Kapitel 6

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Sam
"...werdet ihr mir so eure Grundkenntnisse zeigen können, vor allem die Neulinge, ich habe noch keine Ahnung was ihr draufhabt.", endete Miss Lionel ihre Begrüßungsrede.

Seit etwa vierundzwanzig Minuten saß ich auf diesem knochenharten, verdammt ungemütlichen Plastikstuhl und wartete darauf, dass wir endlich anfangen durften zu zeichnen.

Ich war nicht überragend gut, das nicht.

Aber Sydney hatte es geliebt und Spaß gemacht hatte es mir schon, und als ich dann vor die Wahl zwischen einem Cheerleaderteam, einer andersartigen sportlichen Aktivität oder einem Zeichenkurs gestellt worden war, hatte ich sofort gewusst, was ich wählen würde.

Miss Lionel war eine mittelgroße Brünette, ich würde sie auf Mitte dreißig schätzen und aus ihrem freundlichen Gesicht blitzten einem grüne, warme Augen entgegen, die einen scharfen Verstand, ein großes Herz und Sinn für Humor zu verstecken schienen.

Als die Schüler um mich herum plötzlich anfingen aufzustehen und die Tische herumzuschieben erwachte ich aus meiner Starre und mein Blick klärte sich wieder.

"Kannst du mal aufstehen?", sprach mich ein dunkelhaariger Lockenkopf an.

"Sorry", murmelte ich, ergriff dann aber meine Chance und erkundigte mich: "Was sollen wir nochmal machen?"

Misstrauisch sah er mich an.

"Hast du nicht zugehört? Wir sollen uns in Vierergruppen zusammenfinden und uns im Internet entweder ein Bild von Jeremy Renner, Timothee Chalamet oder Meg Ryan suchen und das Bild dann quasi vierteilen, sodass jeder ein Viertel des Gesichts auf ein DIN A 4 Blatt zeichnet und wir es dann am Ende zusammensetzen können. Sie meinte aber, dass wir, wenn wir Meg Ryan wählen, ein Bild von 1995 nehmen sollen, weil sie da noch keine Schönheitsoperationen hinter sich hatte."

"Danke"

Meg Ryan...ich kannte den Namen.

Ah! Stadt der Engel. Moms Lieblingsfilm, da spielte sie die weibliche Hauptfigur.

Ich weiß noch, dass meine Mutter sich furchtbar darüber aufgeregt hatte, dass Meg Ryan sich hat operieren lassen, weil sie doch vorher so eine schöne Frau gewesen sei.

Wie auch immer, mittlerweile hatten meine Kurskameraden die Tische zu Vierergruppen zusammengeschoben und ich stand als Einzige noch mitten im Raum.

Vermutlich sah ich ein wenig verloren aus, wie mein Rucksack neben meinen Füßen lag und ich unbeteiligt Löcher in die Luft starrte, denn Miss Lionel kam mit großen Schritten auf mich zu.

„Sam, richtig?"

Ich nickte.

„Du kannst dich zu Josh, Jeremy und Josefine setzen, da ist noch ein Platz frei."

Ich war ein wenig überrascht, dass sie unsere Namen bereits nach einer einzigen Vorstellungsrunde wusste, könnte mir allerdings auch vorstellen, dass sie eine Liste mit ihren Schülern hatte.

Wie auch immer.

Ich packte meinen Rucksack und schleifte ihn zu dem Tisch, auf den meine Lehrerin gedeutet hatte.

Die anderen Schüler im Raum waren bis eben auffällig ruhig gewesen und ja, ich hatte die Boah-guck-Dir-mal-die-Neue-an-Blicke bemerkt, mit denen ich vereinzelt bedacht wurde, aber es war mir eigentlich egal.

Jetzt fingen die Kids wieder an zu reden und ich ließ mich auf dem freien Stuhl nieder.

Gegenüber meines Platzes saß ein schwarzhaariger Typ mit krass blauen Augen, der mich argwöhnisch musterte.

Still Waters Run DeepWo Geschichten leben. Entdecke jetzt