Kapitel 3

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"Du hast ja gesagt?"

Ich zuckte mit den Schultern und zog den Reißverschluss meiner Jacke bis unters Kinn. Es mochte vielleicht kein Winter sein, und doch war es so verdammt kalt.

"Er war immer nett zu mir und ich schätze, ich mag ihn.", erwiderte ich und Lydia neben mir sah mich zweifelnd an.

"Du hasst Partys, Eli."

"Danke für die Erinnerung, das weiß ich gerade noch so selbst."

Der Pausenhof war überfüllt - überall waren Leute verteilt. Viel zu viele, wenn es nach mir gehen würde.

Lydia blieb vor der Bank stehen, die unter dem riesigen Baum mitten auf unserem Schulgelände stand, und setzte sich. Die dunkle Farbe blätterte bereits ab - das Ding brauchte dringend einen Anstrich. So wie unsere gesamte Schule. Ich meine... Wir hatten nicht einmal Klopapier. Oder warmes Wasser. Oder Seife. Das klang gerade wirklich armselig.

"Sie werden alle trinken - und rauchen.", redete die Brünette weiter.

"Zayn ist auch da."

Wie ich erwartet hatte, verstummte sie und blickte sich verstohlen um, als würde er jeden Moment irgendwo auftauchen wie Batman und dann wieder verschwinden.

"Ich meine die Party, du verliebtes Huhn. Er wird auch anwesend sein."

Lydia faltete nervös ihre Hände und blickte zu Boden. Sie sprach nicht gerne darüber, dass sie in ihn verliebt war.

"Ich weiß, dass ich sowieso keine Chance bei ihm habe.", hatte sie einmal zu mir gesagt. Auch ich befürchtete leider, dass mein Bruder in ihr mehr eine weitere kleine Schwester sah, doch trotzdem wollte ich ihr nicht alle Hoffnung nehmen.

Ihr Blick heftete sich auf jemanden hinter mich und ich drehte mich in der Erwartung um, Zayn zu sehen. Dunkle Augen blitzten mich grimmig an, als ich ihn ansah. Sein Blick fuhr über mich, dann drehte Aidan sich einfach um und ging.

"Er wird auch da sein.", stellte meine beste Freundin fest, als die Klingel ansagte, dass die Pause zu Ende war.

"Leider schon", erwiderte ich und musste wieder an diesen Ausdruck in seinen Augen denken.
Purer Hass.
Was hatte ich ihm getan?

*

Ich schulterte meinen Rucksack und lief in den Klassenraum hinein, in dem ich jetzt Französisch haben würde. Lydia hatte dieses Fach vor der Oberstufe abgewählt und saß jetzt irgendwo ihre beiden Freistunden ab.
Irgendwie beneidete ich sie ein wenig, obwohl ich Französisch wirklich gerne mochte und dieses Fach auch schon immer gemocht hatte. Nur eine Tatsache störte mich. Okay, zwei.

Serafina van Teen und Aidan Negro waren in meinem Kurs.
Und ja, Aidan war so alt wie ich. Und war trotzdem mit meinem Bruder befreundet, der ein Jahr älter war. Wie es dazu gekommen war? Keine Ahnung, wirklich. Vielleicht sollte ich Zayn mal fragen.

"Elina, Süße, wie war dein Wochende?"

Ich rollte mit den Augen. Diese Nummer kannst du dir echt sparen, Schlange, dachte ich.

"Gut und deines?" Ich lächelte das falsche Lächeln, das auch Serafina mir schenkte und setzte mich an meinen Platz in der ersten Reihe.

"Ich war so viel unterwegs. Am Samstag waren wir in Amsterdam und eigentlich wollten wir noch nach Paris, aber leider wurde der Flug gestrichen."

"Wie schade", murmelte ich und blickte nach vorne. Wo war die Lehrerin, verdammt? "Wo ist eigentlich dein Anhängsel?"

Sie sah mich irritiert an. "Anhängsel?"

"Fiona meine ich natürlich."
Natüüürlich...

Fiona folgte Serafina auf Schritt und Tritt und tat alles, was Letztere von ihr verlangte wie ein braves Schoßhündchen. Oder eine Sklavin. War beides keine schöne Bezeichnung für einen Menschen.

Serafina rollte mit den Augen. "Sie ist krank."

"Lève-vous. Bonjour."
Endlich.

Zufrieden beobachtete ich, wie Serafina auf ihren Platz zuging, und stand auf.

"Bonjour Madame", sagten wir alle im
Chor und ich war froh, dass meine Mitschüler gelernt hatten, bei der Begrüßung nicht zu singen wie im Kindergarten.

"Asseyez-vous et ouvrez le livre à la page trente-deux."

Madame Musso war tatsächlich Französin und ich fand ihre Aussprache und die Art, wie sie gestikulierte, einfach nur beeindruckend. Wie sie es gesagt hatte, schlug ich das Buch auf der Seite zweiunddreißig auf.

Dabei glitt mein Blick zu dem leeren Platz neben mir. Normalerweise saß hier Dan - ein ganz guter Freund von mir. Wahrscheinlich war er heute krank. Ich seufzte und folgte weiter dem Unterricht.

Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, die vorher scheinbar nur angelehnt gewesen war, und schlug mit voller Wucht gegen die Wand dahinter. Erschrocken zuckte ich zusammen.
Unbeeindruckt trat Aidan ein und suchte den Raum mit dem Blick ab, der einen kurzen Moment an mir hängen blieb. Ich sah auf das Buch vor mir. Er schaffte es nicht einmal, pünktlich zum Unterricht zu kommen.

Wahrscheinlich hatte er Besseres zu tun, dachte ich und mir kamen die ganzen Mädchen in den Sinn, die ihn förmlich anschmachteten. Ekelhaft. Hatten sie denn gar kein Selbstwertgefühl? Sie rannten ihm hinterher wie die Motte auf das Licht flog. Und er ließ sie immer wieder kalt abblitzen. Jede einzige.
Madame Musso sah ihn überrascht an. Ihr Blick war selbst jetzt noch freundlich und ich fragte mich, ob nicht alle Lehrer so sein konnten. Freundlich.

"Tu es trop tard.", war alles, was sie zu ihm sagte, bevor er durch die Reihen ging und direkt hinter mir Platz nahm.
Hatte er schon immer dort gesessen? Wahrscheinlich schon.

*

"Du glaubst nicht, was ich gerade erfahren habe!", überfiel Lydia mich, die vor dem Raum, in dem ich eben Französisch gehabt hatte, auf mich gewartet hatte.

Ich warf mir den Rucksack lässig über meine Schulter. "Was?"

Französisch war relativ schnell vergangen und hatte mir den Gedanken an diese miese Mathearbeit ein wenig leichter gemacht. Und auch das Gespräch zwischen Aidan und mir hatte ich somit verdrängt. Und jetzt fragte ich mich wieder, was zur Hölle dieser Typ eigentlich von mir wollte und was ich ihm denn seiner Meinung nach getan haben sollte.

"Am Sonntag findet ein Rennen statt. Irgendwo außerhalb der Stadt. Nachts."

Ich runzelte die Stirn. "Ist das legal?"

"Nein."

"Und was ist jetzt das Interessante daran? Wo ist der Haken, Lydia?", fragte ich immer noch sichtlich irritiert. Ein illegales Rennen? Der Gedanke konnte nur von den Idioten aus Zayns Stufe kommen.

Sie atmete aus. "Zayn fährt auch."

"Was?!"

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