9. Ein Gespräch im Wald

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-Lio-

Mike schnauzte mich exakt eine Sekunde ,nachdem ich den Raum betreten hatte, an. Sein Blick löste sich so gut wie nie von seiner Arbeit und trotzdem hatte man das Gefühl er würde einen ständig beobachten, wenn man in seinem Labor war. Auch jetzt saß er mit dem Rücken zu mir und wusste trotzdem dass ich es war.
Außerdem glaubte ich fest daran, dass er es spürte wenn wir kurz davor waren irgendetwas dummes, lebensbedrohliches zu machen oder schlimmer noch eines seiner Geräte zu beschädigen.
„Ich hab doch noch gar nichts..."
Ich stieß eine Kiste um, deren Inhalt sich scheppernd auf dem Boden verteilte.
„... die stand da aber auch sehr doof"
„Die steht da schon seit zwei Jahren!" entgegnete Mike wütend.
Ich beäugte die Kiste samt Inhalt.
„Echt?"
„Echt!"
Wir waren fast täglich in diesem Raum, aber mir war die Kiste tatsächlich noch nie aufgefallen.
„Warte... bist du nicht erst seit ein paar Monaten in diesem Labor? Du hast doch gewechselt!"
Mike schwieg. Ich knurrte.
„Ich brauche eine Liste mit allen Schwimmern an denen Experimente durchgeführt wurden von vor 3 bis 4 Jahren. Du kannst es noch auf weiblich, ungefähr 13, 14 Jahre alt und schwarzhaarig eingrenzen."
„Für so etwas bin ich nicht zuständig."
„Ich weiß."
Kurzes Schweigen.
„Ich schick sie dir heute oder morgen Abend."
Er drehte sich in seinem Stuhl um und beäugte mich durch seine Arbeitsbrille.
„Wie heißt sie?"
Ich verdrehte die Augen.
„Das ist nicht so eine Geschichte. Sie ist eine Freundin von..."
„Mir?" fragte jemand hinter mir.
Keine Ahnung warum er so selbstgefällig grinste, als habe er mich bei etwas schlimmem erwischt hatte.
Bevor ich antworten konnte legte er mir einen Arm um die Schulter und zog mich zum Ausgang.
„Na komm. Die anderen warten schon."
Wir verließen das Labor ohne uns von Mike zu verabschieden.
Gemeinsam durchquerten wir mein Zuhause. Sky-Island. Benannt nach einem älterem Projekt, welches wohl ungefähr die selben Absichten hatte, aber vor vielen Jahren scheiterte. Hier lebten Vermengte und Nicht-Vermengte Seite an Seite.
Die ganze Welt kämpfte, während wir im friedlichem Schatten lebten und Dinge beeinflussten ohne dass irgendwer Wind davon bekam.
Naja bis auf einen.
Und offiziell befindet sich die Welt da draußen auch im Frieden, aber der Schein trügt.
Elaine Collins sah die Gefahr zuerst in den Vermengten, dann in den Menschen, dann in beiden. Und jetzt denkt sie, dass alles gut ist nur weil sie die besiegte vor denen sie Angst hatte, dabei gab es so viele Gefahren von denen sie oder Balian Travers nicht einmal etwas ahnten.
An uns liefen drei Protektoren in hell grünen Uniformen vorbei. Das Mädchen in der Mitte winkte mir. Ich erwiderte die Geste und sie kicherte. Mein Begleiter stöhnte.
„Nervt dich das nicht?" fragte er und sah dabei auf seinen Detektor. Er verzog das Gesicht und daraus schließ ich, dass wir zu spät waren.
„Wieso sollte es? Ich bin eben freundlich und nett." antwortete ich und lief etwas schneller, um mit ihm mitzuhalten.
Er lachte und musste grinsen.
Wir kamen in die Speisehalle, wo uns Holden von unserem Standartplatz zuwinkte.

-•-

Es war schon dunkel, als ich in Sanktum ankam. Natürlich war das ein Vorteil, aber eben auch ein Nachteil. Ich wusste nicht wie ich an Susie rankommen sollte ohne dass es jemand bemerkt. Sie war ständig umgeben von Menschen und schlief wohl auch mit Luka in einem Zimmer, also musste ich sie vorm schlafengehen erwischen. Aber wie?
Wir hatten beim Essen beschlossen, dass ich mit ihr reden sollte. Immerhin wussten wir, dass sie in Fagus Zimmer gewesen war und seine Sachen durchsucht hatte. Sie hatte mich nicht erkannt das hieß sie wusste nicht viel. Das war gut. Die Sache ist einfach zu gefährlich. Sie sollte da nicht mit reingezogen werden. Allerdings wussten wir nicht was sie schon herausgefunden hatte und irgendwie mussten wir sie davon abbringen weiter zu suchen.
Also saß ich hier in den Bäumen an der Lichtung und beobachtete. Endlich Sie stand allein auf und ging zurück Richtung Gasthaus.
Im Dunkeln entfernte ich mich ein bisschen von der Lichtung.
Dann lehnte ich mich an einen Baum am Kiesweg, der in die Stadt führte, außer Sichtweite der anderen. Wer weiß ob sie den anderen schon etwas davon erzählt hatte. Ich musste allein mit ihr reden.
Als sie mich entdeckte wirkte sie nicht gerade überrascht. Eher misstrauisch.
„Lio."
„Susie." Ich lächelte sanft und hoffte sie damit etwas freundlicher zu stimmen.
„Was machst du hier?" fragte sie immer noch unsicher.
„Kann ich dich zum Gasthaus begleiten?"
Ich mochte es nicht während eines Gespräches still zu stehen. Das hatte so etwas von >setz dich wir müssen ernst reden<. Außerdem waren ich und meine beste Freundin immer auf dem Sprung gewesen wir unterhielten uns auch jetzt noch fast nur im Laufen. Wir waren beide Menschen, sie nicht stillhalten konnten.
Susie antwortete indem sie weiter lief. Ich holte sie mit schnellen Schritten ein und ging an ihrer Seite.
„Willst du weiter Fragen stellen?" Langsam schien sie sich zu entspannen, vielleicht hatte ihr nur das Gespräch mit ihren Freunden nicht gepasst. Vielleicht war sie ja deswegen auch gegangen.
„Nein." Wir schwiegen kurz.
Ich wusste nicht wie ich das Thema abschneiden sollte, also fing ich einfach grade aus damit an.
„Du musst aufhören"
„Womit?"
Ich presste die Lippen aufeinander.
„Fagus Geheimnis lüften zu wollen"
„Also gibt es eins!" Sie blieb abrupt stehen und sah mich mit leuchtenden Augen an.
„Und du bist darin verwickelt! Du hast Fagus das Notizbuch geschenkt und du hast sicher auch etwas mit Mike und Holden zutun! Vielleicht bist du auch die vierte Person auf dem einen verwaschenem Bild..."
„Susie!" Ich versuchte ruhig zu bleiben, ballte die Faust um mich zu zügeln. Sie sollte nicht wissen, wie nah sie schon war.
„Du musst damit aufhören!" wiederholte ich noch einmal durch zusammengebissene Zähne.
„Aber warum? Was ist das alles? Warum hat Fagus uns nichts davon erzählt? Warum entdecken wir das alles erst jetzt, wo er tot ist?"
Sie hatte Tränen in den Augen und ich konnte sie nicht ansehen. Nicht wütend werden!
„Weil ihr ihn vor seinem Tod einfach ignoriert habt!" Ich schlug mir eine Hand vor den Mund. Nah toll.
Susie sah mich geschockt an und ihr lief eine Träne über die Wange.
„Susie du musst aufhören. Jedes Geheimnis beschützt etwas. Und glaub mir." Ich stockte.
„Dieses Geheimnis verbirgt etwas"
ich stolperte über die Worte
„jemanden, der"
ich biss die Zähne fester zusammen.
„Fagus." flüsterte Susie traurig.
„Aber vor was muss er beschützt werden? Er ist mein Freund ich will..."
„Er ist auch mein Freund!" schrie ich sie an.
„Und ich habe ihm versprochen auf euch... auf dich aufzupassen!" Mein Herz raste.
Ich sah weg, in den Wald, dann wieder zurück. Unsere blauen Augen trafen sich.
„Lass das Geheimnis den Toten hüten. Lass alte Geschichten ziehen. Du weißt nicht..."
Ich sah zu Boden.
„Wie viel Schmerz in der Vergangenheit und der Zukunft steckt."

Das Geheimnis, das den Toten hütete- Vortex Fanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt