3.
Die nächsten Tage vergingen schnell. Es stand fest: Tante Elizabeth und Julians Mutter würden ihren Willen bekommen, denn die Hochzeit würde stattfinden. Mich ließ das kälter als erwartet, mir war es sogar weitestgehend egal, und das wiederum erschrak mich sehr. Was nicht nur mich wunderte, aber dennoch erfreute, war, dass wir keine Verlobung feierten. Alles kirchliche regelten meine Tante, zusammen mit der Gräfin. Mir kam es so vor, als würde ich diese Tage alle nur Träumen, es kam mir alles andere als real vor.
Als ich an einem sonnigen Mittwochnachmittag in die Bäckerei mitten im Dorf ging, der erste Besuch von den Bennetts war jetzt schon fast zwei Wochen her, war ich mal wieder tief in Gedanken versunken. Ich dachte nicht an all die Dinge, die ich mir merken musste, welche meine Tante aus der Bäckerei haben wollte, sondern an meine Hochzeit. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie stattfinden würde, es war schon alles geplant und geregelt. Selbst einen Auftrag beim Schneider hatte Tante Elizabeth schon in aufgegeben und ich würde ein viel zu teures, elegantes, helles Hochzeitskleid bekommen und tragen müssen. Es waren auch schon die Einladungen verschickt worden, schließlich mussten sie noch rechtzeitig ankommen. Viele Adelige würden kommen, die Bennetts waren nicht nur irgendwelche Grafen. Ich hatte keine große Familie, von meiner Verwandtschaft würden nur meine Tante, mein Onkel, meine Cousinen und der Mann meiner Cousine Maria kommen. Diese wenigen Leute würden mir aber auch schon reichen, ich brauchte nicht noch reiche Männer und Frauen auf der Hochzeit, die sich für das Beste hielten, aber ich konnte nichts dagegen sagen, schließlich war ich auch nur eine Frau. Eine ziemlich junge, um genau zu sein.
Ich lief jedenfalls geradewegs auf den Bäckersladen zu, öffnete die schwere Tür des kleinen Hauses und wurde sofort mit den netten Worten „Rebecca, meine Liebe!", begrüßt. Mathilde, die kleine aber in die Weite gebaute Bäckerin, die in der langen Zeit in der ich immer Mittwochmittags zur Bäckerei geschickt wurde, meine gute und stets für mich da seiende Freundin. Meine einzige, wenn man Nina nicht mitzählte. Mathilde behandelte mich immer gut, hatte mich auch schon immer gut behandelt, seit ich ein kleines Mädchen war, und ich hielt mich Mittwochs immer viel länger als nötig in der Bäckerei auf. Dort spürte ich auch immer ein kleines Gefühl von Freiheit, ähnlich wie das, was ich im Park gespürt hatte, nur in anderer Form. Hier war ich auch glücklich und konnte Mathilde alles erzählen.
Aber das musste ich noch kurz verschieben, Mathilde hatte nämlich noch einen jungen Kunden vor mir dran. Einen Mann mit dunklen, strubbeligen Haaren und einem schwarzen Anzug. Ich riss vor Verwunderung meine Augen auf, als ich den Mann in der engen, kleinen Bäckerei stehen sah. Seit dem Tag, an dem ich ihn umgerannt hatte, hatte ich ihn nicht noch einmal gesehen. Doch wie auch schon die letzten Male, trug er seinen dunklen Anzug und einen großen, schwarzen Hut. Er lächelte mich freundlich zur Begrüßung an, widmete sich dann aber wieder seiner Bestellung. Ich beobachtete ihn misstrauisch und fragte mich, ob das schon wieder nur ein dummer Zufall sein konnte. Immerhin, er hatte keine Anstalten gemacht, um zu zeigen, dass er mich wiedererkannte. Was er wahrscheinlich auch gar nicht tat. Trotzdem beobachtete ich ihn solange, bis er mit freundlichen Grußworten aus der Bäckerei verschwand. Endlich wandte Mathilde sich zu mir. Ihre rotbraunen Löckchen hatte sie zu einem Zopf gebunden, sie trug ein weites, buntes Kleid mit einer weißen Schürze darum und ihr rundliches Gesicht sah mich freundlich lächelnd an. „Mit was kann ich dir dienen, meine Kleine?", fragte sie mich und ich schenkte ihr ein leichtes, müdes Lächeln. „Mit einem guten Rat, einer Bestellung wie immer und dem besten Festtagsgebäck, das du zu bieten hast.", antwortete ich ihr. Dann fiel es mir sofort auf. Ich hatte genau eine einzige Person vergessen, zu meiner Hochzeit einzuladen: Mathilde. Mich überkam ein schreckliches Schuldgefühl und als Mathilde fragte, was für einen guten Rat ich denn bräuchte, wäre ich fast in Tränen ausgebrochen. Mathilde nahm mich in den Arm und versuchte mich zu beruhigen, was ihr auch halbwegs gelang. Ich erklärte ihr alles, angefangen mit der Hochzeit, und ich endete bei dem fremden Mann den ich jetzt schon ein paar Mal getroffen hatte. Mathilde horchte auf, sie fand das mit der Hochzeit wunderschön für mich und beglückwünschte mich, doch eine Sache hatte ich ihr verschwiegen: die Sache mit der Liebe, die mich so kaputt machte, und an dessen Erklärung ich zu zerstören drohte, weil mir eben niemand eine Erklärung geben konnte. Doch bei dem Fremden wollte Mathilde für mich herausfinden, um wen es sich handelte, denn sie wusste nur, dass er von außerhalb der Stadt kam und mehr auch nicht. Er bestellte des öfteren bei ihr.
DU LIEST GERADE
Rebecca
Historical FictionRebecca Dumont ist ein junges Mädchen und lebt in einer Zeit, in der viele Dinge noch anders sind. Sie lebt bei ihrer Tante und ihrem Onkel, seit ihre Mutter sie als kleines Kind im Stich gelassen hat, und nun soll sie heiraten - dabei liebt sie den...