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Am nächsten Morgen klopfe ich aufgekratzt an der Bürotür meines Vaters an. Ich habe die ganze Nacht kein Auge zu gemacht und mir tausende Szenarien ausgemalt, wie die Hochzeit abläuft, wen ich heirate und so weiter. Gestern habe ich der Hochzeit ziemlich leichtfertig zugestimmt und das bereu ich ein wenig. Um zumindest ein paar Informationen zu bekommen, werde ich jetzt mit meinem Vater reden und einige Grundregeln festlegen. Ich habe mir, für mich persönlich, wichtige Bedingungen überlegt, die erfüllt sein müssen. Ansonsten kann mein Vater sich die Hochzeit sonst wohin stecken.

Als mein Vater mich herein bittet, drücke ich die Türklinke herunter und betrete sein geräumiges Büro. Die bodentiefen Fenster sorgen für genug Licht und man hat einen perfekten Blick in unseren weitläufigen Garten. Der riesige Mahagoni-Schreibtisch zieht sofort jegliche Aufmerksamkeit auf sich und die gesamte Einrichtung wirkt elegant, aber auch irgendwie schwer. Es sieht aus, wie das typische Büro eines Kriminellen: düster und luxuriös.

„Ich habe ein paar Bedingungen", eröffne ich das Gespräch und schaue dem Mann mir gegenüber direkt in die Augen, während ich vor seinem Schreibtisch stehen bleiben.

„Das war mir klar", erwidert mein Vater und richtet seine Aufmerksamkeit auf mich. Die Dokumente, die er zuvor bearbeitet hat, schiebt er achtlos zur Seite.

„Also, leg los", fordert er mich auf und greift nach einem Kugelschreiber, um sich Notizen zu machen. Erleichtert, dass er mich anhören möchte, lasse ich mich auf den, mit Samt überzogenen, Stuhl fallen und beginne aufzuzählen: „Zuerst einmal darf er nicht älter, als 30 sein. Am liebsten wäre es mir, wenn der Mann in meinem Alter ist, aber 30 ist die absolute Obergrenze." Immerhin wäre mein Zukünftiger, wenn er 30 Jahre alt ist, immer noch neun Jahre älter, als ich.

Nickend lässt mein Vater den Kulli über das Papier fahren und die blaue Farbe ziert in ordentlicher Schrift die weiße Seite.

„Dann möchte ich mein Brautkleid selbst aussuchen und an der Planung der Hochzeit beteiligt sein! Ich will, dass der Tag schön wird und nicht so, wie bei Lillian!"

„In Ordnung", stimmt mein Vater zu.

„Moira, Thea und Lillian werden selbstverständlich eingeladen und sind meine Trauzeuginnen", fahre ich fort, „Außerdem möchte ich meinen Zukünftigen vor der Hochzeit natürlich kennenlernen."

„Das bekommen wir hin."

„Und das Wichtigste: Ich möchte die Wahl haben, wen ich heirate! Du kannst mich meinetwegen beraten, aber die endgültige Entscheidung wird bei mir liegen!"

„Annalise-", versucht mein Vater zu widersprechen, doch ich unterbreche ihn: „Zu meinen Bedingungen oder gar nicht!"

„Dir muss klar sein, dass du niemand unbedeutenden heiraten kannst. Es geht hier um die Familie!"

„Ich weiß, aber ich möchte nicht erst vor dem Altar wissen wem ich da gegenüberstehe und dich über mein Schicksal entscheiden lassen!" Zu frisch ist die Erinnerung an die Hochzeit meiner ältesten Schwester. Es war eine Katastrophe und Lillian hatte Glück, dass es Fynn war, den sie da geheiratet hat. Das hätte damals weitaus schlimmer ausgehen können.

„Okay. Was hältst du davon, wenn wir eine kleine Party veranstalten und die infrage kommenden Männer einladen?", schlägt mein Vater vor und ich nicke zustimmend. Das klingt nach einer guten Idee. So kann ich zwanglos alle einmal kennenlernen und mir ein grobes Bild von den Männern machen. Der erste Eindruck verrät einem, meiner Meinung nach, viel über die Persönlichkeit eines Menschen und Sympathie ist mir sehr wichtig.

„Irgendwelche Wünsche, wen ich einladen soll?"

„Nein." Ich kenne kaum Männer aus unserer Welt. Genau wie meine Schwestern, bin ich früher auf ein abgelegenes Internat in der Schweiz gegangen. Das war eine spezielle Schule für die Kinder von Kriminellen. Dort waren jedoch tiefergehende Beziehungen verboten, weswegen ich mit keinem von damals mehr Kontakt habe. Die einzige Ausnahme sind Lillians Ehemann Fynn und ihr bester Freund Theo. Beide Männer sind vergeben, weshalb mir dieser Kontakt nichts bringt. Fynn hat ein paar ziemlich gut aussehende Freunde, die ich damals schon immer aus der Ferne angehimmelt habe, mit denen habe ich aber nichts zu tun. Außerdem sind die Männer bestimmt schon an die 30 und werden sich wohl kaum an die nervige kleine Schwester von Lillian erinnern, geschweige denn sie heiraten wollen.

„Ich würde die Veranstaltung mal auf Samstag in einer Woche legen", teilt mein Vater mir mit, während er grübelnd über seinem Terminkalender sitzt.

Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl hin und her. Jetzt wird es ernst. Ich hätte nie gedacht, dass ich mit 21 Jahren heiraten werde. Vor allem nicht nach dem Drama aus dem letzten Jahr. Aber so täuscht man sich. Wäre Moira in einer besseren Verfassung und Thea nicht so unkontrollierbar, würde ich dem Ganzen wohl entgehen. Immerhin bin ich die Jüngste von uns Schwestern, ziemlich heftig, dass ich jetzt als Zweite heirate. Aber eine muss nun mal die Macht der Familie wiederherstellen. So läuft das in unserer Welt und wir wussten alle, in was für einer Umgebung wir aufwachsen.

Schockiert wird mir klar, dass ich auch noch Thea und Moira von der Hochzeit erzählen muss. Das wird wahrscheinlich schwieriger, als das Heiraten an sich. Ich atme tief durch und versuche meinen schnellen Herzschlag zu beruhigen. Es ist nur eine Hochzeit und kein Gang zur Folterkammer. Vielleicht habe ich Glück und treffe die Liebe meines Lebens? So naiv kann auch nur ich sein. Über mich selbst die Augen verdrehend, wische ich meine schwitzigen Handflächen an der Jeans ab und versuche nicht mehr darüber nachzudenken. Ich kann es jetzt sowieso nicht mehr ändern.

„Wir werden einen guten Mann für dich finden", ermutigt mein Vater mich und macht sich abgelenkt weiter Notizen.

Er hat leicht reden. Die Hochzeit meiner Eltern war tatsächlich eine Liebesheirat, was in unseren Kreisen selten vorkommt. Seit meine Mutter gestorben ist, hat er keine andere Frau mehr an sich herangelassen und ist auch nicht gezwungen, ein weiteres mal zu heiraten. Bei Frauen sieht das ganz anders aus: Wenn ihr Ehemann verstirbt, sie noch jung ist und keine männlichen Nachkommen gezeugt hat, muss die Frau erneut heiraten; Ohne einen Mann oder einen lebenden Erben sind Frauen in unserer Welt nichts wert.

„Hmm", meine ich zustimmend und bete einfach, dass er Recht hat.

Ich möchte mein Leben nicht an der Seite eines Arschlochs verbringen. Ich will die Welt entdecken, meine jungen Jahre genießen und das tun, was mir in den Sinn kommt. Einen Mann der mich einsperrt und bevormundet, kann ich nicht gebrauchen. Auch die Kinderplanung steht bei mir noch ganz weit hinten auf der Liste.



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Was haltet ihr von den Bedingungen? ^^

Denkt an den ⭐️! <3

Saved Love | pausiert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt