Kapitel 9

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TW: Panik, Suizid und selbstverletzendes Verhalten

Dazai hat den Brief mit dem Vorschlag sich zu treffen pünktlich erhalten und steht nun auf dem Dach des alten Hochhauses, es hat sich immer noch nicht geändert und niemand scheint das in der nahen Zukunft auch vorzuhaben. In der letzten Woche hat er mehrere Briefe mit Chuuya ausgetauscht und es geht ihm ein kleines bisschen besser. Das Verlangen sich selbst zu verletzen ist in der Woche zum Glück nicht wieder aufgetaucht und er versucht den Blick auf den Rasierer, der immer noch am selben Platz liegt zu vermeiden. Der Braunhaarige hat Angst, dass er, sobald er einen Blick darauf wirft, einen Rückfall erleidet. Viel Zeit zum Nachdenken hat er allerdings nicht, da Chuuya auch bald auftaucht. Er ist einen kleinen Umweg gelaufen, damit er sicher sein kann, dass ihn die Hafenmafia nicht bis zum Hochhaus verfolgt. Als sie sich dann das erste mal nach viel zu langer Zeit in die Augen sehen, ohne im Auftrag der Detektei oder der Mafia unterwegs zu sein, können sich beide nicht mehr aufhalten. Sie tauschen keine Worte miteinander aus, gehen nur aufeinander zu, nehmen sich in die Arme und fangen an zu schluchzen. Ja, es war wirklich zu viel Zeit vergangen. Beide können am Ende des Tages nicht sagen, wie lange sie in dieser Position verharrt haben, bis die Tränen fürs erste versiegt waren und sie sich langsam voneinander lösen konnten. Das erste was Chuuya sagte war: "Ich hab dich vermisst du Dummkopf. Und ich hatte Angst um dich, du kannst gar nicht glauben wie froh ich bin, dass du jetzt lebend vor mir stehst. Ich weiß, dass es nie deine Absicht war mich so zu erschrecken und ich bin wirklich stolz auf dich, dass du mit mir geredet hast. Es muss wirklich verdammt schwer gewesen sein, über das zu reden, was du gefühlt hast. Das hat bewiesen, wie stark du bist und das du nicht einfach so aufgeben wirst, auch wenn die Situation manchmal ausweglos erscheinen mag. Ich liebe dich wirklich über alles." Der Orangehaarige war so aufgeregt, dass er gar nicht merkte wie viel er sagte ohne auch nur einmal Luft zu holen und in einer Geschwindigkeit, die locker einen Weltrekord hätte aufstellen können. Dazai hatte zwischendurch Probleme, damit seinen Freund zu verstehen, aber als dieser dann doch mal eine Pause zum Atmen brauchte, grinste der Braunhaarige nur und beugte sich etwas runter um Chuuya zu küssen. Der Kuss war sanft und drückte all die Gefühle aus, die sich über die Jahre angesammelt haben: ihre Liebe zueinander, Sehnsucht, Freude, dass sie sich endlich wiederhaben, Trauer, über Dazais momentane Lage und noch vieles mehr. 

Irgendwann müssen sie den Kuss unterbrechen und setzen sich wie früher so oft an den Rand des Daches und lassen ihre Beine in der Luft baumeln. Vielleicht wirkt die Höhe auf andere abschreckend, aber für die beiden gibt es nichts entspannenderes. Dazai legt einen Arm seinen Arm um Chuuya und zieht ihn so etwas mehr zu sich, sein Freund reagiert indem er sich leicht anlehnt und die Nähe des Größeren genießt. Eine Hand hat er mit der freien des Braunhaarigen verschränkt, diese gibt ihm Halt und die Sicherheit, dass sein Freund bei ihm bleibt und nicht vom Gebäude springt. "Dazai. Ich möchte, dass du all die negativen Gedanken versuchst auszublenden. Bevor du mir jetzt direkt widersprichst, ich weiß, dass es nicht einfach ist und seine Zeit brauchst, das akzeptiere ich auch. Also nimm dir all die Zeit, die du brauchst um vollständig abzuschalten und das hier in vollen Zügen zu genießen. Vergiss den Stress vom Alltag, die Erwartungen der anderen an dich, all die Forderungen und Aufgaben die noch zu erledigen sind. Denk einfach nur an dich und an mich hier auf diesem Dach, weit weg von all dem anderen Zeug. Bei mir kannst du sein, wer du wirklich bist, du musst dich nicht mehr verstellen, du brauchst nicht immer zu lächeln um zu zeigen, dass du glücklich bist, wenn dir nicht danach ist. Lass all die Masken fallen, die du dir im Laufe der Zeit angefertigt hast und zeig einzig und allein dein Gesicht. Das ist alles was ich mir im Moment von dir wünsche." Dazai schließt seine Augen und atmet tief ein und aus, konzentriert sich allein auf den warmen Körper neben sich, seinen Arm, den er um diesen gelegt hat und darauf, wie seine Beine einfach in der Luft baumeln. Alles andere rückt in den Hintergrund und auch seine Atmung wird ruhiger. Vermutlich hat er es selber nicht einmal gemerkt, aber in den letzten Tagen war er immer angespannt und hat immer relativ hektisch geatmet. Chuuya merkt nach ein paar Minuten, dass der Braunhaarige begonnen hat sich zu entspannen und tief ausatmet. Der Orangehaarige lächelt, genau das wollte er erreichen.

 Für einen weiteren Moment herrscht zwischen den beiden Stille, bis sie schließlich von dem Orangehaarigen durchbrochen wird: "Ich hab uns auch Essen mitgebracht, dann kannst du endlich sehen, dass sich meine Kochkünste verbessert haben. So wie ich dich kenne hast du in den letzten Tagen nicht sonderlich viel zu dir genommen, richtig?" Dazai nickt zaghaft und Chuuya holt ein paar Bentoboxen aus einer Tasche, die er dann vorsichtig an den Rand des Daches stellt. "Ich hab verschiedene Sachen gemacht, gebratenen Reis, Sushi, Unagi und noch ein paar Sachen, was willst du haben?", fragt das Mitglied der Hafenmafia. "Mir würde der gebratene Reis reichen." So teilen sie das Essen unter sich auf und beobachten dabei still die laute Stadt unter sich. Diese scheint nie wirklich zur Ruhe zu kommen und ist immer in Bewegung, irgendwie ist es klar warum Dazai dort nie richtig abschalten kann. "Weißt du, ich schlafe momentan nicht wirklich gut. Jede Nacht plagen mich Albträume, halten mich wach und führen dazu, dass ich Angst habe wieder einzuschlafen. Immer verliere ich die Menschen, die mir wichtig sind: dich, die aus der Detektei, ich weiß nicht wie lange ich das noch aushalten kann. Wenn ich dann wach bin liege ich in meinem Bett, traue es mich nicht auch nur mit dem Finger zu zucken, aus Angst dass dann irgendwas passiert. Es ist einfach schrecklich, ich will doch nur, dass es endlich aufhört", je mehr der Braunhaarige sagt, desto verzweifelter klingt er. Chuuya zieht ihn näher zu sich und antwortet: "Du weißt  gar nicht, wie sehr ich dir helfen will, wie sehr ich immer bei dir sein will, um dich in solchen Fällen zu unterstützen. Ich will dich beruhigen können. Ich will dich in meinen Armen halten können. Ich will alles dafür tun, damit es dir besser geht. Bitte, du musst wissen, dass ich immer bei dir bin, auch wenn du mich nicht sehen kannst und wir körperlich getrennt sind." Kurz stoppt er seinen Redeschwall um auf Dazais Brust zu tippen, genau da wo sich dessen Herz befindet. "Genau da bin ich immer bei  dir. Ich werde einen Weg finden, dir wieder näher sein zu können, lass mir bitte noch ein bisschen Zeit dafür." "Okay, drei Monate. Wenn es bis dahin nicht besser geworden ist möchte ich es beenden. Genau heute in drei Monaten, also am 27.11. Ich weiß nicht, ob ich es sonst noch länger aushalte. Ich hoffe, wirklich, dass es davor noch eine Chance für uns beide gibt." Die Stimmung ist nun deutlich gedrückt und Chuuya fehlen die Worte um etwas zu erwidern, also bleibt es still und sie sitzen einfach da oben, blicken auf die vollen Straßen, die selbst in der Nacht nicht ruhen, hinab und hängen ihren Gedanken hinterher. Als die Sonne am nächsten Morgen wieder aufgeht, beschließen sie, dass sie nun wieder in den Alltag zurückkehren müssen und sich wohl oder übel auf die Briefe verlassen müssen. Zum Abschied liegen sie sich in den Armen, können sich nicht voneinander lösen und küssen sich immer wieder. Sie versuchen sich wie Ertrinkende festzuhalten, um bloß nicht unterzugehen. Leider ist jede gute Zeit irgendwann vorbei und ihre Wege trennen ich voneinander.

Auf dem Weg zu seiner Wohnung fließen Dazai immer wieder Tränen über die Wangen und bei sich angekommen lässt er sich aufs Sofa fallen und versucht durchzuatmen, Bei den Erinnerungen an die letzten Stunden huscht ihm ein Lächeln auf die Lippen, aber dann wird er wieder daran erinnert, dass das auch die letzte Gelegenheit gewesen sei könnte, dem anderen so nah zu sein. Nun ist er allein mit seinen Gedanken, mit den Schmerzen. Er fasst sich an die Stelle seiner Brust, wo sein Herz versteckt liegt und denkt an Chuuyas Hand, die so sanft war, als würde er bei der kleinsten Berührung zerbrechen. Ein wenig später wischt er sich die Tränen von seinen Wangen und rafft sich auf um auf die Arbeit zu gehen, denn dort wird er schließlich auch gebraucht. 

Auch für Chuuya war es keine einfacher Heimweg, das Treffen hat ihm gezeigt, wie schlecht es seinem Freund geht. Natürlich hat das seine Sorgen um ihn verstärkt, aber trotzdem glaubt der Orangehaarige daran rechtzeitig eine Lösung zu finden. Das Zeitlimit setzt ihn zwar unter mehr Druck und dennoch will er es schaffen. So in seinen Gedanken versunken achtet er nicht mehr wirklich auf seine Umgebung, bis er angerempelt wird und zur Seite stolpert. Schon hat Chuuya den Mund aufgemacht um sich zu beschweren, erkennt er Ranpo, ein Mitglied der Detektei. Tja ein ziemlich gutes... "Oh Hey, sag mal wie war das Treffen mit Dazai? Konntest du ihm helfen?", die Frage kam so unverhofft, dass der Angesprochene keinen Ton rausbekommt. Er wusste zwar, dass die Fähigkeiten des Detektivs mehr als gut sind, aber das? Gerade  als das Mitglied der Hafenmafia glaubt eine gute Antwort gefunden zu haben, ist der Schwarzhaarige auch schon wieder verschwunden. 

Letters from you - Dazai x ChuuyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt