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„Anni", wedelt Thea mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum, „Erde an Annalise, hörst du mir überhaupt zu?"

„Huh?", schrecke ich aus meinen Gedanken hoch und schaue meine Schwester fragend an.

Thea sitzt mir gegenüber am Esstisch und dreht die Spaghetti auf eine Gabel. Wie immer hat sich unser Vater in seinem Arbeitszimmer verkrochen und überschüttet sich selbst nur so mit Arbeit. Seit ich von den ganzen Sorgen weiß, verstehe ich ihn. Es ist nicht leicht, eine Organisation vor dem Abgrund zu retten. Wir sind bestimmt schon das Ziel vieler Gangs, die gerne unseren Platz einnehmen würden.

„Du benimmst dich seltsam", stellt Thea fest und mustert mich besorgt: „Wann verrätst du mir was los ist?"

„Bald", verspreche ich ihr und trinke mein Glas leer. Noch immer bin ich nicht bereit, meiner Schwester alles zu erzählen. Thea ist der Freigeist und Wirbelwind unserer Familie, ich glaube, sie wird niemals freiwillig heiraten. Sie muss erstmal einen Mann finden, der charakterlich stark genug ist, um ihr standzuhalten. Aber genau dafür liebe ich meine Schwester. Sie ist die Person, die mich dazu bringt mutig zu sein und auch mal aus der Reihe zu tanzen. Doch gerade, kann ich ihre rebellische Seite nicht gebrauchen, dass würde mich nur verunsichern.

„Ach komm schon, du konntest mir bisher alles sagen", bleibt Thea hartnäckig und lehnt sich in ihrem Stuhl zurück.

„Ich weiß, aber gib mir noch ein bisschen Zeit."

„Du bist so stur!", wirft sie mir grinsend vor und meine Mundwinkel ziehen sich ebenfalls nach oben: „Das hast du mir beigebracht, Schwesterherz."

„Wollen wir noch eine Runde Joggen gehen?", schlägt Thea vor und geht zum Glück nicht weiter auf meine Verschwiegenheit ein.

Mir fällt es nicht leicht, so eine große Sache geheimzuhalten; Eben weil Thea und ich uns alles erzählen. Ich habe beschlossen zuerst Moira und Luka zu besuchen und ihnen die Neuigkeiten zu überbringen. Thea wird die letzte meiner Schwestern sein, die von der Hochzeit erzählt. Nicht, weil ich es ihr nicht erzählen möchte, sondern weil es mir am schwersten fallen wird, ihr alles zu erzählen. Thea und ich stehen uns so unglaublich nah und meine Schwester wird ziemlich sauer auf meinen Vater sein. Wer weiß, ob sie nicht sogar versuchen wird die Hochzeit zu sabotieren? Das würde ich Thea auch zutrauen.

„Ja, auf jeden Fall", stimme ich ihr zu und gemeinsam nehmen wir unsere Teller und räumen den Tisch ab. In der Küche begrüßt Carla, die Haushälterin, uns mit einem tadelnden Lächeln: „Mädchen, ihr wisst doch, dass das meine Arbeit ist. Dafür werde ich bezahlt."

„Gern geschehen, Carla", feixt Thea, nimmt meine Hand und zieht mich aus der Küche: „In einer halben Stunde wieder unten?"

Nickend stimme ich zu und verschwinde in meinem Zimmer, um mich umzuziehen. Unsere Schlafzimmer befinden sich alle im ersten Stock, wobei die von Moira und Lillian inzwischen leer stehen. Es ist jedes mal auf's neue deprimierend, wenn ich darüber nachdenke, wie schnell unsere heile Welt auseinander gebrochen ist. Noch letztes Jahr waren meine Schwestern und ich glücklich und haben das Leben hier genossen, doch dann kam Quentin und hat alles zunichte gemacht. Wenigstens ist mir Thea geblieben, wobei wahrscheinlich ich nun diejenige bin, die sie verlassen wird. Bei dieser Vorstellung läuft mir ein eiskalter Schauer den Rücken herunter.

Ich betrete mein Zimmer und gehe auf direktem Weg zum Kleiderschrank, damit ich meine Sportsachen herausholen kann.

Mein Schlafzimmer ist schlicht, aber luxuriös eingerichtet. In der Mitte befindet sich ein Kingsize-Bett und ein großer Kronleuchter hängt von der Decke. Die Fensterfront sorgt dafür, dass genug Sonnenlicht eindringen kann und gleichzeitig habe ich einen atemberaubenden Blick in den Garten. Neben meinem Kleiderschrank steht ein Bücherregal und wiederum daneben mein Schreibtisch. Als nächstes kommt die weiße Tür zum angrenzenden Badezimmer und ein kleiner Schminktisch. Und das war's auch schon.

Ich tausche meine Jeans gegen eine schwarze Leggins und das T-Shirt gegen einen hellblauen Sport-BH. Es ist Hochsommer und wir haben fast 40 Grad draußen, weshalb ich mich gegen ein T-Shirt entscheide und beschließe, nur im Sport-BH joggen zu gehen.

Fertig umgezogen verlasse ich mein Zimmer und hüpfe motiviert die Treppen nach unten, um auf Thea zu warten. Das Joggen ist für uns beide ein Stückchen Freiheit und Entspannung. Man kann seinen Gedanken nachhängen und für kurze Zeit einfach nur den Wind auf der Haut spüren und all seine Sorgen vergessen.

Nach wenigen Minuten kommt Thea ebenfalls die Treppe herunter und zusammen verlassen wir die Villa. Wir geben den Bodyguards bescheid, was wir vorhaben und können dann problemlos das Tor unserer Einfahrt passieren.

Langsam erhöhen Thea und ich das Tempo, bis wir eine angenehme Geschwindigkeit erreichen und in regelmäßigen, federnden Schritten vorwärts laufen.

„Hast du Dad eigentlich mal wieder zu Gesicht bekommen? Ich habe das Gefühl, er ist seit Tagen nicht mehr aus seinem Büro rausgekommen", beginnt meine Schwester ein Gespräch.

„Nur einmal kurz", behaupte ich, „Er hat bestimmt viel zu tun."

Thea neben mir schnaubt, weshalb ich ihr einen fragenden Blick zuwerfe. Ihre blonden Haare wippen im Takt hin und her, während wir joggen.

„Wann hat er denn mal nicht viel zu tun?", meint Thea leicht genervt.

Leise lache ich: „Thea, du weißt aber schon was Dad beruflich macht?" Unsere Schritte geben knirschende Geräusche auf dem Schotter von sich, als wir in einen schmalen Waldweg abbiegen. Ich konzentriere mich auf meine Atmung, um nicht aus dem Rhythmus zu kommen.

„Jajaja", gibt sie nur augenverdrehend von sich und beschleunigt das Tempo.

„Ey!", meine ich vorwurfsvoll und hole mit großen Schritten zu ihr auf.

„Was denn? Lässt deine Ausdauer etwa schon nach?", zieht Thea mich auf.

„In deinen Träumen", erwidere ich und beschleunige nun meinerseits das Tempo. Jetzt ist es an Thea, zu mir aufzuholen. Zügig joggen wir beide durch den kühlen Wald und genießen die frische Luft.

Genau so eine Ablenkung habe ich gebraucht. Einfach mal den Kopf freikriegen und nicht durchgehend in unserem Haus eingesperrt zu sein. Sport tut mir gut und ich hoffe, dass ich das auch in Zukunft beibehalten kann. Ich könnte keinen Mann gebrauchen, der mich einsperrt oder nur als eine Art Haustier hält.


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Mögt ihr die Beziehung zwischen Annalise & Thea? ^^

Denkt an den ⭐️! <3

Saved Love | pausiert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt