Kapitel 14

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[Alice Weidels POV]

Ich richtete den Kragen meiner weißen Bluse, schloss den Knopf meiner dunkelblauen Bluse und biss mir auf die Unterlippe. Ich hätte nie gedacht, dass es mich nervöser machte, zurück nach Berlin zu kommen, als in die Schweiz zu fahren. Und dennoch war ich hier. Der Aufzug hielt, als ich die richtige Etage erreicht hatte und mit großen Schritten lief ich den menschenleeren Gang entlang. Es war still, bis auf das Klackern meiner Absätze auf dem glattpolierten Boden. Es war früh. Zu früh für die meisten Politiker. Man könnte es kaum glauben, doch auch die meisten Politiker taten nicht mehr als sie mussten, vor allem wenn es ums frühe Aufstehen ging. Insbesondere Grünen-Politiker. Umso auffälliger war es vermutlich, dass ich entschlossen Annalena Baerbocks Büro ansteuerte, denn irgendetwas sagte mir, dass sie so früh schon hier war.

Doch vergebens. Auf das Klopfen an ihrer Tür folgte keine Antwort. Ich merkte, wie sich Enttäuschung in mir breit machte. Ich klopfte ein letztes Mal. Fest, fast hämmernd, verzweifelt. Keine Antwort. Mit einem Seufzten machte ich auf dem Absatz kehrt.


[Annalena Baerbocks POV]

Ich konnte meinen Augen kaum trauen. Da war sie, nur ein paar Meter von mir entfernt, am anderen Ende des Flurs. Direkt vor... meinem Büro? Wollte sie etwa zu mir? Mein Herz begann unaufhörlich in immer schnelleren Rhythmen zu schlagen. Ich musterte sie aus der Ferne. Ihre Haare waren zu einem strengen Dutt gebunden, wie immer. Auch den dunkelblauen Blazer und die schwarze Jeans kannte ich schon zu gut. Kein Zweifel, das war Alice Weidel, wie ich sie kannte. Plötzlich traf sich unser Blick. Über ihre Lippen breitete sich ein Lächeln aus, das konnte ich sogar von hier erkennen. Ich wollte zu ihr. Wenn ich könnte, wäre ich geradezu auf die zu gerannt, um meine Arme um ihre Taille zu schlingen und die Wärme ihres Körpers an meinem zu spüren. Alle Zweifel und Ängste, die ganze Wut und Trauer der letzten Tage waren wie weggeblasen, ich wollte Alice und nichts anderes. Reiß dich zusammen, Annalena, ermahnte ich mich selbst. Ich lief auf sie zu und versuchte dabei, so normal wie möglich zu wirken. Sie tat es mir anscheinend gleich.

Beinahe bei ihr angekommen, hörte ich plötzlich eine mir nur zu bekannte Stimme. „Annalena! Hast du kurz eine Minute für mich?" Es war Robert, neben ihm Christian Lindner mit einem Stapel Unterlagen in der Hand. Na toll. Auch Alice schien zu bemerken, dass unser Wiedersehen warten musste. „Natürlich, Robert.", antwortete ich, doch ich lies es mir nicht nehmen, Alice' eisblaue Augen fest zu fixieren, bevor ich mich Christian und Robert zuwandte. Der Blick der blonden AfD-Politikerin schien Bände zu sprechen. Es war eine Entschuldigung, vermutlich, aber viel mehr eine Kostprobe auf das, was mich erwartete, wenn wir endlich eine ruhige Minute finden würden. Ihr Augen funkelten. Als ich keinen halben Meter entfernt an Alice vorbei ging, strich sie – unauffällig und kaum spürbar – über meinen Handrücken. Die Berührung fühlte sich an, wie ein Feuerwerk auf meiner Haut, so sehr hatte ich sie vermisst. Ich wollte mehr, doch zuerst erwartete mich eine Besprechung. Und dann noch eine. Und eine Plenarsitzung, das volle Programm. Es dauerte nie nur ein paar Minuten, wenn Robert das sagte, das hatte ich in meiner Zeit als Politikerin gelernt.

Verbotene Koalition || Baerbock x WeidelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt