Kapitel 13: Fleischlos

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Ich kam viel zu spät am Campus an, da ich den Weg nicht direkt gefunden hatte. Es dunkelte bereits und ich beeilte mich um die Mauer herum zu laufen und den Eingang zu finden. Das maßive, große, steinige Eingangstor ragte vor mir auf und ich sah die bronzenen Buchstaben, konnte sie jedoch nicht entziffern, es war schon zu dunkel. Andächtig schritt ich hindurch und sofort erfüllte mich ein leichter Schauer, der mir den Rücken hinunter lief. Der Innenhof war erleuchtet und ich war überrascht von der Natur, die mir entgegenblühte.

Der komplette Gegensatz zum Bahnhof, zur Stadt außerhalb der Mauer. Außerhalb der Mauern. Warum die Mauern? Man konnte nicht über sie hinüber gucken und auch wenn der Torbogen jedem Einlass gewährte, hatte man nicht das gefühl, dass auch wirklich jeder willkommen war. Es war zu gruselig. Also beeilte ich mich, jemanden zu finden, der mir weiterhelfen konnte. Ich ging in das Hauptgebäude und folgte den Pfeilen Richtung Sekretariat. Innen sah das Gebäude nicht mehr ganz so alt aus und vor allem nicht mehr wie ein Schloss oder ein Kloster, wie es das von außen tat.

Als ich das Sekretariat nach ewiger Suche endlich gefunden hatte, trat ich an einen Tresen heran, an dem eine gelangweilte, ältere, korpulente, Frau saß. "Was kann ich für dich tun? Für die Anreise zum Tag der offenen Tür bist du aber reichlich spät dran!" Sie erblickte meinen Koffer und schüttelte leicht den Kopf. Sie schien zu überlegen, was sie mir sagen sollte und blickte auf die Uhr. "Momentan gibt es in der Mensa das gemeinschaftliche Abendessen, das jedoch in 30 Minuten zu Ende ist. Deshalb solltest du dich beeilen und dir dann von einem anderen Teilnehmer dein Zimmer zeigen lassen. Wenn du auf der Liste stehst, wurdest du schon eingeteilt." Hoffentlich stand ich auf der Liste!

Ohne mir ein weiteres Wort zu widmen, schaute sie wieder auf ihre Zeitung, die vor ihr auf dem Tisch lag. "Okay. Dann vielen Dank." Ich bekam keine Antwort und so drehte ich mich um und ging. Mir fiel auf, ich wusste nicht wohin. Als hätte die Dame meine Gedanken gelesen, hielt sie mir einen Plan unter die Nase, als ich mich umdrehte um sie danach zu fragen. "Danke." Sie deutete mir zu gehen und so machte ich mich auf den Weg.

Sie hatte gesagt, ich hätte noch 30 Minuten. Mein Magen knurrte mehr als laut, was mir zeigte, dass er es wohl den Abend ohne Essen nicht überleben würde. Ich hatte vor der Schule nur eine Schüssel Müsli gegessen und war dann nach der achten Stunde direkt in die Bahn gestiegen. Diese hatte zur Abwechslung mal keine Verspätung, weshalb ich keine Zeit hatte mir noch etwas beim Bäcker im Bahnhof zu holen. Dabei hatte ich stark mit Verspätung gerechnet und sie extra eingeplant. Man konnte ja nicht ahnen, dass sie tatsächlich mal pünktlich kam! Zeit für Mittagessen war also nicht gewesen und an dem Bahnhof, an dem ich aus der Bahn stieg, gab es eben einmal zwei Gleise und eine Straßenlaterne.

Ich eilte also noch schneller über den Campus, um die Mensa schnellstmöglich zu erreichen. Ich hatte Schwierigkeiten, mein Gepäck und die Karte zu händeln aber die etlichen Jahre als Pfadfinder hatten sich ausgezahlt denn ich fand die Mensa ohne große Zwischenfälle. Als ich endlich die Tür zu Erlösung aufstieß, kamen mir die ersten schon wieder entgegen. Das durfte nicht wahr sein! Ich hatte nur zehn Minuten gebraucht um die Mensa zu finden! Und doch kam ich anscheinend zu spät. So ein Mist!

Ich musste mich vergewissern "Hey, kurze Frage, bist du auch zum Tag der offenen Tür hier?" Ich hatte mich an den erstbesten gewandt, der mir entgegenkam. Der Junge, der mich um einige Köpfe überragte, schaute mich aus bernsteinfarbenen, katzenartigen Augen an und legte die Stirn in Falten. Seine dunkelbraunen Locken gräuselten sich auf seinem Kopf und sein Körper ragte wie ein Berg vor mir auf. Ich war sofort eingeschüchtert. "Nein." Er drehte sich wieder von mir weg und ließ mich stehen. Na, Herzallerliebst, die Menschen hier!

Ich traute mich nicht, noch jemanden zu fragen und so ging in den Raum hinein ohne mich erneut unbeliebt zu machen. Es war gemütlich hier! Auch wenn es ein leichtes Mensafeeling gab, roch es angenehm nach leckerem Essen. Die Stühle sahen auch nicht so unbequem aus, wie die in der Mensa meiner Schule.

Ich ging zur Essensausgabe und wand mich an die Köchin, die mir interessiert entgegenblickte. "Hallo, ich bin ziemlich spät dran und habe mich gefragt ob ich noch etwas zu essen bekommen könnte?" Wie zur Unterstützung knurrte mein Magen lautstark. Peinlich berührt blickte ich auf meine Hände. "Und ich wollte mich wegen dem Tag der offenen Tür erkundigen. Ist die Veranstaltung heute Abend noch?" Ich kam mir doof vor, da ich zu erst nach dem Essen gefragt hatte. Doch die Köchin schien das nicht zu bemerken. "Aber klar, Liebes! Darf ich dir die vegetarische Linsensuppe auftun oder den vegetarischen Kartoffelauflauf?" Anscheinend war nur vegetarisches im Angebot. So ein Mist, ich brauchte unbdeingt ein saftiges Stück Fleisch! Als hätte sie meinen Blick gedeutet, erklärte sie mir "Bei uns gibt es nur noch vegetarisches Essen. Das kommt daher, dass im Rat seit letztem Jahr ein Tierfreund sitzt, der die Sache wohl sehr ernst nimmt!" belustigt zwinkerte sie mir zu. Zu ernst, wenn sie mich fragte. Aber das tat sie nicht und so entschied ich mich für den Kartoffelauflauf.

"Herr Topaz und die anderen Besucher sind schon auf dem Weg in den Gesellschaftsraum der Kometen." Komischer Name. "Ich mache dir einen Vorschlag. Du setzt dich jetzt erst mal hin, Kind, und isst dein Essen. Du siehst halb verhungert aus und so viel Zeit muss sein! Ich schließe die Küche und wenn ich fertig bin, dann zeige ich dir, wo du hin musst!" Ich war ihr echt unglaublich dankbar für ihre Unterstützung und balancierte mein Tablett an den erstbesten Tisch. Wenn ich den Gesellschaftsraum auch noch hätte suchen müssen, wäre ich nicht vor dem nächsten Morgen da gewesen und schließlich musste ich auch noch irgendwo schlafen.

Lilith - NachtdämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt