Unbekannt 2

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Ein Klingeln reißt sie aus dem Schlaf. Stöhnend tastet sie nach dem Wecker, doch es ist ihr Telefon, das klingelt. Wer ruft denn so früh an?
„Hallo?", grummelt sie in den Hörer. Hat ihre Mutter mal wieder Probleme mit dem Computer?
„Du hast dich gefälligst mit Namen zu melden, Kitty."
„Sir?" Unbeabsichtigt rutscht ihr dieser von ihm selbst gewählte Titel heraus.
„Immerhin erkennst du mich sofort, Schätzchen. Guten Morgen."
„Guten Morgen..." Umständlich setzt sie sich auf. Jetzt kann sie auf keinen Fall wieder einschlafen. Wie spät ist es?
„Du hörst dich müde an, Dahlke."
„Sie haben mich geweckt." Ihre Stimme klingt vorwurfsvoll, doch er lacht bloß.
„Das dachte ich mir fast, aber wir ändern das jetzt. Du stehst jetzt auf und machst zehn Kniebeugen und zehn Liegestütz."
„Was?", entfährt es ihr. Hat der sie noch alle?
„Kitty!" Stöhnend krabbelt sie aus dem Bett. Wieso nur legt sie nicht einfach auf? Sie legt das Telefon zur Seite und macht die genannten Übungen. 'Wenn er währenddessen etwas sagt, ist das sein Problem', denkt sie trotzig. Schließlich nimmt sie wieder das Telefon. Ihr Atem geht etwas schneller.
„Fertig."
„Sehr schön. Fühlst du dich wacher?"
„Ja."
„Na also. Ich werde jetzt auflegen und dich in einer Stunde wieder anrufen. In der Zeit wirst du Frühstücken und dich so weit fertig machen, dass du raus gehen kannst. Verstanden?"
„Ja. Wissen Sie, wo ich wohne?", fragt sie etwas beunruhigt, auch wenn es für Beunruhigung doch etwas spät ist.
„Das weiß ich, Kitty. Aber keine Sorge, ich werde nicht vor deiner Haustür auf dich warten. Vertrau mir." Er klingt amüsiert und doch beruhigen seine Worte sie irgendwie.
„Ok."
Das vertraute Piepen ertönt. Er hat die Verbindung unterbrochen. Sie lässt sich wieder auf ihr Bett fallen. Was passiert nur mit ihr?

Sie frühstückt in Ruhe, zieht sich an, macht sich die Haare. Ungeduldig sieht sie auf die Uhr. Die Stunde ist noch nicht ganz rum. Dass sie wirklich auf ihn wartet, ist eigenartig. Aber sie möchte wissen, was er vor hat. Möchte seine Stimme hören. Als plötzlich ihr Handy statt des Telefons klingelt und eine unbekannte Nummer anzeigt, zögert sie keine Sekunde.
„Dahlke?"
„Warst du etwa ungeduldig, Kitty?", fragt er amüsiert.
„Nein..."
„Du sollst mich nicht anlügen, Kleine", sagt er warnend, seine Stimme verursacht ihr eine Gänsehaut.
„Ein wenig."
„Na geht doch. Beschreib mir, was du anhast."
„Eine Jeans und einen schwarzen Pulli."
„Was trägst du darunter?"
„Ich-... Rote Unterwäsche", verrät sie zögerlich.
„Schöne Wahl, Kitty. Ich möchte, dass du den BH wieder ausziehst. Unter einem Pulli brauchst du ihn ohnehin nicht."
„Aber-", setzt sie an, doch er unterbricht ihren Protest.
„Kein Aber, Kitty. Du tust, was ich sage." Wortlos legt sie das Handy zur Seite und zieht ihren BH aus. Der raue Stoff des Pullovers scheuert leicht auf ihren Brustwarzen.
„Fertig."
„Du solltest dir angewöhnen, 'Sir' anzufügen. Gerade bei so kurzen Antworten, Kitty."
„Ok, Sir", erwidert sie leise. Sie fühlt sich etwas eigenartig dabei, aber nicht schlecht.
„Brav, Kitty. Jetzt hol deine Kopfhörer und steck sie an." Schweigend folgt sie seiner Aufforderung, steckt das Handy in ihre Tasche.
„Fertig, Sir."
„Sehr schön. Du solltest dir noch eine Jacke und Schuhe anziehen. Es ist kalt draußen. Und du wirst eine Tasche brauchen." Sie muss sich auf die Zunge beißen, um nicht 'Weshalb' zu fragen. Also holt sie sich bloß einen Rucksack und zieht Jacke und Schuhe an.
„Wo soll ich hingehen?"
„Wie war das?"
„Sie wollen, dass ich jedes mal ein 'Sir' anhänge?", fragt sie etwas ungläubig.
„Du wirst es tun", stellt er klar. Unzufrieden will sie widersprechen, lässt es dann aber.
„Ok, Sir. Wo soll ich hingehen?"
„Zunächst holst du das Geld aus deinem Briefkasten. Dann gehst du zum Supermarkt", erklärt er. Geld in ihrem Briefkasten?
„Waren Sie an meinem Haus, Sir?", fragt sie, ist sich unsicher, ob sie wirklich das Haus verlassen sollte.
„Ich bin schon wieder gegangen Kitty, keine Angst. Vertrau mir. Nimm das Geld." Nur zögerlich öffnet sie die Haustür, sieht sich prüfend um. Es ist niemand zu sehen, aber das muss ja nichts heißen.
„Kitty?"
„Ja, Sir?" Mit fahrigen Finger öffnet sie den Briefkasten und nimmt einen unbeschrifteten Umschlag heraus. Darin liegt ein zwanzig Euro Schein.
„Hast du das Geld?"
„Ja, Sir. Wieso geben Sie mir Geld?"
„Weil ich dich gleich anweisen werde, etwas zu kaufen. Steck es ein. Wenn dich Leute hören können, darfst du das 'Sir' weglassen, Kitty. Und jetzt mach dich auf den Weg", befiehlt er ruhig. Langsam geht sie los, schaut sich dabei immer wieder um.
„Kitty?", fragt er nach einer Weile. Sie hat es gerade erst bis zum Ende der Straße geschafft. Außer einem Jugendlichen, der auf der anderen Straßenseite mit einem Skateboard vorbeifährt, ist niemand zu sehen.
„Ja, Sir?"
„Wo genau bist du jetzt?"
„An der Straßenecke mit dem Stromkasten, Sir."
„Du läufst recht langsam. Hast du Angst?"
„Ein wenig, Sir", gesteht sie leise, während sie erneut einen Blick über die Schulter wirft.
„Ich beobachte dich nicht, Kitty. Ich werde dich erst bei dir zuhause besuchen, wenn du mich einlädst. Glaubst du mir?" Seine Stimme klingt ehrlich.
„Ich... Ich weiß nicht recht, Sir."
„Na gut. Nenn mir eine Zahl von eins bis fünf." Wieder will sie fragen, aber sie lässt es.
„Ähem.. zwei?"
„Und jetzt bleib stehen und sieh auf dein Handy. Nicht laufen und auf das Display schauen, verstanden, Kitty?", sagt er streng.
„Ja, Sir", murmelt sie und tut, was er sagt. Er hat ihr ein Foto seiner Hand geschickt. Darauf hält er zwei Finger hoch. Im Hintergrund ist eine weiße Tapete zu erkennen.
„Glaubst du mir jetzt, dass ich dich nicht beobachte, Kitty?"
„Ja, Sir. Danke." Sie ist erleichtert, steckt das Handy wieder in die Tasche, bevor sie weitergeht.
„Gerne, Kitty."
„Warum sollte ich Sie zu mir einladen, Sir?"
„Warum tust du, was ich dir sage? Das musst du doch wissen, Kitty. Aber ich kann natürlich nicht wissen, ob du mich einlädst. Ich bin mir bloß sehr sicher, dass du es tun wirst." Er lacht leise. Ein Schauer läuft ihr über den Rücken.
„Wieso sind Sie sich so sicher? Ich möchte Sie nicht einladen, Sir", erwidert sie heiser, räuspert sich unwillkürlich.
„Weil ich höre, wie deine Stimme klingt, wenn du mit mir sprichst. Und weil du immer noch mit mir redest, Schätzchen. Wo bist du jetzt?" Sie hat ihm nichts entgegenzusetzen. Worauf auch immer sie sich da eingelassen hat, indem sie nicht aufgelegt hat, jetzt ist es zu spät, um aufzuhören. Sie will nicht, dass es aufhört.
„Auf dem Parkplatz vom Supermarkt."

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