ihr. Ich bemühte mich nicht, gut auszusehen beim tanzen, ich wollte einfach nur Spaß haben. Und den hatte ich! 

Irgendwie wurde unsere Gruppe immer kleiner. Felix und Alex waren plötzlich weg, und auch David und Andreas hatten sich beide auf den Weg gemacht mit der Ausrede, sie müssten auch mal nach Hause. 

Ich musste an meine unbeantwortete Frage denken, wie Alex' Leben wohl so war. Scheinbar war das Rockstar Leben nicht so unbeständig, dass man keine Familie haben konnte, das hatte mir Mike ja zuvor bestätigt. Ich ging davon aus, dass sie alle jemanden hatten, der zu hause auf sie wartete. Wer würde Alex nicht wollen? Und in seinem Alter wollte man sicher auch jemanden, mit dem man langfristig zusammen war. 

Mit Entsetzen bemerkte ich in diesem Moment, dass Irina und Tom angefangen hatten, miteinander rumzuknutschen und langsam aber sicher die Tanzfläche verließen. Na toll. 

Zum einen hatte ich gehofft, mit den beiden zurück ins Hotel fahren zu können. Ich hatte überhaupt keine Lust auf eine Taxifahrt ganz alleine nachts durch Berlin. Das klang wie der Beginn eines Horrorfilms. Und am Ende würde man die zerstückelten Überreste meiner Leiche in irgendeiner verlassenen Lagerhalle in einem Außenbezirk finden. Oder so ähnlich.

Außerdem hatte ich mir ja vielleicht doch irgendwie so ein bisschen erhofft, dass Tom sich, nun ja, für mich interessieren könnte. Wir hatten den ganzen Abend so locker geredet und gelacht und nachher getanzt, dass ich wirklich dachte, er könnte etwas für mich übrig haben. Aber scheinbar hatte ich mich geirrt. Ich sah ihn und Irina noch einmal kurz durch die Menschenmenge, dann waren sie verschwunden. Sie hatte es geschafft, ihn mir zu nehmen. 

Seufzend stand ich mitten auf der Tanzfläche und bemerkte gar nicht, welch elendes Bidl ich scheinbar abgab, als ich hinter mir Alex hörte. 

"Keine Lust mehr zu tanzen?" 

Ich konnte ihn im Lärm kaum verstehen. 

"Doch, aber die anderen sind alle weg" ,brüllte ich, aber er hörte mich nicht.  Er deutete auf sein Ohr um mir zu verstehen zu geben, dass es nicht bei ihm ankam. 

Ich beugte mich vor und rief es ihm noch einmal ins Ohr. 

Es war merkwürdig, ihm schon wieder so nahe zu sein. Ich konnte die Tätowierungen an seinem Hals sehen, die aus seinem Hemd raus schauten, konnte seine Deo riechen. Ich fühlte plötzlich meinen ganzen Körper ganz überdeutlich, wie nah er seinem war. Ich musste an Kathis denken, was sie gesagt hatte. Dass wir "chemistry" hatten. Ja, vielleicht hatten wir die. Auf so eine platonische, künstlerische Art, wie man sich eben Menschen verbunden fühlt, die dieselben Dinge mögen wie du. Und dazu auch einfach noch dein Idol sind, dem du plötzlich näher bist, als du es dir jemals erträumt hast. das hatten sicher viele. das war sicher okay. Nichts, wogegen seine Frau etwas sagen konnte. 

"Ist doch egal, wir können ja trotzdem noch ein bisschen tanzen", brüllte er zurück in mein Ohr, und dieses Mal kam er mir so nahe. 

Es ist okay. Die chemistry ist okay, sagte ich mir wieder. Du darfst das fühlen. Es ist rein platonisch. 

Ich nickte, und schon nahm er meine Hand und wirbelte mich einmal im Kreis. 

Wir tanzten noch lange. Ich hatte mich den ganzen Abend unterbewusst von ihm fern gehalten, weil ich irgendwie die Distanz zu dem wahren wollte, was da zwischen uns war. Aber jetzt, wo ich einfach mal nicht darauf achtete, war es, als hätte es nie anders sein sollen. Wir tanzten ausgelassen, verrückt, egal, wer uns sah. Wir hatten einfach Spaß und ich brachte kein bisschen die Bestätigung von irgendwem, auch nicht von Tom, dass ich gut dabei aussah. Das hier reichte voll und ganz. 

Auch wenn ich mir gewünscht hätte, der Abend würde nie enden, konnten ich irgendwann das Gähnen nicht mehr unterdrücken.

"Willst du zurück ins Hotel" ,fragte mich Alex. 

Ich nickte entschuldigend. 

"Ich denke, ich werde mir jetzt ein Taxi rufen" ,brüllte ich ihm ins Ohr. 

"Du fährst auf keinen Fall alleine, ich begleite dich noch bis zum Hotel!"

Ich hätte sehr gerne gesagt, dass ich schon gut auf mich alleine aufpassen konnte, aber insgeheim war ich einfach erleichtert, nicht alleine fahren zu müssen. Ich nickte einfach nur, und wir verließen die Tanzfläche. 

Let me hear your voiceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt