Kapitel 30: Jede Bewegung schlägt Wellen

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'Schrecke nicht zurück, Lilith. Vertraue auf deine Kraft und auf die Macht des Mondes.' Was zum...!? Gerade als ich aufgeben und meinen Geist wieder zurückziehen will, höre ich eine mir unbekannte Stimme in meinem Kopf, die mir einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Cerridwyn? - Nein. Alex? - Ganz sicher nicht. Sie ist merkwürdigerweise weder männlich noch weiblich, nicht laut, nicht leise... Kein Gesicht, dass ich mir dazu vorstellen könnte. Wer zum Teufel bist du? „Ich bin deine Magick. Vertraue auf mich.“ Na wenn das so einfach wäre!

Ich spüre, dass die Stimme mir zusätzliche Kraft schenkt. Die immerwährende Energie, die seit dem ersten Tag hier an der Uni in meinem Inneren funkelt, scheint noch viel heller und stärker zu strahlen, seit der Mond mich erwählt hat. Und aus diesem Grund beschließe ich, ihr zu vertrauen. Auch wenn ich ein sehr misstrauischer Mensch bin, weiß ich doch, dass es wichtig ist, auch mal die Zähne zusammen zu beißen und die Sache durchzuziehen. Und es heißt ja auch, 'No Risk – No Fun!' Also wenn ich mal ein neues Motto brauche... Das wird es sicher nicht. Ich nehme also all meinen Mut zusammen und sende meinen Geist wieder in Richtung der schwarzen Silhouette. Warum bin ich nur so verdammt neugierig!?

Doch bevor ich in die Offensive gehe, vergewissere ich mich nochmal, dass May neben mir sitzt und auf mich aufpasst. Und das tut sie. Sie drückt meine Hand und ich spüre ihre leicht nervöse aber auch sehr starke Silhouette und bin erleichtert. Egal, was mir passiert, ich weiß, sie steht das mit mir durch.

Ich bin jetzt kurz davor, mit meinem Geist in den von Alex einzudringen. Behutsam komme ich mit dem Schatten in Berührung, doch auch wenn ich mehr als vorsichtig bin, spüre ich einen Sog, der mich plötzlich in das Innere zieht. Ich erstarre zunächst, versuche aber dann, mich absolut zu entspannen. Bleib ruhig! Ich weiß nicht woher das kommt, aber mein Instinkt zwingt mich dazu, mich zu beruhigen. Ich spüre, wie auch meine Silhouette sich immer mehr entspannt und aufhört, zu vibrieren.

Ganz im Gegensatz zu der von Alex. Ich bin innerhalb dieser vor Wut vibrierenden Barriere. Ich bin jetzt in seinem Kopf. Ich kann es spüren. Ich spüre Gedanken, zart wie Federn fließen sie an meinem Geist vorbei. Ich versuche, sie zu greifen. Aber mit größter Vorsicht und viel Feingefühl. „Das kann nicht... Das darf nicht... Der Mond... Niwena. Was ist mit Niwena? Was wird sie sagen? Verdammte scheiße! Sie wird mich verlassen. Ich muss sie los werden. Sie kann nicht zwischen uns kommen. Sie darf die Magick nicht annehmen. Sie wird zu stark sein. Die Anziehungskraft wird zu stark sein. Warum gerade ausgerechnet sie? Das ist absolut zum kotzen! Ich muss Opa davon abbringen. Niwena ist mir zu wichtig. Ich kann sie nicht wegen dieses Flittchens verlieren!“ Ich kann die vereinzelten Gedankenfetzen deutlich hören, erkenne ihren Sinn jedoch nicht. Meine Wahrnehmung ist ganz auf den Inhalt von Alex' Kopf beschränkt, da bleibt keine Kapazität, auch noch darüber nachzudenken.

Ich kann jetzt im Rat eh nichts ausrichten. Ich muss mich beruhigen. Ich darf mir nichts anmerken lassen. Niwena wird wissen, was zu tun ist. Aber ich muss jetzt umso vorsichtiger sein. Wenn jemand bemerken sollte, was da zwischen uns ist, wenn diese Lilith bemerken sollte, was zwischen uns ist, dann bin ich geliefert.“ Ich lausche seinem Gedankengang und bemerke, dass seine Aura immer ruhiger wird. Die Vibration lässt nach und ich spüre, wie meine Präsenz in seinem Geist Wellen schlägt. Das kann nichts Gutes bedeuten... Er wird mich bemerken, wenn er nicht mehr wütend ist!

Weit entfernt dringt eine tiefe Männerstimme an mein Ohr. Und bevor ich mich dagegen wehren kann, werde ich voller Wucht aus meiner Trance und aus Alex' Geist gerissen und ich öffne erschrocken meine Augen. Ich blicke in May's entschuldigende Miene und suche verwirrt nach der Quelle meiner Ablenkung. Und ich finde sie in Tom's fröhlich lächelndem Gesicht. Er hat seine Hand auf meiner Schulter platziert und strahlt mich begeistert an. „Na Lili, die Bestimmung gut überstanden? Siehst ein bisschen fertig aus.“ Na wenn der wüsste... „Wir sind jetzt zu einem Ergebnis gekommen. Kommst du wieder rein, damit wir es dir verkünden können?“ Was bleibt mir denn anderes übrig?! „Na klar, Tommy-Boy. Also das hat mich echt überrascht, dass du da auf einmal am Tisch saßt...“ Ich drücke May noch kurz die Hand und folge Tom zurück in den Konferenzsaal.

Lilith - NachtdämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt