Kapitel 3

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Sam
Die Stimmung beim Abendessen war angespannt.

Ich sagte nichts, wie meistens, Dad starrte auf seinen Teller und stocherte in seinem Salat herum, während Mom verzweifelt versuchte, uns zu einer Konversation zu überreden.

"...wir könnten auch ins Kino gehen. Oder wir machen einen-" Ruckartig schob ich meinen Stuhl zurück und Mom hielt in ihrem Satz inne. "Ich bin satt.", murmelte ich, stellte meinen Teller in die Spüle und huschte dann, beinahe geräuschlos, die Treppe hinauf, in mein neues Zimmer.

Es war das Dachzimmer und belegte eine Hälfte des gesamten Dachbodens.

Das Einzige, was ich im Laufe des Tages aufgebaut hatte, war mein Keyboard, sodass ich heute Nacht auf einer Matratze auf dem Boden schlafen musste.

Andere Leute zogen in ein neues Haus, und mussten sich noch um Dinge wie Strom und Wasserversorgung kümmern, aber nein, unsere Familie hatte keinerlei handwerkliche Fähigkeiten, also hatten Mom und Dad das ganze Haus fertigmachen lassen, bevor wir hierher gezogen waren.

Und ja, wir konnten uns das leisten. Durch Dads Arbeit in Miami hatten wir genug Geld, um quasi gar nicht mehr arbeiten zu müssen, aber irgendein Alibi brauchten wir ja, um umzuziehen, deshalb hatte Dad kurzerhand beschlossen, hier eine neue Praxis zu eröffnen.

Möglicherweise war es besser so, denn würden wir alle die ganze Zeit zuhause bleiben...ich weiß nicht, wie lange wir das durchhalten würden.

Sydney hatte ein Loch hinterlassen, und wir alle wussten nicht, wie wir es je wieder schaffen sollten, eine normale Beziehung zueinander aufzubauen.

Ich schloss gerade die Tür meines Zimmers, um ins Bad zu gehen, als ich Stimmen von unten hörte.

"...weiß nicht mehr, was wir tun sollen. Ich dachte, die Therapie in Miami hätte geholfen."
"Vor drei Monaten war sie noch jede Nacht weg. Jetzt ist sie zumindest zuhause-"
"Schon, aber...ihr geht es nicht gut, und ich habe keinen Draht mehr zu ihr. Wie sollen wir ihr denn so helfen? Ich will nicht auch noch unsere zweite Tochter verlieren",  ich hörte an ihrer Stimme, dass ihr Tränen in den Augen standen.

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals.

Ich wusste, was ich meinen Eltern antat. Aber ich konnte es nicht ändern.

Ich wusste, dass ich, ich allein den Draht zu meiner Familie gekappt hatte, als ich kurz nach Sydneys Tod jede Nacht weg war, und mich nur selten blicken ließ.

Aber ich schaffte es nicht, mit ihnen zu reden.

Ich konnte nicht über Gefühle sprechen, weil ich fürchtete, dann alle meine sorgfältig aufgebauten Mauern und Schutzwälle einzureißen.

Wahrscheinlich war das unglaublich egoistisch.

Vermutlich würden mir Außenstehende trotzdem raten, mit jemandem zu reden.

Vermutlich wäre es auch wirklich gut, mit jemandem zu reden.

Vor sieben Monaten noch, hätte ich gesagt, es ist nicht so schwer zu reden, auch wenn es Überwindung kostet.

Aber es ist etwas ganz anderes, selbst in so einer Situation gefangen zu sein.

Es ist schwieriger, komplizierter.

Und obwohl ich oft zu meinen Eltern gegangen bin, mit dem Vorsatz, jetzt ein tiefgehendes Gespräch mit ihnen zu führen, ich habe es nie auf die Reihe gekriegt.

Ich stand vor ihnen, den Mund offen, den Satz, den ich sagen wollte tagelang perfektioniert, doch ich konnte es nicht.

Die Worte steckten in meinem Hals fest, und ich konnte sie auf den Tod nicht aussprechen.

Still Waters Run DeepWo Geschichten leben. Entdecke jetzt