Autumn Semester

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Julian

"People think I'm a miserable bastard, but it's just the way me face falls"
-Alex Turner

Warum habe ich eigentlich gedacht, es wäre eine gute Idee als Dozent an eine Uni zu gehen?
Wäre ich doch einfach Fußballer geblieben, dann müsste ich nicht so beschissen früh aufstehen. Nicht dass das gegangen wäre, aber trotzdem. Die Semesterferien waren schon wieder viel zu kurz. Murrend drehe ich mich auf die Seite und schalte den nervigen Weckton, meines Handys aus. Ich hasse diesen Tag jetzt schon.
Ich quäle mich aus dem Bett und gehe sofort nach unten in die Küche. Ohne Kaffee bin ich einfach nicht überlebensfähig. Nachdem ich meine Siebträgermaschine bedient habe, was im Halbschlaf nicht wirklich einfach ist, nehme ich endlich den ersten Schluck aus meiner dampfenden Tasse.
Warum muss man auch immer so früh aufstehen? Die Studierenden haben doch selber keine Lust auf diese viel zu frühen Veranstaltungen. Okay außer vielleicht die Erstis , die grade angefangen haben.
Die sind meist etwas übermotiviert, aber das legt sich nach ein paar Monaten auch wieder.
Meine Zeit wird langsam knapp, also füttere ich noch meine Hündin Nala, die noch seelenruhig schläft und ziehe mich an. Meine Haare sehen zwar ziemlich unordentlich aus, aber meine Zeit reicht nicht mehr für Haarwachs oder ein Styling. Ist auch egal. Wen interessiert das schon? Die starren doch eh alle nur in ihren scheiß Laptop.

Semesterstart, was für mich schon wieder einen neuen Kurs bedeutet. Hunderte fremde Gesichter, die meisten von ihnen verunsichert und naiv.
Das hasse ich an meinen Job, neben dem Frühaufstehen natürlich. Wenn man sich grade an die Leute und ihre Eigenheiten gewöhnt hat muss man den Kurs wieder abgeben und sich auf völlig neue Studenten einlassen. Absolut nervig, wenn man mich fragt.
Ich stehe vorne am Pult meine hellen Haare, versuche ich jetzt doch noch irgendwie in Form zu bringen, aber scheitere nach kurzer Zeit daran. Sie sind auch einfach zu lang geworden sie fallen mir ins Gesicht und sorgen dafür, dass ich wahrscheinlich noch abgefuckter aussehe, als sonst. Ich trage ein weißes Hemd und eine schwarze Jeans. Das Jackett habe ich über einen der Stühle geworfen. Ich hasse es sowieso das anzuziehen. Ich mache meine Präsentation bereit und lasse meinen Blick durch den Hörsaal gleiten. Lauter fremde Gesichter. Die einen ängstlich, die anderen gelangweilt und unbeeindruckt. Ich fühle mehr mit den ängstlichen. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Tag erinnern. Ich war wie ein verängstigtes Reh. Ein Reh in Lederjacke mit einer I-don't-give-a-fuck-Fassade und innerlich voller Verunsicherung und Angst. Wer hätte gedacht, dass ich tatsächlich anfangen würde hier zu arbeiten? Ich mit Sicherheit nicht. Ich war sowieso nur hier wegen Marco und seinen Connections.
Es ist langsam Zeit anzufangen. Ich habe lange genug auf die Nachzügler gewartet. Ich zupfe mein Hemd zurecht und räuspere mich, bevor ich das Mikrofon einschalte. „Hallo mein Name ist Julian Brandt, ich bin Dozent für Sportmanagement im Fachbereich des Profifußballs und ich begrüße Sie alle recht herzlich im Kurs Einführung in Sportwissenschaft", fange ich an als die Tür nochmal aufgerissen wird und ein dunkelhaariger Typ hindurch stolpert. Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht frustriert aufzustöhnen und schließe kurz genervt die Augen. Er hält offenbar nach jemandem Ausschau und lässt sich Zeit dabei. Ein braunhaariger junger Mann, der in der ersten Reihe sitzt, winkt ihn zu sich. Er eilt nach vorne und quetschte sich zu seinem Kumpel, durch die halbe Reihe, bis er auf dem freien Platz landet. Meine Augen ruhen die ganze Zeit auf ihm, was er bislang nicht zu bemerken scheint.
„Erheben sie sich bitte Herr...?", fordere ich ihn auf. Überrascht sieht er mich an und zeigt mit dem Finger auf sich, als könnte ich auch eine andere Person meinen. Ich nicke unmerklich und er steht langsam auf. Augenblicklich wird er rot. Scheinbar hat er doch ein Gewissen und zumindest einen Funken Anstand. „Name?"
„Kai Havertz", krächzt er und räuspert sich danach.
„Nun Herr Havertz, da Sie es ja offensichtlich nicht für nötig halten pünktlich zu meiner Vorlesung zu erscheinen, haben Sie bestimmt schon genug Wissen über die Sportwissenschaft angesammelt", fange ich an.
Ich hasse Unpünktlichkeit. Nicht weil ich es für unhöflich halte oder es respektlos finde, auch nicht wegen der Etikette oder anderen bescheuerten Gründen. Ich hasse es ja selbst früh aufzustehen und bin häufig genug in meinem Leben zu spät gekommen.
Nein, es liegt schlicht und ergreifend dran, dass es mich aus dem Konzept bringt. Wenn ich vor fast 300 oder mehr  Studenten und Studentinnen spreche, bringen mich solche Dinge einfach aus der Ruhe.
Ich muss Pausen machen, stottere und bin gezwungen darüber nachzudenken, was ich eigentlich sagen wollte. Ich hoffe immer noch darauf, dass sich das bald legen wird. Ich bin vielleicht einfach noch nicht routiniert genug und fühle mich deshalb nicht wohl mit so vielen Menschen, die jedem meiner Worte folgen.
Meine Strategie um diese unnötigen Unterbrechungen zu verhindern, die mich aus dem Konzept bringen?
Die Zuspätkommenden sofort so zu bestrafen und zu demütigen so, dass niemand in diesem Kurs es je wieder wagen wird, zu spät zu meinen Veranstaltungen zu erscheinen.

Forbidden Desire - BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt