16. Abstimmung über Santum

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-Lio-

Wahrscheinlich glaubte Fagus niemand hätte bemerkt, dass er weg gewesen war und schlich deswegen herum wie ein Möchtegern-Spion.
Ich saß mit Biest auf der Plattform zu den Tiereingängen, die ungefähr drei Meter über den normalen Türen lagen. Ein guter Platz um herumschleichende Grunder zu beobachten ohne selbst entdeckt zu werden.
Ich konnte mich nicht entscheiden ob ich
A) ihn duschen sollte
B) „Wo denkst du gehst du hin?" rufen sollte wenn er in Rose Zimmer wollte
Oder
C) ihm Ratschläge im Raus und Reinschleichen geben sollte.
Ich wählte eine Mischung aus allem, indem ich ihn zurief das er das mit dem wegschleichen eigentlich besser können müsse und als er sich umdrehte warf ich ihm einen Wasserball ins Gesicht.
Er fand das nicht so witzig wie ich mich fühlte.
„Du hast mich erschreckt!" beschwerte er sich im Flüsterton und wuschelte sich durch die nassen Haare. Irgendwie erinnerte er mich an einen Golden Retriever, wenn er so mit Welpenblick zu mir hoch sah und versuchte ein böses Gesicht zu machen.
Ich sprang von der Gehplattform und federte meine Landung mit einer Wasserpfütze ab.
Mir ging erst auf, dass das keine gute Idee war, nachdem er mich geboxt hatte.
„Aua" sagte ich trotzig und rieb mir übertrieben den Arm.
„Uäh!" machte er mit der selben Stimme und schüttelte mir Wassertropfen entgegen.
„Wirklich sehr erwachsen." sagte ich.
„Gleichfalls." entgegnete er.
Biest sprang jetzt auch zu uns. Natürlich sanft wie eine Feder. Er schüttelte sich kurz und beschnupperte Fagus dann interessiert.
Was mich wieder zu meiner eigentlichen Gesprächsabsicht führte.
„Wo warst du?" fragte ich mit hochgezogen Augenbrauen.
„Du weißt wie viele du dir auf den Hals hetzt wenn du Rose betrügst oder? Außerdem findest du eh nichts besseres."
„Ich kann die Liebe spüren" sagte Fagus tonlos.
„Ich war in Sanktum" erklärte er dann.
Er ging weiter den Gang entlang, womit er das Gespräch wohl für beendet erklärte. Ich ließ mich nicht so leicht abschütteln.
„Du willst ihnen die Wahrheit sagen?"
„Ich will meine Familie nicht anlügen."
Ich überlegte kurz und ging einfach nur schweigend neben ihm her.
„Du könntest nochmal versuchen Sanktum aufnehmen zu lassen" sagte da auf einmal eine Stimme hinter uns. Holden und Rose schlossen zu uns auf. Beide trugen Trainingssachen.
Holden, der den Vorschlag gemacht hatte sah Fagus herausfordern an.
„Du könntest vorher schon versuchen alle Leiter auf deine Seite zu ziehen und dann müsste nur noch Nathaniel zustimmen" überlegte Rose laut, bevor sie ihm einen Kuss auf die Wange gab.
„Ja genau! Ich könnte Calden überzeugen, Rose redet mit Feather und Jane und dann musst du nur noch Annings und Gloria überzeugen."
„Ja ist sicher eine super Idee wenn ihr mich schickt, um mit meiner Exfreundin über die Aufnahme der Heimat meines derzeitigen Freundes zu reden" knurrte Rose und löste ihren Zopf.
„Ich kann mit ihr reden. Wir sehen uns manchmal beim joggen" bot Holden an.
„Ihr seid die besten!"
Fagus strahlte und zog uns in eine Gruppenumarmung.
Ich werde wohl nie verstehen wie er und Rose zusammen gefunden haben. Die zwei waren so ziemlich die unterschiedlichsten Menschen, die ich kenne. Und trotzdem konnte ich in solchen Momenten nachempfinden warum Rose sich in ihn verliebt hatte. Immer positiv und immer bereit alles für die zu tun die er liebte.

Wir hatten es tatsächlich geschafft zumindest die Hälfte der Leiter innerhalb eines Morgens auf unsere Seite zu bringen.
Jetzt saßen beziehungsweise standen wir im Ratssaal und warteten bis sich alle an dem ovalem Tisch versammelt hatten.
Elf Stühle für die vier Leiter der Dörfer, die Leiterin der Zentrale und die fünf Leiter der Berufe.
Außerdem waren Holden, ich und Fagus mit im Raum und Rose weigerte sich wie bei jedem Treffen auf ihrem Stuhl zu sitzen.
Als Leiter des Null-Trams würde sie direkt neben Annings am Anfang des Tisches sitzen, aber sie akzeptierte ihre Stellung nicht wirklich. Wir hatten lange diskutiert, weil wir im Prinzip beide Leiter sein müssten, immerhin hatten wir das Null-Team gemeinsam gegründet, aber ich fand dass sie da sitzen sollte. Sie leitete fast alle Einsätze und es war ihre Idee gewesen, ein Team für besondere Aufträge zusammen zu stellen.
Annings klatschte in die Hände und der Saal wurde still. Dann sah sie zu Fagus, um ihn zum sprechen aufzufordern.
„Danke dass sie alle hier sind" begrüßte unser Grunderfreund alle Anwesenden.
„Ich möchte darüber beraten ob Sanktum, mein Heimatdorf, auf die Insel geholt werden soll."
Bevor er weiter sprechen konnte, kamen schon die ersten Widersprüche.
Jane, Leiterin von Ashden (einem Dorf oben im Vulkan): „Darüber haben wir schon einmal beraten und uns dagegen entschieden!"
Calden, Leiter*in von Atlopa (einem Unterwasserdorf): „Jane hat recht, außerdem sollten wir den Frieden nicht herausfordern. Fagus sagtest du nicht beim letzten Mal, dass Nathaniel nur auf eine Möglichkeit zum Angriff wartet?"
Fagus: „Ja aber das war mitten im Krieg! Nathaniel wollte der Welt einfach nur zeigen das Sanktum sich verteidigen kann."
Jane: „Trotzdem. Warum sollten wir Sanktum noch eine Chance geben? Wir haben bis jetzt über jede Siedlung, die wir vielleicht aufnehmen könnten nur einmal beraten."
Fagus: „Weil Sanktum in Gefahr ist! Ihr wisst doch, dass es der Grüne Biss darauf abgesehen hat!"
Jane: „Sanktum kann sich selbst verteidigen oder denkst du anders darüber?"
Fagus ballte die Fäuste.
Annings, die Leiterin der Zentrale und somit der absolute Boss: „Genug. Fagus, wir werden abstimmen. Willst du noch etwas dazu sagen?"
Fagus presste die Lippen zusammen. Er hatte Angst. Natürlich hatte er das. Diese Abstimmung würde über die Sicherheit seines Dorfes entscheiden.
„Ich..." Er stockte.
„Ich kann nicht mehr dazu sagen. Sanktum ist meine Heimat, viele Menschen dort bedeuten mir viel. Ich war immer zwischen diesen zwei Welten hin und her gerissen und ich will einfach nur, dass ich mich nicht mehr entscheiden muss und sie beide beschützen kann."
Er hatte die ganze Zeit auf den Boden geschaut und gegen Ende Rose Hand genommen.
Jetzt sah er in die Runde und die vielen unentschlossenen Gesichter.
Annings: „Gut. Lasst uns abstimmen. Wer ist dafür, dass wir Sanktum aufnehmen?"
Sie selbst, Rose und vier andere hoben die Hand. Sechs! Das war die Mehrheit!
Wir jubelten. Fagus bedankte sich mit strahlenden Augen.
Feather, die Leiterin Ventums (einem Wolkendorf) meldete sich. Das war nötig, weil der ganze Saal diskutierte, jubelte oder brüllte.
Annings sorgte erneut mit einem Händeklatschen für Ruhe, dann nickte die Feather zu. Diese erhob sich und sah Fagus geradewegs an.
„Dir ist klar, dass, wenn Nathaniel sich weigert beizutreten, wir Sanktum auflösen müssen oder?"
Es war mucksmäuschenstill.
Alle sahen zu Fagus. Er schluckte.
Feather sah zu Annings.
„Natürlich müssen wir das nicht, aber soweit ich weiß, wohnt Balian Trevers dort. Wenn er anfangen würde rumzuschnüffeln..."
Sie sah mitleidig zu Fagus.
„Müssten wir etwas tun, dass dem Frieden nicht gut tun würde."
„Das ist mir klar" sagte Fagus rasch und strafte die Schultern.
„Dann ist ja gut." sagte Feather ruhig.
Ich wurde das Gefühl nicht los, dass die zwei sich gleich an die Gurgel springen würden. Rose schien den selben Gedanken zu haben und stellte sich zwischen sie.
Sanktum würde also aufgenommen werden, wenn Nathaniel zustimmte.
Wir konnten also nur hoffen, dass er heute gut drauf war.

Das Geheimnis, das den Toten hütete- Vortex Fanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt