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Der Zeitpunkt war gekommen, alles war bereit. Das Wohnzimmer war perfekt geschmückt und sauber, der Tisch war gedeckt, meine Tante strahlte über das ganze Gesicht, so wie mein Onkel. Und Nina und ich? Wir nicht. Ich zwang mir zwar ein Lächeln auf, doch alle im Zimmer wussten, dass es nicht echt war. Nina lächelte gar nicht. Sie versuchte es aber auch nicht einmal, sondern schaute einfach steif auf den Boden hinunter.

Tante Elizabeth hatte mir ein wunderschönes, festtagliches Sonntagskleid gegeben, mir später beim Ankleiden geholfen, meine dunklen Haare in eine Flechtfrisur verwandelt und jetzt stand ich hier mit zitternden Beinen und diesem lächerlichen Grinsen.

„Nina", zischte meine Tante als diese laut seufzte, während wir still dort im Raum versammelt waren und auf die mysteriösen Besucher warteten. Ich fühlte den Boden unter meinen Füßen, spürte die dicke Luft an meinem Nacken, den Händen und dem Gesicht, ich spürte die Blicke der anderen auf mir.

So warteten wir einige Zeit still im Wohnzimmer, bis wir das laute Klappern der Pferde, die Rufe des Kutchers und das Klopfen an der Tür hörten. Hilfe, dachte ich, das war mein Ende. Ich wollte weglaufen, irgendwo anders hin.

Onkel Alexander ging zur Tür durch und holte die Fremden herein. Er begrüßte sie laut und ehrfürchtig, immerhin hatten wir einen niedrigeren Stand als sie. Und während Onkel Alexander mit den Gästen eintrat, dachte ich endgültig, ich müsste auf der Stelle umkippen. Mein ohnehin schon blasses Gesicht wurde sicher noch ein wenig blasser, als ich in das fast ausdruckslose Gesicht des jungen Mannes und seiner Familie schaute. Der Boden fing an, zu schwanken und ich kam erst wieder richtig zur Besinnung als Tante Elizabeth in mein Ohr zischte, so wie sie es öfters mal tat wenn ich aus der Fassung gebracht wurde. „Benimm dich!", sagte sie so leise und unhöflich wie sie nur konnte und meine Nackenhärchen stellten sich sofort auf. Ich zuckte leicht mit dem Kopf noch vorn und nickte dann schnell. Mich leicht herunter beugend zeigte ich unseren Gästen meine Höflichkeit und sah erst jetzt das mich der junge Mann von oben bis unten musterte. Ich erschrak bei seinem Blick und bekam sofort wieder Angst. Das kann doch nicht euer Ernst sein, dachte ich an Onkel Alexander und Tante Elizabeth, während auch ich den Mann beäugte. Er trug normale Sonntagskleidung, nur das seine sicher teurer war als meine, und seine Haare waren von einem sehr hellen Braun, fast wie die Haare von Nina. Ich konnte von meinem Platz aus nicht die Augenfarbe von ihm ausmachen, doch seine Augen mussten sehr dunkel sein. Er war groß gebaut, bestimmt größer als ich es war. Und mit dem hier musst du vielleicht dein ganzes Leben verbringen, ein Haus teilen, und den Haushalt tun, erinnerte ich mich wobei mich ein Schaudern überkam.

Nun bemerkte ich, dass seine eher kleine Mutter, mit den gleichen, hellen Haaren wie er, mir ihre kleine Hand hinhielt und ich schüttelte sie irritiert.

Als Nächstes begrüßte jeder im Raum jeden, nur Nina stand lautlos in der Ecke und blieb dort auch als sich alle an den Tisch setzten.

Julian Bennett, so hieß er. Graf und Gräfin Bennett, die anscheinend keine Vornamen hatten, oder sie uns einfach nicht nennen wollten, redeten die ganze Zeit mit meinem Onkel und meiner Tante. Ich hatte irgendwann aufgehört, zuzuhören, doch als ich jetzt hörte, wie Graf Bennett sagte: „Ist sie stumm oder warum steht sie nur so dumm und still in der Ecke herum?", womit er eindeutig Nina meinte, kam er mir immer unsympathischer vor. Er hasste mich anscheinend auch, so wirkte es jedenfalls, als er mich mit diesen Blicken ansah, die nichts Gutes bedeuten konnten.

Und während Nina schweigend aus dem Zimmer ging, was ich ihr nicht verübelte, verschloss ich wieder meine Ohren und ließ meine Gedanken einfach nur durch meine eigene kleine Welt streifen. Zwischenzeitlich spürte ich immer wieder mehrere paar Augen auf mir ruhen doch ich hörte nichts mehr, außer meinen Gedanken.

RebeccaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt