04 Die Wahrheit ist kompliziert

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Justin lehnte sich in seinem Stuhl zurück und fühlte sich nach den zwei Portionen Lasagne, die er gegessen hatte, völlig gesättigt. Tony hätte wirklich Koch werden sollen und nicht Landschaftsgärtner. Jedes Mal, wenn der Kerl kochte, schuf er ein Meisterwerk. 

Yvette betrachtete Justins entspannte Körperhaltung. "Abby, du solltest Justin dazu bringen, dir das Haus zu zeigen, bevor er dort drüben einschläft."

"Das sollte ich.", stimmte Abby zu, sah ihn an und dann wieder zu Yvette. "Das Abendessen war absolut fantastisch. Danke."

"Ich hoffe, es war besser als das, was du aufwärmen wolltest", grinste Tony.

"So viel besser."

Justin sah Abby zu, wie sie ihren letzten Schluck Wein trank. Ihre Wangen waren ein wenig gerötet und sie hatte ihren Blazer schon vor einer Weile ausgezogen. Infolgedessen war seine Aufmerksamkeit häufig auf ihre Brust gerichtet worden. Die Art und Weise, wie sich ihre Brüste gegen die zartrosa Bluse, die sie trug, drückten, war viel zu ablenkend. Ihr Haar war immer noch zu einem Dutt zusammengebunden, aber es war jetzt etwas lockerer, und die wenigen Strähnen, die herausgefallen waren, umrahmten ihr Gesicht und gaben ihr einen weichen Ausdruck. Ihre braunen Augen sahen durch die Brillengläser unglaublich groß aus, und sie leuchteten hell, als ob sie ... glücklich wäre.

Tony und Yvette hatten den größten Teil der letzten dreißig Minuten damit verbracht, Abby mit Fragen zu löchern. Zu seiner Überraschung hatte Abby jede einzelne davon beantwortet und dann über all die Geschichten gelacht, die sie ihr erzählt hatten. Er glaubte sogar, dass sie nicht mehr aufgehört hatte zu lächeln, seit sie sich zum Abendessen hingesetzt hatten.

"Ich hoffe du bekommst die Beförderung, Abby.", sagte Tony.

Justin funkelte seinen Mitbewohner finster an. Wirklich? Verstand Tony nicht, dass Loyalität etwas war, das man in einer lebenslangen Freundschaft als selbstverständlich ansehen sollte? Abby musste etwas Ähnliches gedacht haben, denn ihre Augen weiteten sich und ihr Mund blieb offen stehen.

"Aber warum?", fragte sie.

"Weil ich den großen Klotz hier vermissen werde.", sagte Tony. Dann beugte er sich zu Abby vor und flüsterte: "Aber sag ihm das nicht."

"Ich bin sicher, sie hat viele Freunde und Verwandte, die sie ebenfalls vermissen werden, nicht wahr, Abby?", fragte Yvette.

Das Lächeln verschwand aus Abbys Gesicht, während sie unbehaglich auf ihrem Sitz hin und her rutschte. "Ähm, nicht wirklich."

Justin hätte über Yvettes Unfähigkeit, ihre Überraschung zu verbergen, gelacht, wenn er nicht über die Bedeutung von Abbys Antwort nachgedacht hätte. Er hatte bereits vermutet, dass seine Kollegin nicht viele Freunde hatte, und offensichtlich stand sie ihrer Familie nicht nahe, dass sie ihn gefragt hatte, ob sie einziehen könnte, aber es schien einfach so ... traurig.

"Oh, ich bin mir sicher, es gibt Leute.", sagte Yvette.

Abby schüttelte ihren Kopf. "Seit ich von Tasmanien nach Melbourne gezogen bin, habe ich nicht wirklich Freunde gefunden."

Ihr Ton war lässig, aber ihr Gesicht war rot und sie blickte sehnsüchtig auf ihr leeres Weinglas.

"Wie lange ist es her, seit du umgezogen bist?", fragte Tony.

Die Farbe in ihrem Gesicht vertiefte sich. "Neun Jahre."

Abbys Unbehagen war spürbar, als eine schwere Stille über sie hereinbrach.

"Neun Jahre.", wiederholte Yvette schließlich in einem erstaunten Flüsterton.

"Neun Jahre sind eine lange Zeit, Abby.", fügte er unwillkürlich hinzu.

Winning Her Rival's Heart | deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt