Kapitel 11

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[Alice Weidels POV]

Um jeden Preis versuchte ich, die Fassung zu bewahren. Annalenas Tränen machten das nicht leichter. Ich wollte es doch genauso... Ich würde viel geben, um irgendeine Person irgendwo in Berlin zu sein und Hand mit meiner Freundin durch die Stadt zu schlendern. Doch ich war nun mal Alice Weidel und sie war Annalena Baerbock. Ich wollte nicht, dass sie ihre politische Karriere opferte... für mich. Und um ehrlich zu sein, hatte ich zu viel geopfert, um meine Laufbahn in der Politik mir nichts, dir nichts an den Nagel zu hängen. Irgendwann vielleicht... aber nicht jetzt, nicht heute, nicht hier.

Annalena richtete sich auf, rutschte ein Stück von mir weg und umfasste ihre Knie mit den Armen. Sie sah elend aus. Woher hätte ich wissen sollen, dass das so an ihr nagte? Ich wollte sie nicht verletzen und erst recht wollte ich sie nicht verleugnen. Aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Egal was ich nun tat, es würde Auswirkungen haben, und ich entschied mich, die schlimmsten Folgen abzuwenden, auch wenn das bedeutete, Annalenas Wunsch abzublocken. Ich wollte mich schützen, keine Frage. Aber vor allem wollte ich sie schützen. Sie hatte im Wahlkampf genug durchgemacht, noch einen Shitstorm wollte ich ihr nicht zumuten.

„Hör zu, Annalena." Ich atmete tief durch. „Lass uns das nicht jetzt besprechen. Ich fahre morgen in die Schweiz und kläre das mit Sarah. Lass dir das alles noch einmal durch den Kopf gehen. Ich glaube du willst genauso wenig wie ich, dass unsere Karrieren beendet sind. Überleg dir, ob es dir das wert wäre." Ich stand auf, küsste Annalena auf die Stirn, während ich ihr sanft die Haare aus dem Gesicht strich und ging.


[Annalena Baerbocks POV]

Ich hörte, wie die Wohnungstür zuschlug. Ich war alleine. Die Tränen brachen aus mir heraus. Ich wusste, dass mein Wunsch ein unerfüllbarer war. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte. Alles, nur nicht das. Ich hatte nicht zu viel verlangt, nur ein kleines bisschen Normalität. Das, was Menschen wie uns vergönnt war. Doch mehr als mit Alice händchenhaltend durch die Birkenallee in meiner Straße zu laufen, wollte ich, dass Alice bei mir war. Meine Wohnung hatte sich noch nie so groß und gleichzeitig so leer angefühlt. Ich hatte nicht gewollt, dass sie ging, ich wollte, dass sie blieb. Für immer.

Eine halbe Ewigkeit lag ich aufgelöst auf der Couch. Mein Kopf war inzwischen vollkommen leergefegt und draußen war es dunkel geworden. Mein Handy gab ein summendes Geräusch von sich. Ein Anruf. Ein Fünkchen Hoffnung brachte mich dazu, mein Deckenlager auf der Couch zu verlassen und schnell zur Küchentheke zu huschen. Vielleicht war es Alice. Ich hoffte es, ich glaubte für einen Moment fest daran, bis ich den Bildschirm betrachtete und Roberts Namen darauf las. Nein, ich konnte gerade kein Telefongespräch führen. Wenn es wichtig war, würde es noch einmal anrufen, redete ich mir ein und legte das immer noch brummende Handy wieder zurück auf die Küchentheke.

Insgeheim hoffte ich, dass Alice nicht gefahren war, doch als ich am nächsten Tag unter einem Vorwand fragte, ob Frau Weidel im Büro sei, wurde es verneint. Sie war wirklich in die Schweiz gefahren. Mein Magen zog sich zusammen. Sie war wirklich weg. Sie hatte mich mit meinen Gefühlen allein gelassen.

Verbotene Koalition || Baerbock x WeidelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt