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Die Tage vergingen wie im Flug, für mich rückte der eine Tag immer näher: meine Hochzeit. Ich wurde jeden Tag mit dem schmerzvollen Gedanken wach, einen Tag näher an der Hochzeit zu sein. Alle eilten hin und her, alle bereiteten alles Mögliche vor und ich sah einfach nur zu. Meine Gedanken waren voll mit Bildern von mir in diesem Kleid aus verschiedensten Grau- und Schwarztönen, dazu kam noch dieses helle, leuchtende Weiß. Ich sah den Raum vor mir, wo die Hochzeit stattfinden würde, voll mit reichen Leuten, und hätte in Tränen ausbrechen können. Jeden Tag wurde es schlimmer. Es lag an dieser Familie, ich mochte sie überhaupt nicht, sie waren alle seltsam.

Ich wurde immer nervöser, bei jedem Handgriff schaute ich verwundert auf meine zitternden Arme und Hände und fühlte mich krank. Warf ich einen Blick in den Spiegel, schauten mir funkelnde grüne Augen mit dunklen Schatten darunter entgegen, die blasse Haut wirkte noch bleicher als sonst, die Haare wollten einfach nicht gekämmt bleiben.

Und dann, eines Morgens, ganz plötzlich, wachte ich auf und dachte sofort: morgen. Morgen werde ich heiraten müssen.

Nina, die sonst immer viel länger schlief, als ich, lag nicht mehr in ihrem Bett, direkt neben meinem. Das fiel mir als Erstes auf, ich machte mir aber keine weiteren Gedanken mehr darüber. Stattdessen zog ich mir langsam mein ältestes Lieblingskleid an. Es war wieder einmal ein Grünes. Ich liebte die Farbe Grün. Das Kleid war eng geschnitten, reichte früher einmal fast bis auf die Erde hinunter, nun aber nur noch bis hin zu den Knien, und an der Taille war es noch einmal mit einigen Stoffbändern geschnürt. Meine Haare steckte ich lose zusammen und als Letztes zog ich mir meine Stiefel an.

Hunger hatte ich keinen, so konnte ich mir sparen, mich extra noch mit irgendetwas vollzustopfen und machte mich auf geraden Weg hin zur Bäckerei in der Stadtmitte. Oben über der Bäckerei war nämlich das Haus von Mathilde und ihrem Mann und ich brauchte jetzt unbedingt jemanden, der mir weiterhalf. Außer Mathilde kam da niemand in Frage, ich hatte keine anderen Freunde und mit Nina konnte man über so etwas einfach nicht sprechen, sie war dann doch noch etwas zu jung. Abgesehen davon wäre sie ja sowieso nicht dagewesen.

Das Wetter war seit Langem mal wieder sonnig und warm, zum Glück hatte ich mir keinen Mantel mitgenommen. Ich begegnete vielen Anderen, die gerade auf einem schönen Wochenendspaziergang unterwegs waren. Aber jeder, dem ich begegnete, schien glücklich zu sein, sich über irgendwas Bestimmtes sehr zu freuen und zu lachen. Und dann kam ihnen so jemand wie ich entgegen, mit einer Miene auf dem Gesicht, als wäre mir gerade ein wichtiger Mensch davon geschieden.

So ging ich ab jetzt nur noch mit gesenktem Kopf weiter, wollte niemand mehr ins Gesicht schauen müssen.

Mit schnellen Schritten näherte ich mich dem Marktplatz, welcher um diese Uhrzeit immer recht gefüllt war. Um niemanden anzurempeln, was nahezu unvermeidlich war, hob ich nun doch wieder den gesenkten Kopf, und während ich für einen kurzen Augenblick gedankenverloren auf einen Punkt in der Ferne geschaut hatte, fiel er mir sofort auf. Der Graf lief mit eiligem Schritt durch die Menschenmenge, sich immer wieder wie wild umschauend. Das wäre nicht ganz ungewöhnlich gewesen, wenn dort nicht diese junge Frau neben ihm hergelaufen wäre, dann plötzlich seine Hand nahm und sie immer wieder mit Küssen übersäte, und ihn irgendwie dankbar und hocherfreut anlächelte. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, das war ja wohl nicht war. Sicher war, dass diese junge Dame nicht die Gräfin war und, dass die Gräfin auch bestimmt nichts von diesem Treffen wusste. Ob sie sich öfters trafen, fragte ich mich, sie sahen so vertraut miteinander aus, die Art, wie sie den Grafen anlächelte, ihm in die Augen sah. Ob Julian davon wusste? Von dem Grafen hätte ich jedenfalls auch nichts Anderes erwarten können. Und dabei hatte er mich doch bei unserem letzten Treffen schwören lassen, Julian niemals zu betrügen! Er durfte aber seine Frau betrügen, oder wie? Nicht, dass ich unbedingt überhaupt irgendjemanden betrügen wollte, nur fair war das ja nicht gerade. Ich merkte leicht, wie mir jemand heftig mit dem Ellenbogen in den Brustkorb stieß. Ich war stehengeblieben, den Schmerz spürte ich gar nicht. Graf Bennett hatte sich jetzt rückwärts umgedreht und alle Richtungen mit den Augen abgesucht. Ich hätte mich vielleicht ducken sollen, vielleicht hätte es auch gereicht, wenn ich meinen Kopf nur gesenkt hätte, aber sein Blick blieb genau an meinem hocherhobenen Kopf haften. Sein eiskalter Blick streifte mich. Ehe ich es wirklich begreifen konnte, spürte ich ganz plötzlich nicht nur den verspäteten Schmerz des Rippenstoßes, sondern auch sehr schlimme Kopfschmerzen. Vor meinen vor Angst und Schreck weit aufgerissenen Augen wurde es auf einmal dunkel. Alles wurde ganz schwarz. Eine letzte Erinnerung an ein helles, eiskaltes Augenpaar, da wurden meinen Glieder schlaff und ich sank zu Boden. Die Leuten vor, neben und hinter mir störten sich gar nicht daran, dass dort gerade jemand in Ohnmacht gefallen war, so was passierte ständig. Sie liefen einfach um meinen fast wie schlafend aussehenden Körper vorbei und nur ein dunkelhaariger, junger Mann in einem zerknitterten schwarzen Anzug und mit einem großen Hut auf dem Kopf sank sachte vor mir auf die Knie, hob meinen Körper hoch und strich mir das Kleid glatt. Schnell schaute sich mein Bruder um, bemerkte dabei nicht, dass er von zwei Gestalten, welche am Eingang zu einer kleinen Gasse standen, beobachtet wurde, und trug mich schnell und leise davon.

RebeccaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt