... als Childe die Augen aufmachte, war es fast Morgen. Es war ihm unklar, wie er in dieser Position hatte einschlafen können. Ihm fiel nur auf, dass er es nie beabsichtigt hatte, so lange weg zu sein. Er musste dringend zurück, sonst könnte Pulcinella ihn vierteilen lassen. Überspitzt gesagt natürlich, aber er wusste nicht, was die Fatui sich einfallen lassen würden. Und so stand er vorsichtig auf, um Zhongli nicht zu wecken und zog sich hastig an. Bevor er ging, nahm er ein neues Tuch aus der Küche und kritzelte schnell seine Nummer drauf und legte sie neben den Schlafenden. Dann verließ er übereilt die Wohnung.
Er begab sich auf schnellstem Weg zurück zum Stützpunkt. Dort wurde er bereits erwartet. Ein großer Mann kam auf ihn zu. Childe war jetzt nicht klein, aber er war jedes Mal überrascht, dass er ihn um einige Zentimeter überragte. Und die waren genug, um ihn einzuschüchtern? Nein, vermutlich war es seine Ausstrahlung. In dem Federkragenmantel wirkte er durchaus imposant und sein kalter Blick aus seinen leicht schrägen, leeren, grauen Augen ließ einem das Blut in den Adern gefrieren. Strenger Seitenscheitel, die dunklen Haare oben in eine ordentliche Form gegelt, umspielten die seitlichen, etwas längeren Strähnen sein Gesicht bis zum Kieferknochen. Dieser schien schmal, aber doch hatte er ein leicht konturiertes Kinn. Seine Stirn runzelte sich und seine Augen verengten sich, wie Childe nun bemerkte. Pulcinella, sein Mentor, war nicht ohne und er würde ohne zu Zögern hart mit ihm ins Gericht gehen. Er durfte auf keinen Fall wissen, wo er letzte Nacht gewesen war...
"Guten Morgen!", sagte Childe freundlich und lächelte breit. Etwas Höflichkeit am Morgen hatte noch nie geschadet.
"Tartaglia. Du kommst spät", entgegnete Pulcinella und schüttelte den Kopf.
"Warum so förmlich? Ich dachte, ich bin Childe, dein Lieblingshost?", fragte Childe und zwinkerte ihm zu.
"Weil es ernste Angelegenheiten gibt. Die Bullen haben vielleicht etwas herausgefunden. Ich weiß nicht was und durch wen... aber Scaramouche hat gesagt, dass wir mehr aufpassen sollten", sagte er streng.
"Das heißt? Du weißt doch, gerade Scaramouche übertreibt immer maßlos", erwiderte Childe lachend.
"Keine nächtlichen Ausgänge mehr ohne meine ausdrückliche Genehmigung. Ich weiß, dass du wieder fort warst", raunte Pulcinella und drückte ihn urplötzlich gegen die Wand. Childe sah ihn mit trotzigem Blick an.
"Das geht dich nichts an, und ich gehe hin wann und wo ich will, du kannst mich nicht einsperren", fauchte er und versuchte sich aus dem Griff zu befreien. War ja natürlich klar, dass es in irgendeiner Art und Weise unangenehm werden würde.
"Ach ja? Ich will nur nicht, dass du in den Knast kommst. Du solltest mir dankbar sein...", erwiderte Pulcinella mit einem bitteren Unterton.
"Dankbar? Ach ja? Wofür denn? Dafür, dass du mich auf der Straße aufgelesen hast, als die Bullen hinter mir her waren? Dass du mich jeden Tag für dich und im Club schuften lässt? Dass du mich geknallt hast, nur um dir dann die nächstbeste Alte zu schnappen? Danke für nichts!", zischte Childe und drehte sich weg. Pulcinella ließ ihn los und er sah ihn an. Ein Lächeln spielte sich nach einem Moment auf sein sonst so ernstes Gesicht.
"Überarbeitet also? Dass ich nicht lache... und interessant... du hast doch einst gesagt, du könntest nie Gefühle - ich zitiere - "für so ein gefühlskaltes Arschloch" haben... also, was stört dich daran?", erwiderte Pulcinella und lächelte schief.
"Hab ich auch nicht", erwiderte Childe trotzig. Eigentlich wollte er ihm nur unter die Nase reiben, dass er ein Arschloch war. Aber Pulcinella verstand es wie kein zweiter, in Wunden zu stochern. Die Erinnerung an ihr Verhältnis damals ließ ihn irgendwie unerfüllt zurück. Seitdem hatte er versucht, sich neue Partner zu suchen, und doch hatte er nirgendwo länger als eine Nacht bleiben wollen. Wohingegen Pulcinella wahrscheinlich mehr als zufrieden mit seiner reichen, aufgepumpten Blondine war.

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Back to the surface
FanfictionEines Nachts kommt Zhongli vom rechten Weg ab und verliert sich im Untergrund, dem Territorium der Kriminellen. Es könnte fast gefährlich für ihn werden, wäre da nicht sein strahlender Retter, der aus dem Nichts genau im richtigen Moment erscheint...