Mir war entfallen, weshalb ich überhaupt gekommen war. Ethan zog seine Fänge langsam aus meinem Hals und hinterließ eine wehklagende Leere an der Stelle, die vor Sekunden noch behaglich durch seinen Biss liebkost worden war.
Unser Deal. Godric, ich hatte Godric vergessen!
Der Gedanke verflog in dem Moment, da sein Gesicht vor mir Gestalt annahm und seine in der Dunkelheit glänzenden Augen mich betrachteten.
Das Blut glänzte auf seiner Unterlippe, die er sich genüsslich leckte, bevor er mit den Fingern meinen Hals berührte, was die Heilung der Wunde in Gang setzte. Ich spürte, dass die Vampirheilung durch ihn zügiger vonstattenging, als ich es mittels Selbstheilung geschafft hätte.
»Gwendoline, ich möchte dich etwas fragen«, säuselte er, ohne mit seinen Körper auch nur einen Millimeter von mir abzurücken.
»Hmhm«, murmelte ich und versuchte, meine Gedanken zu sortieren.
»Bist du jemandem versprochen?«, fragte er.
Warum wollte er das wissen?
Ethan lächelte: »Weil du noch nie über einen Versprochenen nachgedacht hast.«
Sein Blick wanderte von meinen Augen zu den Lippen und wieder zurück.
Ohne die Antwort abzuwarten, stellte er fest: »Im Schatten sind deine Augen grün, im Licht sind sie eher blau.«
Ja, das war mir geläufig.
»Das ist sehr reizvoll«, fügte Ethan hinzu.
In meinem Bauch kribbelte es wieder wie verrückt.
»Also, was ist mit dem Eheversprechen?«, bohrte er nach.
»Nein, es gibt keins«, antwortete ich wahrheitsgemäß, war nicht für eine Sekunde imstande den Blick von ihm wenden.
Meine Mutter hatte ohnehin mit der Lichtbringer-Tradition gebrochen, als sie einen Vampir geheiratet hatte. Das war wohl auch der Grund, weshalb sie mir zutraute mich selbst für jemanden zu entscheiden.
Hinter uns ertönte das Flirren eines neuen Portals und kurz darauf Schritte, die auf uns zukamen. Ethan schaute schmunzelnd über seine Schulter zurück: »Hallo Fabri, wie immer pünktlich.«
Nachdem Ethan seinen Körper von meinem gelöst hatte und der lauwarme Wind mich küsste, fiel mir auf, dass ich schwitzte.
In mir schrie alles, da er sich von mir abwandte, um mit dem herannahenden Elf zu sprechen.
Waren die fünf Minuten wirklich schon verstrichen?
»Hallo zusammen«, erwiderte Fabri, »bereit zur Heimkehr?«
Die verlorene körperliche Verbindung und die Rückkehr in die Realität riefen mir meinen Wunsch ins Gedächtnis zurück. Der Grund, weshalb ich mich auf das hier - egal ob es mir gefiel oder nicht – eingelassen hatte.
»Eine Sekunde noch!«, bat ich Fabri und sah dann wieder Ethan an, der mich verwundert betrachtete.
»Unser Deal steht. Ich habe dir mein Blut gegeben. Wie bekomme ich meinen Bruder zurück?«, verlangte ich von dem Vampir zu wissen.
Ethan erklärte es mir mit gesenkter Stimme. »Wir benötigen einen geweihten Ort, Totenruh sollte mehr als genügen. Da er dein Zwilling ist, werden wir dein Blut verwenden, anstelle seiner Asche. Wie ich hörte, ist er verglüht und hat keine Überreste hinterlassen.«
Urplötzlich übermannte mich die Erinnerung an Godric, der in der Drachenhöhle in die Lava gefallen war. Ethans Stimme rückte in den Hintergrund, während ich die letzten Atemzüge meines Bruders wieder und wieder durchlebte.
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Lichtbringer Akademie: Drachenzauber (Buch 2 der Romantasy Jugendbuch-Reihe)
ParanormalDie Tochter eines Vampirs und einer Lichtbringerin kämpft gegen die Trauer über ihren verlorenen Zwillingsbruder und taucht dabei immer tiefer in die Welt des verbotenen Refugiums ein. Ihre neuen Freunde versprechen ihr, was sie am schmerzlichsten v...