Kapitel 18

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Zayn sah mich irgendwie überrascht und irritiert zugleich an und ich bedeutet ihm, still zu sein. Ich konnte seine Reaktion verstehen; aus dem Nichts hatte ich plötzlich angefangen zu telefonieren, ohne ihn vorzuwarnen. Wahrscheinlich würde ich an seiner Stelle genauso blöd aus der Wäsche gucken.

"Parker", sagte diese tiefe, mich so sehr nervende Stimme am anderen Ende der Leitung.

"Was willst du?"

"Du hast mein Buch eingesteckt."

Irritiert sah ich Zayn an, der immer noch auf meinem Bett saß, und nun nur ratlos mit den Schultern zuckte. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal eine Ahnung, was jetzt wieder mein Problem war.

"Welches Buch?" Ich konnte mich in diesem Moment nicht entsinnen, zwei Bücher in Biologie eingesteckt zu haben. Das wäre mir doch sicher aufgefallen - oder nicht?

Ein Schnauben.

"Was genau ist jetzt wieder dein Problem? Ich habe dein beschissenes Buch nicht!"

"Kannst du einfach deinen Hintern heben und nachschauen?"

Dieser respektlose, arrogante-

"Natürlich", erwiderte ich zuckersüß, rührte mich jedoch nicht vom Fleck. Pff. Dieses Arschloch hatte mir überhaupt nicht zu sagen, was ich tun sollte. Was dachte er sich, wer er war? "Wieso bist du eigentlich so fixiert auf meinen Hintern?", fragte ich ihn dann nach einer Weile leise. In gefühlt jedem Satz, der aus seinem frechen Mundwerk kam, spielte mein Hintern auf irgendeine Art und Weise eine Rolle. Was zur Hölle war also falsch mit diesem Typen?

Zayn spielte währenddessen irgendein Spiel auf seinem Handy und war scheinbar so sehr darin vertieft, dass er nicht einmal zu mir aufblickte, als ich aufstand und durch den Raum tigerte. Wenn ich telefonierte, konnte ich nicht still sitzen. Ich musste unbedingt irgendwie in Bewegung sein. Keine Ahnung, weshalb. Scheinbar hätte ich gar nicht flüstern müssen, als ich über meinen Hintern geredet hatte. Wie auch immer.

"Ich bin ein Mann."

"Du bist kein Mann, du bist ein männliches Wesen namens Affe."

"Und du bist so faul wie-"

"Wie wer?", warf ich dazwischen.

"Keine Ahnung, es gibt niemanden, der so faul ist, als dass ich ihn mit dir vergleichen könnte."
Ich konnte seinen eiskalten Blick praktisch auf meiner Haut spüren und das arrogante Grinsen auf seinen Lippen vor meinen Augen sehen.

"Witzig. Ich kann nicht mehr vor Lachen. Ha. Ha. Ha."

"Ja, ich weiß, ich bin witzig." Ich hatte das Gefühl, dieser Typ würde nach diesem Satz zwinkern, wenn wir und gegenüber stehen würden. Er sprühte nur so vor Selbstbewusstsein.

Liebe Kinder, falls ihr euch jemals fragen solltet, wie viel Selbstbewusstsein zu viel ist - das hier ist zwei Tonnen zu viel.

"Und wie"

"Kein Wunder, dass du mir nicht widerstehen kannst." Und dann wären wir wieder beim Punkt Selbstbewusstsein beziehungsweise Selbstverliebtheit.
Meine Augen fielen fast aus meinem Kopf, so weit hatte ich sie aufgerissen, nachdem er das gesagt hatte.

Was zur Hölle?!
Was genau war bei seiner Geburt mit seinem Gehirn und seinem Verstand geschehen?

"Du würdest dich wundern, dass ich es doch bestens kann."

Sein kehliges Lachen drang zu mir. "Na das will ich sehen."

"Halt einfach den Rand und ruf mich nicht wieder an."

"Gern."

Heilige Makrele. Wie konnte jemand nur so sehr nerven?

Irgendwann... Irgendwann wird er Gift in seiner Limonade vorfinden, ähnlich wie in Schillers "Kabale und Liebe" - nur dass ich mich nicht auch noch vergiften werde. Und dann werde ich diejenige sein, die dumme Scherze macht, die nicht im Geringsten witzig sind.

Ich blickte in meinen Spiegel und drehte eine Haarsträhne um meinen Finger. Ein Haarschnitt wäre nicht schlecht. Vielleicht eine neue Frisur, einen neuen Style?

"Ist das alles?", fragte ich gelangweilt, nachdem auch Negro nichts mehr gesagt hatte.

"Nein."

Ich schnaubte. "Was denn noch?"

Einen Moment lang sagte er nichts, bis er endlich einen Satz hervor brachte: "Morgen nach der Schule vor dem Haupteingang."
Und dann legte er auf und ließ mich mal wieder verdutzt und mit Millionen von Fragen im Kopf zurück. Okay, Millionen war übertrieben. Eigentlich waren es nur drei.
1. Was zum Geier sollte das?
2. War das Treffen zum Vorbereiten des Referats?
3. Darf man einen Keller graben (wenn man keinen im Haus hat), um dort die Leiche zu verstecken?

"Lass mich raten. Es war Aidan." Zayn hatte das Smartphone zur Seite gelegt und musterte mich nun aus seinen blauen Augen. Hatte er das Gespräch doch mitbekommen?

Ich lächelte übertrieben süß. Der Typ hatte mir meine ganze gute Laune sowas von versaut. "Ja, mein Lieblingsarschloch von deinen Freunden."

Er lachte leise. "Du kannst ihn wirklich nicht leiden, oder?"

Ein wenig empört sah ich ihn an. "Im Ernst? Er hat dich ins Krankenhaus gebracht und ist mit nichts als einer gebrochenen Nase - stopp, sie ist nicht mal gebrochen - davon gekommen!"

Und er redet definitiv zu viel über meinen Hintern, wollte ich noch sagen, doch ich beließ es dabei. Zayn würde ausrasten. Und das war für keinen der Beteiligten gut oder gar sicher. Auch, wenn ich es Negro wünschte, dass mein Bruder ihn endlich mal nicht verteidigte.

Zayn rollte mit den Augen. "Er hat es nicht mit Absicht gemacht." Zum Thema verteidigen...

"Nein, nur um zu gewinnen."

Mein großer Bruder seufzte. "Hör zu, Eli. Ich möchte nicht schon wieder mit dir streiten. Deswegen... Belassen wir es einfach dabei, dass er weiterhin mein Kumpel ist und dass du ihn nicht... magst. Okay?"

"Dass ich ihn auf den Tod nicht ausstehen kann."

Er schüttelte den Kopf und schmunzelte. "Oder so."

*

Als ich Caleb die Tür geöffnet hatte, weil er heute wieder bei uns zu Abend aß, holte ich meinen Rucksack aus der Ecke hervor, in die ich ihn zuvor gepfeffert hatte, und als ich erkannte, wessen Buch ich da in der Hand hielt, hörte ich für einen Moment damit auf, zu denken. Negros Buch. Natürlich. Und er... er musste dann meins haben. Er hatte also tatsächlich nicht gelogen. Wow, was war tatsächlich etwas, womit ich heute nicht mehr bei unserem Pinocchio-badboy gerechnet hätte. Alias Voldemort.

"Hallo Irina" Caleb begrüßte unsere Mutter fast wie seine eigene und sie lächelte und deutete ihm, sich zu setzen.
Dieser sah sich jedoch suchend im Haus um. "Wo ist denn unser Krüppel?"

Ich lachte. "Er spielt Verstecken."

Caleb lachte und stürmte regelrecht ins Wohnzimmer, als er von dort Schüsse aus dem Videospiel hörte, das Zayn gerade an seiner brandneuen PS5 zockte, die aus. - Mums und mir - unbekannten Gründen nicht in seinen Zimmer sondern hier, im Wohnzimmer, stand.

"Du siehst ja scheiße aus, Mann.", hörte ich Caleb sagen, der natürlich wieder die richtigen Worte gewählt hatte, um jemandem ein Kompliment zu machen. Ach, das tat Zayns Ego sicher ganz gut.

"Na vielen Dank auch."

Den Rest bekam ich nicht mit, denn Mum begann, mit dem Geschirr zu klappern - ein Zeichen, dass ich aufhören sollte, zu spionieren, und ihr stattdessen lieber helfen sollte, den Tisch zu decken.

Zerschmettert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt