Kapitel 11: Gefährten

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Endlich, endlich, ENDLICH liege ich im Bett! May kommt gerade aus dem Badezimmer und legt sich zu mir. Wir teilen uns das Bett, solange ich hier bin. Ich bin froh, dass ich nicht auf dem Boden schlafen muss und da es ein Kingsize Bett ist, bin ich mehr als zufrieden. Nur wenn ich mal wieder voller Schock mit Schmerzen in meinem Gesicht aufwache und mir bewusst wird, dass May mir mal wieder eine runtergehauen hat, dann verfluche ich die Umstände. Auch wenn ich wohl nicht meckern darf, da ich sie letzte Woche komplett aus dem Bett geschmissen habe.

Es ist keine Endlösung, aber wir kommen klar und haben zu dem eine Menge Spaß. Nahezu jeder Abend gleicht einer Pyjamaparty und wir lachen so viel, dass ich schon richtige Bauchmuskeln bekommen habe. Natürlich könnte das auch an dem Workout liegen, das ich seit neuestem mit May im örtlichen Fitnessstudio mache. Aber bestimmt 20 Prozent kommen vom lachen! Nur heute nicht. Heute will ich einfach nur schlafen! Der Tag hat mich aufgewühlt und mein Hirn hämmert gegen meinen Schädel, als gäbe es kein Morgen. Aber ich brauche mein Hirn noch, also muss ich es echt langsam abschalten! May scheint da anderer Meinung zu sein.

"Lili, Ich bin so froh, dass du bei mir bist! Du bist meine Gefährtin und ich bin echt glücklich, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen! Du willst doch immer noch studieren oder? Das, was dir heute passiert ist, war bestimmt ätzend, aber es gibt noch so unendlich viele Dinge, die wir nicht wissen und noch lernen können und auch unbedingt müssen!" Ich merke, dass May noch nicht wirklich müde ist. Sie sprudelt immer noch wie ein Wasserfall. Sie setzt sich wieder auf und nimmt meine Hand. Wie um Kraft zu sammeln, atmet May tief ein und aus "Lili. Ich habe das mit der Gefährtensache nicht nur so gesagt. Meine Mutter hat mir erzählt, dass jeder Vafayre im Verlauf seines Lebens einen Gefährten findet, zu dem er eine unzerstörbare Brücke aufbauen kann, die für immer hält!" Vielen Dank, ich weiß schon, was unzerstörbar bedeutet! "Woher willst du denn wissen, dass ich dein Gefährte sein soll? Ich weiß gerade mal seit einem Halben Jahr, dass ich diesem Verein angehöre, obwohl ich es immer noch nicht glauben will. Du weißt, ich bin von Natur aus unglaublich skeptisch." Warum sollte das also jetzt anders sein? Braune Rehaugen schauen mich fast flehend an. "Mich kennst du doch auch erst seit einem halben Jahr oder?"

Da hat sie recht. Ich kenne May seit knapp einem halbe Jahr und auch wenn wir uns seit dem Kennlernwochenende nicht mehr gesehen hatten, haben wir fast täglich telefoniert. Auch wenn sie die Naivität in Person ist, kenne ich doch keinen zweiten Menschen, der so ein großes Herz hat wie sie! Sie hat zu mir gehalten, als niemand anderes es tat und sie ist immer für mich da! Auch wenn sie manchmal unglaublich nerven kann, so wie momentan eben, gibt es niemanden, mit dem ich mir lieber das Bett teilen würde. Außer Brad Pitt natürlich.

Aber über das Gefährten-Ding müssen wir wohl noch einmal sprechen. Ich weiß noch, wie das Gefühl war, als diese Niwena sich in meinen Kopf geklingt hatte. Es war so unangenehm! Ihre Stimme in meinem Kopf, die so anders klang und das Gefühl der Beklemmung und Bedrängung werde ich wohl so schnell nicht vergessen! Es war einfach beängstigend jemanden in meinen Kopf zu lassen, den ich gar nicht kenne. Sie ist eine völlig Fremde, die in meine private Zone eingedrungen ist. Das wird mir nicht nocheinmal passieren! Mit Tom würde ich das machen, ihm würde ich uneingeschränkten Zugriff zu meinem Kopf gewähren. Doch ich spüre, dass meine Wunde immer noch sehr tief ist. Es schmerzt, dass er in Kauf genommen hat, mich vielleicht nie wieder zu sehen. Aber wir waren ja kein Paar oder so. Aber nach dem Tag, an dem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, fühlte ich mich, als hätte er mit mich Schluss gemacht. Und ich wusste nicht wieso.

Ich hatte mich, nachdem Tom nach meinem Geburtstag spurlos verschwunden war, kurzfristik dazu entschieden, an diesem Tag der offenen Tür teil zu nehmen. Ich wusste eh noch nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Zwar wusste ich schon, dass mein Abitur ganz gut werden würde, trotzdem war es bei der einen Einladung einer Universität geblieben. Und ich war einfach zu neugierig! Die eine Broschüren klärte über diesen Tag der offenen Tür auf und auch das Kennlernwochenende hörte sich echt spaßig an. Selbst wenn das ein Reinfall werden würde, war es zu wohltuend, von zu Hause weg zu kommen. Meine Mutter äußerte sich kaum dazu und da ich den finanziellen Part eh mit meinem Vater klären musste, redete ich auch nicht wirklich mit ihr darüber.

"Hallo Prinzessin. Was gibt es?" Ich rief meinen Vater auf der Arbeit an, nachdem ich mir den Brief nocheinmal durchgelesen hatte. "Hi Papa. Ich wollte dich um etwas bitte! Ich habe von einer Universität eine Einladung zum Tag der offenen Tür bekommen und würde da gerne über das erste Wochenende im Nächsten April hinfahren. Mama meint ja ich soll immer dich fragen, wenn es um so etwas geht." Das ich gerne Geld von ihm hätte, wollte ich ihm nicht direkt sagen. "So so, eine Universität also? Es freut mich, zu höre, dass du dich schon so früh darum kümmerst! Geht es denn vorran mit dem Lernen?"

War klar, dass er damit wieder anfing. Mein Vater hatte lange die Kontrolle über uns Kinder verloren und trotzdem versuchte er immer wieder uns mitzuerziehen. Manchmal dachte ich mir, dass er mich eigentlich gar nicht mehr so richtig kannte. Aber das war kein Wunder. Seit mehreren Jahren sah er uns nur noch jedes zweite Wochenende. Und nachdem meine Mutter mit uns in eine andere Stadt gezogen war um ihrem neuen Freund, den sie im Internet kennen gelernt hatte, näher zu sein, wurden auch die Wochenenden immer seltener. Ich vermisste ihn schrecklich!

"Naja, es dauert ja noch ein Jahr, bis es mit dem Abi anfängt, aber ich gebe mir jetzt schon mühe!" "Das freut mich, das freut mich. Kannst du deiner Mutter nicht sagen, sie soll das dieses Mal bezahlen? ich habe ihr lange genug Unterhalt gezahlt und das Geld für euch reicht für so etwas allemal!" Mein Vater klang abwesend und leicht genervt. Natürlich hatte er sofort gewusst worum es ging und etwas hatte ich ein schlechtes Gewissen, da ich viel zu selten anrief ohne etwas zu wollen. "Du kennst sie doch, Papa! Sie redet nicht über Geld und mit den 40€ im Monat kann ich darauf auch nicht sparen! Das ist doch gesetzlich geregelt, wie das zu handhaben ist. Redest du bitte mit ihr?"

Er seufzte resigniert. Mein Vater wusste genau, dass ich ihn solange bequatschen würde, bis er es tat. Und er konnte deshalb auch nicht wütend sein, denn gelernt hatte ich das von ihm. So lange dafür zu kämpfen, bis man bekam, was man wollte. "Ich werde mit ihr reden. Denn im Vordergrund steht hier deine Bildung und für die ist deine Mutter verantwortlich!" Es geht wohl eher um die Streitigkeit wegen des lieben Geldes! Aber ich wiedersprach nicht, denn ich hatte, was ich wollte. "Danke Paps! Ich freue mich auf nächstes Wochenende!"

Lilith - NachtdämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt