Kapitel 7 - Schuldramen

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Ist das wahr, was Draca über dich gesagt hat?‹, verlangte ich von Ethan zu erfahren.
Mein Frust entlud sich an ihm. Die ganze Wut wegen dem Prüfungszwang, dem nicht vorhandenen Team - da ich unfähig war, Freundschaften zu schließen, auch aufgrund der unpassenden Rüstung, wegen des Hausarrests, darüber wie mein Bruder mich wahrnahm.

Als das unscheinbare kleine Mädchen, das niemand mochte. Das sich nicht einmal mehr selbst mochte.

Ist was genau wahr?‹, fragte Ethan verhalten.

Alles‹, erwiderte ich, während ich durch die endlosen Gänge der Akademie eilte.

Wir fühlen uns voneinander angezogen, dein Blut rauscht durch meinen Organismus – ich fühle mich gerade mehr denn je mit dir verbunden. Wenn dein arroganter Halbbruder das nicht versteht, ist das sein Problem. Lass dir von ihm nichts einreden. Und ja, es ist wahr, dass ich über Schattensang herrsche. Hinter den Vampiren, die das Refugium angreifen, bin ich selbst her. Gestern Abend war ich nur auf dem Weg zu einer Hochzeit, wie du weißt. Ich wollte dort nicht blutbesudelt auftauchen, das schickt sich nicht – auch wenn wir nur Vampire sind.

Nur Vampire – das betonte er etwas zu abfällig. Eigentlich sollte er wissen, dass ich nicht so stereotypisch dachte.

Seine Antwort beruhigte mich eher mittelmäßig. Dass ausgerechnet Draca und Ethan etwas gegeneinander hatten, spielte mir nicht unbedingt in die Karten.

Du hättest ja mal einen Ton darüber verlieren können, dass du so ein hohes Tier bei den Vampiren bist‹, beschwerte ich mich gekränkt.

Nicht bloß bei den Vampiren‹, verbesserte er mich, ›bei allen Kreaturen von Schattensang.

Ich steuerte auf die Treppe zu den Schlafsälen zu, doch an der Tür erkannte ich Dominik. Mit verschränkten Armen lehnte er seitlich am Türpfosten, tippte mit dem Fuß auf dem Boden und beäugte das Buch, welches ich verbotenerweise in meiner Empörung aus der Bibliothek hatte mitgehen lassen.

»Wo ist deine Rüstung?«, fragte er.

»In meinem Zimmer, die schlepp ich doch nicht den ganzen Tag mit«, erwiderte ich, drückte das Buch an meine Brust und verdeckte den Einband mit den Armen.

»Ich habe eine Hüterin gefunden«, verriet Dominik mit stolzem Gesichtsausdruck.

Damit war unser Team komplett, wenn Everly es tatsächlich schaffte, ihre Zeit auf zwei Mannschaften aufzuteilen.

»Toll, wer ist es?« Interessiert sah ich ihn an.

»Jessi, aus meiner Parallelklasse, also auch im Jahrgang über dir.«

»Danke für den Hinweis«, kicherte ich und knuffte ihn, »ich hätte fast vergessen, dass du der Ältere bist!«

»Du stehst doch auf Ältere«, behauptete Dominik mit einem spöttischen Unterton.

Ich wusste, er spielte auf Ethan an.

»Weißt du, wie alt er ist?«, fragte ich gespannt.

Plötzlich beugte er sich zu meinem Gesicht herunter und sah mich ernst an. Sofort umhüllte mich sein rauchiger Himbeerduft. Verwundert wollte ich einen Schritt zurückweichen, doch er hielt mich am Handgelenk fest.

»Denk ja nicht, dass ich diese Art von Freund bin, die dabei zusieht, wie du dich ins Unglück stürzt«, knurrte er unheilvoll.

So kannte ich ihn gar nicht nicht.

Verblüfft versuchte ich, mich aus seinem Griff zu befreien, was nur zu Folge hatte, dass er mich noch fester hielt.

»Was? Glaubst du etwa, er ist ein guter Mensch? Der Typ macht dir zwei Tage lang schöne Augen, in deiner verletzlichsten Phase und du verabschiedest dich vom logischen Denken! Er ist der berüchtigtste Vampir von ganz Immerherz. Alle Wesen im Refugium hören auf ihn. Überleg dir lieber, aus welchem Grund er solches Interesse an dir zeigt, anstatt wie alt er ist. Aber wenn du's genau wissen willst, kannst du dich hoffentlich mit dem Gedanken anfreunden, mit einem Opa um die Häuser zu ziehen. Denn das ist es, was er ist. Ein alter Mann, in Gestalt eines Jungen. Ein Wolf im Schafspelz.«

Lichtbringer Akademie: Drachenzauber (Buch 2 der Romantasy Jugendbuch-Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt