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Louis hatte mir vieles erzählt. Zum Beispiel, dass unsere Mutter, wie Tante Elizabeth schon vermutet hatte, in eins der Nachbarreiche gegangen war. Dort hatte sie auch für lange Zeit mit meinem Bruder gelebt, bis sie vor nicht allzu langer Zeit einfach verschwunden war. Mein Bruder hatte erst einmal lange nach ihr gesucht, dann aber aufgegeben, und sich ein neues Ziel gesetzt: Er wollte mich finden. Zum Einen, weil er hoffte, Mutter wäre zu mir zurückgekommen, zum Anderen, weil er mich unbedingt kennenlernen wollte. Immerhin war ich seine, wie er gesagt hatte, ihm weggenommene, kleine Schwester. Er hatte also wochenlang versucht, nun auch noch mich zu finden. Ich hätte überall sein können, aber er hatte mich hier gefunden.

Er hatte auch erzählt, dass es gar nicht so einfach gewesen war, aus dem Land zu fliehen, um mich zu finden, denn er war einer von tausend Soldaten gewesen, doch diese konnten nicht einfach gehen wann sie wollten. Am Ende hatte er es aber ja geschafft, wie man sah.

Erst spät in der Nacht war ich nach Hause zurückgekehrt. Alles hatte geschlafen, ich hatte mich nur noch schnell umgezogen und in mein Bett gelegt, dann war ich auch schon am schlafen gewesen.

Louis und ich hatten uns jetzt immer öfter getroffen, zwischen den einzelnen Treffen hatte er immer wieder versucht, unsere Mutter wiederzufinden, hatte aber noch nicht mal einen Ansatz entdeckt.

Bis zur Hochzeit würde es jetzt nicht mehr lange dauern, es handelte sich nur noch um wenige Wochen, höchstens zwei. Alles war fertig geplant und bestellt, es waren Absagen und Zusagen von den Gästen gekommen, und das Fest konnte kommen, nicht? Nein, ich war nicht bereit. Ich wollte mich nicht festbinden, hatte ja sogar Angst vor der Hochzeit. Und heute war ein ganz besonderer Tag: Ich würde Julian noch einmal treffen. Aber heute würde er nicht wieder zu mir kommen, ich würde ihn dieses Mal besuchen gehen, und zwar dort, wo schon bald mein neues Zuhause sein würde.

Inzwischen saß ich schon länger in der Kutsche zu den Bennetts. Ich war allein unterwegs, weder meine Tante, noch mein Onkel, noch sonst jemand anderes waren bei mir. Der Kutscher zählte nicht. In dem Sitzraum der Kutsche war viel mehr Platz als in den Kutschen, in denen ich zuvor gewesen war, und jetzt kam auch noch hinzu, dass ich allein fuhr. Von außen war die Kutsche dunkel bemalt, von innen aber war sie in alle möglichen Goldtöne gehüllt, was nicht sehr entspannend wirkte. Es wirkte eher ziemlich irreführend, nur diese hellen, grellen Wände zu sehen, und ich war richtig erleichtert, als die Kutsche nach weiterer, langer Zeit endlich hielt.

Als man mir heraus half, und ich zum ersten Mal das Anwesen der Bennets sah, war ich richtig erschrocken. Wie groß das Haus war! Es sah aus wie ein kleines Schloss. Ich musste erst einmal schlucken. Und der Garten erst! Der Garten war bestimmt doppelt so groß wie der Park bei mir Zuhause in der Nähe und ich wunderte mich, wie dann erst ein Königsschloss mit Garten aussehen mochte.

Als ich dann zum Eingang geführt wurde, machte mir eine zarte, junge Frau die Tür auf. An ihrer Kleidung sah ich, dass es sich eigentlich um eine Köchin handeln musste. Warum sie dann wohl die Tür öffnete, wenn sie doch eigentlich in der Küche zu stehen hatte? Mich wunderte noch vieles mehr in und an diesem Haus.

Als sich Julian dann endlich zeigte, war schon wieder viel Zeit vergangen. Er sagte zwar, dass er sich freute, dass ich da war, doch so sah es für mich eher nicht aus. Er gab sich nicht mal die Mühe, mir ein Lächeln zu schenken, mir wäre auch egal gewesen, ob es echt oder nur aufgesetzt gewesen wäre, doch da kam rein nichts. Sofort spürte ich diesen Splitter in meinem Herzen, beachtete den leichten Schmerz aber gar nicht richtig. Julian schlug vor, wir könnten in den Garten gehen, dort würden wir ungestört sein und könnten Verschiedenes besprechen. Mir war das egal, wenigstens wir machten überhaupt etwas, anstatt nur nebeneinander herumzustehen und nichts zu tun.

RebeccaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt