Chapter 33

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Melo's P.O.V.

Als ich wieder zu Hause ankam fühlte ich mich ziemlich... leer. Und ausgelaugt. In den letzten Tagen hatte ich so viele Emotionen erlebt wie in den letzten Monaten schon nicht mehr. Ich war einfach nur müde und wollte eigentlich wieder in mein Bett, andererseits- wo ich schon dabei war, allen meinen Problemen ein Ende zu setzen- habe ich den Mut gefasst und wollte meinem Vater endlich einmal zurückschreiben. Also setzte ich mich an meinen Schreibtisch, kramte einen Stift und Papier aus einer der Schubladen heraus und wollte losschreiben. Richtig, wollte, denn so richtig etwas kam nicht zustande. Ich fing mit "Hallo Dad" an, strich es weg, schrieb "Sehr geehrter Vater", malte Kritzeleien auf das Blatt und schmiss das Blatt dann weg und so ging es die ganze Zeit weiter. Ich seufzte und gab auf. Es waren schon echt komische Tage.

'Machen wir sie noch komischer: Wie wär's mit 'ner Runde Basketball?'

Mein Gehirn hatte die glorreiche Idee Basketball spielen zu gehen. Wow. Wann habe ich das letzte Mal Basketball spielen? Es war schon zu lange her und eigentlich war ich viel zu faul dafür geworden. Aber wie bereits gesagt: Machen wir dir Tage noch komischer und tun es einfach!
Heute war relativ mildes Wetter, es war aber dennoch warm genug, dass ich mein Chicago-Bulls Trikot anziehen konnte, was übrigens ärmellos war. Meine Haare band ich mir zu einem normalen Zopf, dann zog ich mir meine roten Air Jordans an und holte den Basketball aus meiner Garage. Meiner Mom sagte ich kurz Bescheid, aber sie war schon mit irgendeinem Papierkram beschäftigt (das merkte ich daran, dass sie ausnahmsweise ihre Brille trug, sonst tut sie das nie), sodass sie mich nicht mehr wirklich wahrnahm.

Zu Fuß ging es dann los zum lokalen Basketballplatz, aka einem steinharten, grauen Betonboden mit zwei Basketballkörben in der Nähe meines Zuhauses. Ich hatte noch meine Box und Wasser mitgenommen und schon nach kurzer Zeit tönte laut die Musik während ich ganz alleine gegen mich selbst einige Körbe warf. Ich genoss es sehr und war total in 'guter' Rage- bis plötzlich die Musik leiser wurde und jemand anrief. Ich dachte zunächst, es wäre meine Mom, die mich fragen wollte, wo ich bleibe und wo ich sei. Für einen kurzen Moment war ich genervt, hätte ich aber vorher gewusst, wer es war, wäre mir meine Mutter viel lieber gewesen.

Unbekannte Nummer

"Melo hier, hallo?" Meldete ich mich vorsichtig.
"Hallo Schatz! Wie geht es dir?"
Nie-mals. Das war nicht sein Ernst. Mein Atem stockte für einen Moment, bis ich mich wieder fassen konnte. Diese Stimme habe ich schon so lange nicht mehr gehört.
"H-hi Dad. Was geht ab?"
Im Nachhinein ist mir eingefallen, dass ich seine Frage nicht beantwortet hatte, aber das schien ihn nicht wirklich zu stören.
"Ich habe dir einige Briefe geschrieben, aber keine Antwort erhalten und dachte mir, vielleicht rufe ich mal an."
"Oh-äh, ja, deswegen." Ich stammelte nur sinnlose Wörter, kratzte mich am Hinterkopf und setzte mich am Rand des Spielfeldes auf den harten, warmen Boden. "Ich wollte dir heute sogar antworten... aber, es -ging irgendwie nicht" Meine Stimme wurde immer leiser, während ich diesen Satz aussprach. Ich glaube, er hatte es bemerkt und wusste auch ganz genau, was ich meinte, überspielte es aber komplett:
"Naja, ich wollte einfach wissen, wie es mit deiner Studienwahl denn so aussieht, schließlich musst du dich bald entscheiden-"
"Was das betrifft, habe ich mich nur ein wenig umgeschaut, aber ich habe ja noch ein Jahr Zeit."

Es war kurz still am anderen Ende des Hörers, dann räusperte er sich und fing nochmal an: "Ja, du hast Recht. Ähm, Melo, das kommt wahrscheinlich sehr... sehr plötzlich, aber wie wäre es, wenn du uns mal besuchen würdest? Bald sind ja auch Ferien, da kannst du gerne vorbeikommen und direkt deine Stiefgeschwister kennenlernen-"
Wait, woah woah woah woah. Langsam, immer mit der Ruhe, Mister. Er betonte das uns ein bisschen sehr und - Stiefgeschwister? Wie wärs mit nein? Ich weiß nicht einmal, wie viele es sind lol. Der Himmel verdunkelte sich ein wenig.

"Ähh, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Wir haben uns schon zu lange nicht gesehen, und ich habe noch viel zu tun-" Wie man sieht versuchte ich alles, um dieses Treffen hinauszuzögern, aber er redete einfach weiter:

"Nach deinem Abschluss kannst du auch hierher ziehen. Ich meine, je nachdem wo deine Uni sein wird, könnte dir das einen großen Vorteil verleihen, vor allem..."
Mein Gehirn setzte nach diesem Satz- komplett aus. Wegziehen? Zu ihm? In ein anderes Land? Was...?

Es wurde mir zu viel. Viel zu viel. Sein Mut, ausnahmsweise nicht an Weihnachten oder meinem Geburtstag anzurufen, war schon groß, aber seine Forderungen waren auf einem ganz anderen Level und das musste ich schleunigst beenden.

"Sorry, Dad, aber das kann ich Mom einfach nicht antun. Sie hat es sowieso schon total schwer- ähm, nicht so einfach hier, und würde ich sie auch noch verlassen- Ich weiß nicht, wie sie das verkraften würde. Es tut mir Leid."

Am anderen Ende der Welt war es still. Ich hörte nur ein Seufzen und leises Gerede im Hintergrund. Vielleicht war ich ein wenig zu harsch zu ihm gewesen, dennoch konnte ich nicht zulassen, dass er -nach so langer Zeit- einfach wieder in mein Leben hereinplatzt, dass er genauso schnell vor Jahren verlassen hat. Obwohl das mittlerweile lange zurückliegt, hat es mich sehr verletzt. Wobei, es hat mich zwar verletzt, dass er einfach gegangen ist, es hat mich aber noch mehr verletzt, meine Mom so leiden zu sehen. Sie hat ihm wochenlang nachgeweint und dachte, ich würde es nicht wissen.
Little did she know ...

"Ich verstehe. Hör zu, ich weiß, dass ich nicht immer ein guter Dad war. Und obwohl wir uns nur selten hören, möchte ich wenigstens versuchen, mich zu bessern. Es würde mir wirklich viel bedeuten, würden wir uns wenigstens kurz wiedersehen können..." Er tat mir verdammt Leid. Vielleicht übertrieb ich es auch einfach oder mein Verteidigungsmechanismus war etwas zu groß geraten.

Ich atmete tief ein. "Ich...schau mal, was sich da machen lässt." Ich hörte, wie seine Stimme direkt viel glücklicher klang.
"Danke Liebling! Das bedeutet mir sehr viel. Jetzt lass' ich dich aber in Ruhe, du hast bestimmt viel zu tun. Also dann- bis bald!"
"Bye, Dad" sagte ich und ich legte auf. Natürlich hatte ich viel zu tun, schließlich muss ich mich ja um mein zukünftiges Studium kümmern...

Ich saß bestimmt noch einige Minuten reglos auf dem Boden und merkte somit gar nicht, dass es anfing zu regnen. Immer und immer heftiger. Ein Sommergewitter. Warmes Wetter und eisiger Regen. Und mit diesen Wassertröpfchen prasselten nun auch Tränen auf den Boden. Meine Tränen.
Ich weiß nicht, woran es lag oder was mit mir los war, aber ich fing an zu weinen. Immer heftiger. Und immer mehr Schluchzer kamen hinzu. Ich wusste nicht, ob es Freuden-, Erleichterungs- oder traurige Tränen waren, die meine Wangen entlangliefen, ich glaube, es war alles dabei. Einerseits die Erleichterung, dass ich dieses Gespräch mental geschafft habe, ohne jegliche Vorbereitung, die Freude, dass sich mein Leben eventuell ein wenig besserte oder die Trauer der letzten Tage über alle meine Probleme, die mir in den Hintern traten. Es war sehr viel auf einmal. Irgendwann lag ich einfach mitten auf dem Basketballfeld währen der Regen meine Kleidung komplett durchnässte. Ich hatte nicht einmal meine Box weggepackt, sie lief einfach im Hintergrund weiter, ich glaube es war 'Mirrors' von Justin Timberlake, und mitten im Chaos lag ich, in den Himmel starrend und dem Prasseln des Regens, dem Donner und dem Blitzen zuhörend auf dem Boden und weinte.

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Das erste Kapitel im neuen Jahr! Sorry, musste sein :) Jedenfalls hoffe ich, ihr seid gut im neuen Jahr angekommen und liebe Grüße an die SiStErS, die von dieser Geschichte rein zUfäLlIg herausgefunden haben ;*
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Mel :)

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