Kapitel 5

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Es klingelte zum Unterrichtsschluss und ich atmete erleichtert auf. Jetzt musste ich es nur noch unbeschadet nach Hause schaffen. Die eifersüchtigen Mädchen sind immer wagemutiger geworden und hatten jetzt angefangen mir leise Beleidigungen zu zuflüstern. „Vielleicht sollte ich doch nicht hier zur Schule gehen. Du siehst echt genervt aus." meinte Kaleb und packte seine Sachen weg. „Nein, nein. Ich krieg das schon hin." lehnte ich lächelnd ab. Kaleb sah mich zweifelnd an, sagte aber nichts. Als wir unsre Taschen gepackt hatten, gingen wir auf den Parkplatz und Kaleb bekam wieder tausend kleine Zettelchen zugesteckt. Seufzend übergab er sie an mir und ich lies sie in meiner Tasche verschwinden.
„Ach du Armer." kam es vom Parkplatz und meine Freundinnen kamen uns entgegen. Ich brauchte nicht lange um zu erkennen, dass Lucy gesprochen hatte. Sie legte Kaleb nämlich tröstend eine Hand auf seinen Arm. „Naja. Amélia macht das ja nur um mich wieder zur Vernunft zu bringen." erklärte Kaleb und schenkte Lucy ein strahlendes Lächeln. Tam und Ash hinter ihr wurden leicht blass vor Neid. „Das stimmt. Er ist nämlich ein Player und ich muss mich etwas um seinen Verstand kümmern. Vielleicht könnt ihr euch mal in zwei Wochen treffen, da sollte er wieder normal sein." meinte ich nun ebenfalls grinsend. „Du bist so eine Spielverderberin, Amélia." sagte Kaleb mit einem leicht schmollenden Unterton. Lucy und ich mussten lachen und einige Leute sahen uns wieder böse an.
„Können wir gehen?" fragte da Alec von hinten. „Klar." antwortete Kaleb, nahm Lucy kurz in den Arm und lief dann mit Alec voraus. „Bis morgen." rief ich und eilte den Jungs hinterher. Lucy winkte, aber alle anderen sahen mir nur neidisch nach. „Darf ich Lucy mal um ein Date bitten? Ich werd auch nichts unüberlegtes machen." bettelte Kaleb sofort, als ich bei ihm beim Auto ankam. „Nein noch nicht. Du kennst meine Einstellung, genau wie ich deine kenn." sagte ich mit einem Blick auf Alec, der schon eingestiegen war. „Gut. Wenn du meinst." murmelte Kaleb und stieg jetzt auch ein. „Du machst sogar schon Fortschritte." erklärte ich grinsend und stieg jetzt hinten ein. Kaleb sagte nichts mehr und fuhr einfach los.
Nach ein paar Minuten unterhielten die Jungs sich natürlich wieder über ihr Lieblingsthema und ich beobachtete Alec wieder. Seit seine Entschuldigung vorhin, hatte er kein Wort mehr zu mir gesagt. Obwohl er sich mit Kaleb unterhielt entspannte er sich jetzt jedoch nicht komplett. Irgendetwas muss passiert sein. Wieso wäre er sonst so angespannt? Ich grübelte noch ein bisschen, dann wurde mir das aber zu doof und ich fing an Kaleb und Alec miteinander zu vergleichen. Sie waren eigentlich gar nicht so unterschiedlich. Sie waren beide Player, sie konnten beide süß, aber auch gemein sein und sie waren beide schon früher mit mir befreundet. Nur war Alec jetzt ein totaler Idiot. Und Kaleb nicht?, fragte meine innere Stimme gemein.
„Am?" riss mich Alec's Stimme mal wieder aus den Gedanken. „Was?" fragte ich noch etwas abwesend. „Wir sind da. Du kannst jetzt raus aus dem Auto." erklärte Alec grinsend. Sein Grinsen sah nicht mal so gemein aus wie sonst. „Ähm... ja." sagte ich und stieg schnell aus. „Bin gleich wieder da." rief Kaleb und fuhr davon. Er musste sein Auto parken. „Wieso hast du Kaleb eigentlich die ganzen Nummern weggenommen?" fragte Alec zu meinem großen Erstaunen. „Damit er keine Dummheiten macht und Dad ihn wieder weg schickt." murmelte ich und bemerkte, dass Alec mich wieder so seltsam musterte. „Was ist denn jetzt?" verlangte ich zu wissen und sah an mir herunter. Es war alles so, wie heute früh auch, nur dass meine Hotpants leicht hoch gerutscht sind. Schnell richtete ich sie wieder und sah Alec dann genervt in die Augen.
„Du hast dich so verändert in letzter Zeit." erklärte er leicht schüchtern. „Du dich doch auch." entgegnete ich verwirrt. „Aber du dich zum Guten." meinte Alec und lächelte. Diesmal war es tatsächlich ein freundliches Lächeln und kein dümmliches Grinsen. „Mh." machte ich nur und lief dummerweise rot an. Stopp. Wieso wurde ich rot? Das ist doch nur Alec und er hat mir nicht mal ein Kompliment gemacht. Oder etwa doch? Nein, dass konnte nicht sein. Alec mochte mich nicht. Nicht mehr.
Vor drei Jahren waren wir noch Freunde, als er dann aber im Sommer aus dem Urlaub kam, hatte sich etwas verändert. Ich weiß zwar immer noch nicht genau was, aber seitdem war er nur noch gemein zu mir. Vielleicht ist ihm da bewusst geworden, dass ich irgendwie anders war. Kaleb hat mir mal erklärt, dass so was öfter vorkommt. Dass Menschen spüren können, dass wir gefährlich sind. Sie wissen eben nur nicht wieso. Da kommt es durchaus mal vor, dass sie uns verstoßen. Diese Menschen nennen die Springer dann immer Seher, weil sie die Gefahr eben sehen. Trotzdem glaub ich nicht, dass Alec ein Seher ist. Er ist doch auch mit Kaleb befreundet und ihn stößt er nicht weg.
„Wieder in Gedanken, Amélia?" fragte Kaleb grinsend und fuchtelte mir vor dem Gesicht herum. „Lass das." zischte ich und schlug seine Hand weg. Die Jungs sahen mich beide mit genau demselben fiesen Grinsen im Gesicht an. Ich schnaubte, drehte mich um und wollte ins Haus, aber Kaleb packte mich von hinten und warf mich über seine Schulter. „Kaleb!" kreischte ich überrascht und strampelte wie wild um mich. „Hör auf zu zappeln, sonst lass ich dich fallen." meinte Kaleb und lief geradewegs zum Waldrand. Ich hörte Alec gemein Lachen und hörte auf mich zu wehren. Ich will mich ja nicht total zum Affen machen. „Geht doch." schnurrte Kaleb und lief in den Wald. „Glaub ja nicht, dass du mir so davon kommst." knurrte ich und verschränkte die Arme.
Nach ein paar Minuten lies Kaleb mich auch endlich runter und ich wandte mich sofort ab und lief wieder in Richtung zu Hause. „Ach komm schon Amélia, Liebling. Ich hab gedacht wir können was zusammen machen. Außer dich hab ich niemanden mehr." meinte Kaleb schmollend. „Das hättest du dir früher überlegen können. Ich mag es nicht, wenn du mich hoch hebst." erklärte ich, blieb aber stehen. „Ich merk's mir." versicherte mein Artgefährte und umarmte mich von hinten. „Gut, als was wollen wir durch die Wälder streifen?" fragte ich seufzend. „Du bist die Beste." meinte Kaleb und gab mir wie ein Kleines Kind einen Kuss auf die Wange. „Also?" verlangte ich zu wissen. „Als Wölfe. Du bist dann immer so bezaubernd." antwortete Kaleb und ich erkannte, dass er mich durch flirten auf andere Gedanken bringen wollte. Ich grinste ihn an und wechselte mein Gesicht. Kaleb tat es mir gleich und wir rannten los.
Die nächsten zwei Stunden verbrachten wir damit uns gegenseitig durch den Wald zu jagen und immer wieder das Gesicht zu wechseln. Mal waren wir Wölfe, dann Adler, dann Mäuse. Es machte riesigen Spaß. Ich hatte schon eine Ewigkeit nicht mehr so oft hinter einander das Gesicht gewechselt. Es tat gut und Kaleb folgte mir, was immer ich auch machte. Es verlieh mir das Gefühl von Macht und ich genoss es. Mit Alec würde ich das nie tun können. Er ist nicht gut für mich. Er war nie nett zu mir. Naja, bis gestern, sagte meine innere Stimme. Nein, dachte ich und blieb stehen. Ich war gerade in meinem Wolfsgesicht und Kaleb wäre fast in mich rein gelaufen.
Er sah mich an und legte den Kopf schief. Seufzend wechselte ich in mein eigenes Gesicht und lief zurück zum Haus. Kaleb wusste, dass ich jetzt nicht reden wollte und lief, immer noch als Wolf, hinter mir her. Er wusste, was ich gedacht hatte. Er hatte es mir an den Augen abgelesen. Schnell ging ich ins Haus, an der Küche vorbei und sofort in mein Zimmer. Dort lies ich mich auf mein Bett fallen. Ich bin bloß müde, dachte ich wieder und schloss die Augen. Nur konnte ich einfach nicht einschlafen.
„Hey, Am." rief da plötzlich Alec und klopfte an meine Tür. Ja, ihr habt richtig gehört. Er stürmte nicht einfach herein. Er klopfte! Wieso kann er sich nicht einfach wie sonst auch benehmen? „Was willst du jetzt schon wieder?" murrte ich und vergrub mein Gesicht im Kissen. „Ich wollte mit dir reden." antwortete Alec, blieb aber immer noch im Gang. „Worüber denn?" fragte ich vielleicht etwas zu genervt. „Kann ich rein kommen?" wich Alec aus. „Sonst fragst du doch auch nie." entgegnete ich und setzte mich auf. Er war tatsächlich nett und irgendwie freute mich dass. Vielleicht mochte ich ihn ja doch noch etwas. Ich hörte das leise Klick meiner Tür und sah auf.
„Ja, aber du hast doch gesagt, dass ich klopfen soll." meinte Alec und musterte mich verwirrt. Seine Haare waren wunderbar verstrubbelt und er sah einfach unglaublich süß aus. Mann, ich muss echt müde sein. „Stimmt." sagte ich nur und setzte mich in den Schneidersitz. Alec zögerte, was mal wieder total untypisch für ihn war, dann setzte er sich auf mein Sofa. Er schwieg und starrte mich wieder so seltsam an. „Jetzt sag schon, was los ist." verlangte ich genervt. Wieder zögerte Alec, doch dann holte er tief Luft und fragte „Wieso hasst du mich so? Ich hab dir nie was getan."
Jetzt war ich erstmal total perplex. „Was?!?" brach ich heraus und fing dann an hysterisch zu lachen. „Ich dachte..." fing Alec an, aber da wurde meine Tür auf gemacht und Kaleb kam herein. „Amélia, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht durch einander bringen. Es ist nun mal meine Meinung. Alec..." jetzt brach auch Kaleb ab und sein Mund formte sich zu einem 'o'. „Ähm... ich wollte euch nicht stören, sorry." sagte er, drehte sich auf dem Absatz um und ging wieder. „Was meint er mit er 'wollte dich nicht durcheinander bringen'? Was ist passiert?" fragte Alec plötzlich alarmiert. „Ist nicht wichtig." murmelte ich. Was interessierte es ihn denn, was mit mir ist? „Das stimmt nicht. Er hat meinen Namen gesagt." meinte Alec und jetzt war er wütend.
„Dann frag doch Kaleb. Es ist schließlich seine Meinung." zischte ich und wandte mich ab. Ich hörte, wie die Decke auf dem Sofa raschelte und rechnete damit, dass Alec wieder wegging, aber ich hatte mich getäuscht. „Wieso sagst du es mir nicht, Am?" fragte er sanft. Gott, wieso war er so verdammt nett? Ich stöhnte und vergrub mein Gesicht wieder im Kissen. „Am?" wiederholte er und legte mir vorsichtig eine Hand auf die Schulter. Mist, Mist, Mist. „Kannst du nicht weiter gemein zu mir sein?" fragte ich und mir treten dämlicher Weise Tränen in die Augen.
„Wieso?" entgegnete Alec wieder verwirrt. „Dann muss ich nicht nett zu dir sein." zischte ich und stand auf. „Das versteh ich nicht, Am. Was ist denn auf einmal mit dir los?" Alec war die Verwirrung deutlich an zu hören. „Mit mir? Ich hab mich nicht verändert. Du bist derjenige, der aus dem Urlaub kommt und nicht mehr mit mir redet." rief ich und ballte die Hände zu Fäusten. „Ach Am." seufzte Alec und nahm mich in den Arm. Was war bloß los mit ihm? Er ist doch sonst gemein und jetzt, wo Kaleb wieder da ist, ist er wieder so lieb und süß. Was hat Kaleb ihm alles gesagt?
„Du weinst ja." flüsterte Alec besorgt. „Gar nicht." zischte ich und wollte mich abwenden, doch Alec strich mir mit dem Daumen über die Wange und hielt mir den dann vor die Nase. Es lagen tatsächlich Tränen darauf. „Wieso weinst du denn?" fragte Alec immer noch besorgt. Ich antwortete nicht, sondern vergrub mein Gesicht an seiner Schulter und heulte mich aus. Es gab viele Gründe dafür. Ich hab bis jetzt kaum geweint, aber es brach plötzlich alles aus mir heraus. Die Einsamkeit, weil ich außer mit Kaleb und Dad mit niemanden über meine Gesichter reden konnte, die Trauer, dass ich meine Mutter nie kennen gelernt hatte, aber das waren nicht die einzigen Sachen, wegen denen ich weinte. Am meisten war es wegen dem Stechen in meinem Herzen, weil Alec mich wie Dreck behandelte. Vielleicht waren wir ja doch so was wie beste Freunde gewesen.
Nach ein paar Minuten wurde die Tür geöffnet und Kaleb kam wieder herein. Als er mich sah, kam er sofort zu uns und strich mir über den Kopf. Alec warf ihm einen bösen Blick zu, was mal wieder total untypisch war. „Was ist denn los? Was hast du gemacht?" fragte Kaleb plötzlich wütend und stieß Alec von mir weg. „Kaleb. Lass ihn." zischte ich. Ich wusste, dass Kaleb, wenn seine Gefühle ihn überwältigten, einfach in irgendein anderes Gesicht springen würde. Ich hielt ihn an der Schulter zurück und sah ihm tief in die Augen.
„Sorry." murmelte er und senkte den Blick. „Nicht schlimm. Alec hat nichts gemacht. Es ist eigentlich deine Schuld und die Schuld meiner Mutter." sagte ich und diesmal spürte ich, wie mir die Tränen über die Wange liefen. Alec seufzte erleichtert auf. Anscheinend hatte er auch gedacht, dass ich wegen ihm weinte. Naja, irgendwie war es ja auch so. Er hatte mir dieses Stechen ins Herz gepflanzt. Es hat mich jetzt drei Jahre lang gequält und jetzt wo es anfing zu heilen, muss er so nett sein und es wieder aufreißen. Ich weiß, das ist jetzt etwas übertrieben, aber trotzdem.
„Du weißt, dass ich dir nicht weh tun will?" fragte Kaleb und strich mir wieder über den Kopf. „Natürlich. Kannst du heute trotzdem bei Alec schlafen? Ich muss in Ruhe nachdenken können." erklärte ich und nahm seine Hand. „Wenn das für ihn in Ordnung ist." wandte Kaleb ein und sah Alec unsicher an. „Klar." meinte dieser nur, beobachtete uns aber weiter. Ich zögerte kurz, wandte mich dann aber wieder zu Kaleb. „Mach keine Dummheiten und behalte deine Gedanken für dich." befahl ich und dachte die Sache sei damit abgehakt.
„Das kannst du mir nicht verbieten. Ihr habt geredet und jetzt hat er ein Recht das zu erfahren. Was interessiert es dich denn?" entgegnete Kaleb schief grinsend. „Er könnte sich noch seltsamer benehmen, als jetzt schon." zischte ich und packte seine Hand fester. „Also ich find, anders sollte man sich dir gegenüber gar nicht benehmen, Liebes." versuchte Kaleb mich zu beruhigen und strich mir mit dem Daumen über den Handrücken. Ich zerquetschte seine Hand gerade, aber er lies mich gewähren. „Du bist es hier nicht gewohnt, aber ich hab dir schon vorhin gesagt, dass du deine Finger aus meinem Leben lassen sollst." flüsterte ich und entspannte langsam meine Hand, in der ich Kaleb's hielt.
„Ähm. Hallo, Leute. Ich bin auch noch da. Wovon redet ihr?" fragte Alec verwirrt. Als ich auf sah, stand er immer noch an derselben Stelle, aber etwas in seinem Blick hatte sich verändert. Leider fand ich aber nicht heraus, was, denn er sah schnell zu Kaleb. „Das erklär ich dir später. Amélia glaubt mir nämlich nicht. Jetzt lasst uns aber erstmal was essen. Ich bin am Verhungern." meinte mein Artgefährte und lief aus dem Zimmer. Einen Moment zögerte ich noch, dann folgte ich ihm schnell. Ich wollte nicht mit Alec im Zimmer bleiben und seine Blicke ertragen. Natürlich versank ich wieder in Gedanken. Wieso hat Alec sich so plötzlich verändert? Warum war Kaleb plötzlich so wütend, als er mich sah? Und immer wieder. Konnte es sein, dass Kaleb Recht hatte, dass Alec mich doch noch mochte und zwar mehr als nur ein Freund? Konnte das der Grund für sein Verhalten sein?

Sorry,
das ich erst jetzt das nächste Kapitel veröffentliche, aber es sind Ferien und ich schlaf immer bis Mittags. Und danke, danke, danke für über 100 Leser. Bitte jetzt Kommentare zu:

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