Kapitel 19: Creator spiritus

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Die Woche geht langsam dem Ende zu und etwas fürchte ich mich vor der nächsten Woche. Ab da sind wir keine Neuen mehr sondern müssen uns zurechtfinden wie die anderen auch. Am Dienstag hatte ich mit May meinen Stundenplan gemacht und staunte nicht schlecht, als ich jeden Tag eine Vorlesung mit der Bezeichnung X sah. Kelly, mit der ich mitlerweile auskam, erklärte mir, dass das das Hauptstudium sei. Also alles, was sich rund um Magick, Vafayren, Götter und so weiter dreht. Es habe nur die Bezeichnung X, da es verboten sei, mit Außenstehenden darüber zu sprechen. Man solle einfach einsetzen, was man im Nebenfach habe. In meinem Falle also Philosophie.

Ja, wie auch immer. Heute ist Freitag und auf dem Plan der Gruppen steht nur noch das Gespräch mit dem Präsidenten. Kellys Gruppe ist anscheinend die letzte, wir haben uns nämlich erst für 17 Uhr verabredet. Also habe ich noch genug Zeit, mich in die Bibliothek zu setzen und etwas in den alten Büchern zu stöbern. Zum Glück ist heute vieles im Internet aufgezeichnet, auch wenn ich den Geruch von altem Papier schon immer gerne hatte.

Eine Seite über die alten Naturgötter und die Elemente, ist das, was mich die letzten Tage in den Bann gezogen hat. Wie ich schon gelesen habe, sind es die vier Elemente, die eine der elemtarsten Rollen bei, zum Beispiel, Ritualen haben. Aber das weiß ja jedes Kind!

Luft: Die Luft steht für das Denken, die Idee, den Verstand und die Kommunikation. Sie ist dem Osten zugeordnet und das erste Element. Mit der Luft beginnt der Jahreskreis, der Frühling ist seine Jahreszeit, das Leben erwacht von Neuem, die Saat stößt ans Tageslicht, Blätter sprießen aus den Bäumen, Vogelgesang weckt uns am Morgen und der Wind schenkt uns ein Gefühl von Frische und Leichtigkeit.

Feuer: Das Feuer steht für die Leidenschaft, den Willen, die Sexualität und auch die Kreativität. Es steht im Süden und repräsentiert den Sommer. Die Sonne ist ein Symbol, dass dem Feuer zugeordnet ist und die Göttin repräsentiert. In dieser Zeit sind wir voller feuriger Energie, die Natur steht in voller Blüte, Liebesspiele finden statt.

Ich blicke von dem Artikel hoch, der mich gerade fesselt und schaue mich in der Bibliothek um. Aus einem unerfindlichen Grund haben sich mir mit einem Mal die Nackenhaare aufgestellt und ich kann beim besten Willen nicht erklären warum. Der Lesesaal ist weitestgehend leer. Nur die Bibliothekarin sitzt in der Mitte an einem Schreibtisch und ist selbst in ein Buch vertieft. Ich wende meinen Blick wieder auf den Monitor.

Wasser: Das Wasser steht für die Gefühle, die Liebe, das Unbewusste und die Intuition. Es ist im Westen angeordnet und steht auch für das Tor zur anderen Welt. Mit dem Wasser beginnt der Herbst, die Felder sind abgeerntet, die Blätter der Bäume fallen zur Erde, es wird kälter und düsterer. Diese Zeit lässt uns etwas zurücktreten, um in uns zu schauen und über Gefühle und uns selbst bewusst zu werden.

Erde: Die Erde steht für die Materie, die Kraft, die Beständigkeit und die Festigkeit. Sie steht im Norden und repräsentiert den Winter. Der Mond ist ein Symbol im Norden und steht für die Göttin. Zu dieser Zeit wird vollendet, was im Herbst angefangen hat. Es wird sehr kalt, viele Tiere liegen im Winterschlaf, die Natur kommt zu Ruhe. Vom Himmel schneit es und versiegelt die Welt, damit im Frühling wieder alles neu beginnen kann.

Schon wieder erfasst mich dieses unerklärliche Gefühl des beobachtet werdens. Aber dieses Mal bin ich schlauer. Ohne mich groß zu bewegen versuche ich, so gut es eben geht, mich im Raum umzuschauen. Das funktioniert schlechter als erhofft. Nicht mal die Bibliothekarin rückt in mein Sichtfeld. Also muss ich meinen Kopf wohl doch etwas heben. Ein rascheln auf der Empore über meinem Kopf. Doch es ist absolut nichts zu sehen. Wahrscheinlich macht mir die Stille zu schaffen und ich bilde mir da etwas ein.

creator spiritus: Der creator spiritus steht für den Geist, das Selbst und die Bewegung. Er symbolisiert das Allumfassende und den Lauf des Jahresrades. Somit ist alles, was in den vier Elementen vorhanden ist, auch im creator spiritus vorhanden. Er ist die Kraft, die alles verschlingt und wieder erneut hervorbringt und somit das Leben überhaupt möglich macht.

Die Seite cumhachd.de hat es mir schon lange angetan, und es freut mich, dass ich auch jetzt wieder fündig geworden bin! Es hilft mir einfach extrem, mich mit meiner bis jetzt unerkannten Seite anzufreunden. Ein Blick auf die große Uhr über dem Ausgang lässt mich von dem Pc hochschrecken, an dem ich die letzten Stunden gesessen habe. Ich werde zu spät kommen. So ein Mist, Kelly killt mich! Ich schnappe mir meinen Rucksack, so schnell es geht, und trete im nächsten Moment von einer in die andere Welt.

Ich verlasse meine Geborgenheit zwischen all den Regalen mit Tonnen von Papier, die Heimat von unzähligen Geschichten und Mythen sind, und komme in den grellen, kühlen Alltag zurück. Ich will nicht gleich bei meiner ersten Begegnung mit dem Präsidenten negativ auffallen, aber ich habe das Gefühl, dass das unumgänglich sein wird. Ich muss von der Bibliothek aus quer über den ganzen Campus. Das schaffe ich in 2 Minuten nie!

Kurz drehe ich mich um, als ich die schwere Holztür erneut aufgehen höre und bleibe erstarrt stehen. Der verdammte Kerl mit den bernsteinfarbenen Augen kommt gerade heraus und fixiert mich mit seinem Blick. Nur kurz, dann dreht er sich zur Seite und läuft schnellen Schrittes Richtung Studentenwohnheim. Ich habe ihn an seinen Locken erkannt. Selten habe ich einen Typen mit so tollen Haaren gesehen... reiß dich zusammen! Heute morgen hat er dich fast über den Haufen gefahren! Kurz peinlich berührt, dass ich bei seinem Anblick stehen geblieben bin, drehe ich mich wieder um und haste weiter. Keine Zeit, Gedanken an einen Typen zu verschwenden! Sehr richtig, wenn dann an Kelly, von der ich mich auf einen mega Anschiss gefasst machen kann!

Atemlos renne ich über die geflasterten Wege zum Hauptgebäude. Ich muss eine Abkürzung nehmen, wenn ich nicht ewig zu spät kommen will! Also durch den Tunnel, der mir immer noch nicht weniger gruselig in Erinnerung ist. Enttäuscht aber auch ein bisschen erleichtert muss ich feststellen, dass die Torflügel geschlossen sind und es nicht möglich ist durch den Tunnel zu laufen. An der Seite des Tores sehe ich ein Schild 'Das Tor des Jahreskreises ist bis auf Samhain, Yule, Imbolc, Ostara, Bhealltainn, Mittsommer, Lughnasadh, Herbsttagundnachtgleiche, geschlossen. Das betreten auserhalb dieser Zeiten ist strengstens untersagt! Der Präsident.' 

Also muss ich doch außen herum. So ein verdammter Mist! Ich habe keine Zeit über die komischen Begriffe auf dem Schild nachzudenken und vor allen Dingen nicht darüber warum der Tunnel geöffnet war als ich letzten Montag am Baum auf Nirwena getroffen bin. Vielleicht war ja einer dieser komischen Tage. 

Wenn ich jetzt fliegen könnte, wie die Hexen im Film, dann wäre das echt mal mehr als praktisch! Durch dem Umweg, der ja eigentlich eine Abkürzung sein sollte, komme ich sicher 10 Minuten zu spät. Es ist jetzt schon drei Minute nach 5. Bei dem Gedanken an Kelly, die wartende Gruppe und den Präsidenten, der sicher nicht gerne wartet, wird mir schwindelig und kotzübel. 

Da ich Rosis Kochkünste kenne, bin ich mir absolut sicher, dass ich mir den Magen nicht von ihrem Essen verdorben haben kann. Wobei mir gerade einfällt, dass ich heute noch nichts, bis auf ein schnelles Müsli heute morgen, gegessen habe. Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn ich lese und so wie heute vergesse ich das meiste darüber. Und das habe ich jetzt davon.

Schnaufend stehe ich mit der Stirn an die Mauer gelehnt da und versuche mich wieder zu beruhigen. Auch das noch! So ein verdammter Mist! Meine Flüche lassen das Karusell auch nicht langsamer werden und in der Erwartung mich übergeben zu müssen, lehne ich mich nach vorne. Wenn ich doch nur ein Stündchen früher auf die Uhr gesehen hätte, dann wäre ich noch zur Mensa gegangen um etwas zu essen und hätte jetzt kein Problem mit der Zeit und meinem verflixten Kreislauf! 

Als würde mein Kreislauf diese Beleidigung persönlich nehmen, steigert sich mein Schwindel ins Unermessliche und ich schaffe es nicht mich aufrecht zu halten. Meine Beine klappen unter mir weg und noch bevor ich auf dem Boden aufschlage, ist alles Schwarz.

Lilith - NachtdämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt