Kapitel 42: Kleine Bombe

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Ich spüre die Wärme eines Sonnenstrahls auf meiner Haut, als ich langsam wieder erwache. Ich will noch nicht wach sein, zurück zu all meinen Problemen kommen. Ich weiß, dass Tom mich in mein Bett gelegt hat, und dass ich eine Woche befreit bin – schon wieder.

Bewusst lasse ich meine Augen geschlossen, versuche zu spüren wer sich mit mir im Raum befindet. Es fällt mir erstaunlich leicht, die zwei Silhouetten zu ertasten und jetzt, wo ich mich drauf konzentriere, kann ich sie leise flüstern hören. „Was denkst du, wann wird sie wieder aufwachen? Wenn nicht einmal am Tag der Arzt nach ihr sehen würde, würde ich befürchten sie liegt schon wieder im Koma.“ Ich erkenne May's zerbrechliche Stimme und die Angst, die darin liegt. „Ach so ein Quatsch. Das Mädel ist hart wie Stein, außerdem, hat sie ein Talent fürs Überleben. Bei all dem was du mir erzählt hast...“ Jamia klingt beeindruckt, also gehe ich davon aus, dass May ihr wirklich alles erzählt hat. Das wundert mich nicht, bei ihrer Offenherzigkeit. „Aber mach dir nicht zu viele Sorgen Süße, Lilith wird bis zum Ende des Semesters besonders gefördert werden und den wichtigen Stoff nachholen, den sie verpasst hat und wenn das nächste Mal so etwas passiert, wird sie sich wehren können!“ Süße? Die zwei haben sich aber ziemlich schnell angefreundet in der einen Nacht...

Ich versuche mich auf die Seite zu drehen, zucke jedoch vor Schmerz zusammen, der in meine wummernde Schulter schießt. Dummerweise ziehe ich hörbar die Luft ein und prompt stehen die beiden an meinem Bett. Jetzt bin ich gezwungen die Augen zu öffnen und blinzle angestrengt in den hellen Tag. „Warte Lili, ich mache die Vorhänge zu! Der Arzt hat gemeint, wir sollen sie auflassen, damit dein Unterbewusstsein weiß, wann Tag und Nacht ist. Aber jetzt bist du ja endlich wieder wach! Wie geht es dir?“ Überschwänglich wirbelt May durchs Zimmer, Jamia hingegen steht nur unbeeindruckt an meinem Bett und schaut mich prüfend an.

„Streuner hat jede Nacht auf deinem Bett gepennt...“ Jede Nacht? Wie viele Waren es denn!? Erfrischend, dass sie sich nicht auf mich stürzt, wie May es tut. Die zwei sind, genau betrachtet, das totale Gegenteil. Feuer und Wasser! May mit ihren braunen Haaren und Augen hat ein so sanften Wesen, will immer helfen, alles richtig machen, jedem gerecht werden. Und Jamia... Ihre hellblonden Löckchen lassen sie wie einen Engel aussehen, wären da nicht die Piercings, die schwarzumrandeten Augen und ihre große Klappe. Sie scheint so, als würde sie nur tun, was ihr gefällt, und doch ist da eine Wärme in ihrer Silhouette, die ich nicht einordnen kann. Aber ich weiß, dass ich ihr vertrauen kann, denn May tut das auch, den Blicken zufolge, die sie Jamia zuwirft. Irgendwas ist da zwischen den beiden... wahrscheinlich sind sie beste Freunde geworden, während ich geschlafen habe – wie lange habe ich denn geschlafen!?

„Hey Mädels, könnt ihr mir sagen wie spät es ist?“ Ich setze mich ein wenig auf, spüre, dass es mir besser geht, ich aber immer noch Schmerzen in der Schulter habe. „Es ist grade Mittagspause, deshalb sind wir auch hier. Glaub ja nicht, wir saßen 3 Tage an deinem Bett.“ Jamia grinst frech, setzte sich auf ihr Bett und beginnt gelangweilt in einer Zeitschrift zu blättern. 3 Tage!? Es kann doch nicht sein, dass ich so lange geschlafen habe... oder etwa doch? „Hör gar nicht auf sie, wenn wir nicht in der Vorlesung waren, waren wir hier bei dir! Tom hat dich auch oft besucht. Nur Alex habe ich kein einziges Mal gesehen...“ „Ach mach dir bei dem nicht allzu große Hoffnung! Mein Bruder ist nicht gerade bekannt für sein Mitgefühl.“

Unbeirrt davon, dass sie gerade eine kleine Bombe hat platzen lassen, schaut Jamia nicht einmal von ihrer 'Men's Health' auf, als sie uns offenbart, die Schwester von Alexander Opal zu sein. „Bitte was!?“ May und ich schauen sie mit großen Augen an. Ich glaube ich kann meinen Ohren nicht trauen! Ungläubig, fast so, als wäre sie verletzt darüber, wendet sich May Jamia zu und stemmt die Hände in die Hüfte. Warum ist sie so erbost darüber? Es scheint ja nicht so, als wäre es ein Geheimnis... Warum regt es May so auf?

„Alex ist dein Bruder!? Ich wusste gar nicht, dass dein Nachname Opal ist! Hast du nicht gesagt -“ Jamia unterbricht sie mühelos, indem sie aufsteht und sie bei den Händen nimmt. „Ganz ruhig May, ich habe das nicht verheimlicht oder so, es hat mich nur niemand danach gefragt. Und wir sind auch nur Halbgeschwister. Ich hab nicht den selben Nachnamen wie er, unsere Mum ist die selbe. Sie war zu erst mit Alex Vater zusammen, der ihren Namen angenommen hat. Deshalb heiß Alex mit Nachnamen Opal. Danach war unsere Mutter mit meinem Vater zusammen, und hat seinen Namen angenommen. Deshalb heiße ich Knecht–Müller.“ May und ich müssen uns ein Grinsen verkneifen. „Jetzt weißt du, warum ich dir meine Namensgeschichte nicht auf die Nase gebunden habe.“

Mit einem tadelnden Blick lässt sie May wieder los. „Wie heißt eure Mutter denn mit Vornamen?“ Ich versuche ganz beiläufig zu klingen, Jamia muss ja nicht wissen, dass Alex mich in dieser Hinsicht belogen hat. „Sie hieß Mariella. Sie ist tot, also verbindet Alex und mich nicht mehr viel.“ Betretenes Schweigen macht sich im Zimmer breit. Der Kater, der am unteren Ende meines Bettes liegt, scheint die Traurigkeit in Jamias Stimme zu hören, denn er springt vom Bett und schmiegt sich an ihre Waden. Es scheint so, als müsse sie mit den Tränen kämpfen und May tritt einen Schritt auf sie zu um sie in den Arm zu nehmen, doch Jamia weist sie zurück und verschwindet wortlos im Bad.

„Das wusste ich nicht.“ Traurig schaut May mich an, dann zur verschlossenen Badezimmertür und wieder zu mir. „Klopf doch mal, und schau, wie es ihr geht.“ Ich habe das Gefühl, dass May meine neue Mitbewohnerin schon viel besser kennt. Immerhin hat sie 3 Tage Vorsprung.

Gerade als May sich in Bewegung setzen will geht die Badezimmertür schwungvoll auf und eine über beide Ohren lächelnde Jamia kommt heraus. Wir wissen, dass es ihr nicht halb so gut geht, wie sie tut, aber ich beschließe nicht weiter darauf herum zu reiten. „May, gehen wir gleich zusammen in die Küche? Ich muss mit Rosi reden. Und ich habe einen unglaublichen Hunger!“

Bewusst vermeide ich das Wort Mutter, um nicht noch mehr Salz in Jamias Wunder zu streuen. Mein Magen unterstützt meine Worte knurrend und wir müssen unweigerlich über dieses lustige Geräusch lachen. „Ich werde noch schnell Duschen und vielleicht sollten wir nochmal beim Arzt vorbei, damit er meine Schulter checken kann.“ Ich nehme Jamias dankendes Lächeln wahr und freue mich darüber, dass ich sie zu verstehen scheine. Aus einem unerfindlichen Grund freut es mich, mir mit ihr ein Zimmer zu teilen. Und das könnte auch etwas mit der Tatsache zu tun haben, das ich die Möglichkeit bekommen werde, etwas mehr über diesen mysteriösen Alexander Opal heraus zu bekommen.

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Hi ihr Lieben,
ich weiß, dass es momentan ewig dauert, bis ich ein Update bringe. Das ist leider meiner derzeitigen Berufssituation zu schulden, und auch ein bisschen meiner Faulheit^^ Aber im Kopf entwickel ich schon haufenweise Ideen, wie es weiter gehen kann, welche Verknüpfungen sich noch ergeben werden, was Lilith mit Alex anstellt (Die erste Übungsstunde steht an) und was sie gedenken gegen den Cleas Korén zu tun. Natürlich werdet ihr noch etwas über Michael und Rosi erfahren - ich planen einen mittelgroßen Showdown diesbezüglich. Also habt ein wenig Gedult mit mir und bleibt dran :P Habt ihr interesse an einem Kapitel über Lilith's Familie? Oder doch eher über Jamia, Alex und ihren Großvater? Ich weiß, das Kapitel ist kurz, hat es euch trotzdem gefallen?

Lilith - NachtdämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt