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Tief atme ich durch, bevor ich gegen die Tür des Gästezimmers klopfe. Ich habe den kompletten Morgen bei Thea verbracht und die Zeit mit meiner Schwester genossen. Inzwischen trage ich Jeans und T-Shirt und stehe vor dem Zimmer, in dem Kyran zurzeit übernachtet.

Mein Klopfen hallt unnatürlich laut durch den Gang und ich überlege kurz, wieder zu verschwinden. Ist das hier wirklich eine gute Idee?

Bevor ich es mir anders überlegen kann, schwingt die Holztür auch schon auf und ich stehe dem großen Mann gegenüber. Kurz blitzt etwas wie Überraschung in seinem Gesicht auf: „Annalise! Wie ich sehe, hast du dich entschlossen, nun doch mit mir zu reden."

„Ich kann auch wieder gehen."

„Nicht doch, komm rein", greift Kyran schnell nach meinem Handgelenk und zieht mich, bevor ich etwas erwidern kann, in das Zimmer. Überrumpelt stolpere ich in den Raum und bringe dann schnell Abstand zwischen uns. Er hat wohl geduscht, denn seine Haare sind noch nass und im ganzen Zimmer hängt der Duft von Shampoo. Es riecht gut. Kyran trägt eine graue Jogginghose und ein weißes T-Shirt, was noch kurz schlucken lässt. Himmel, der liebe Gott hat sich wohl gegen mich verschworen. Er sieht so heiß aus! Graue Jogginghosen an Männern sind einfach eine andere Liga.

„Also", erhebt Kyran die Stimme und mustert mich intensiv, „Stimmst du der Hochzeit jetzt zu?"

„Nein."

„Nein?"

„Nein. Ich werde mich nicht dazu zwingen lassen, aber ich schlage einen Kompromiss vor", meine ich bestimmt und trete einen Schritt zurück, als Kyran mir gefährlich Nahe kommt: „Ein Kompromiss?"

„Ja. Ich möchte dich erst kennenlernen und wenn es zwischen uns passt, erwarte ich einen richtigen Antrag. Und die Möglichkeit nein zu sagen."

„Es gibt kein nein, Annalise. Ich kann dir die Zeit geben, mich kennenzulernen und meinetwegen bekommst du auch einen richtigen Antrag; Aber nein wirst du nicht sagen können. Der Deal steht", antwortet Kyran wie erwartet und ich spüre, wie die Wut erneut in mir aufsteigt: „Schön, dass das alles für dich nur ein Deal ist! Wir müssen nach einer Hochzeit unser ganzes scheiß Leben miteinander verbringen und ich möchte die Chance haben, über sowas selbst zu bestimmen! Ich bin doch kein Hund!"

„Ich bin mir sicher, dass das zwischen uns klappt. Du passt zu mir und ich auch zu dir", widerspricht Kyran und kommt erneut einen Schritt auf mich zu. Ich weiche zurück und stoße plötzlich mit dem Rücken an der Wand an. Bin ich schon so weit vor ihm zurückgewichen? Mein Blick schnellt zu dem Dunkelhaarigen, der weiter auf mich zukommt: „Komm nicht näher!"

„Warum?", fragt Kyran und steht jetzt dicht vor mir. Lässig stützt er seine Hände neben mir an der Wand ab und schaut zu mir runter.

„Äh... weil du mir nicht so nahe kommen sollst?", antworte ich, wobei das mehr wie eine Frage klingt. Verdammt.

„Wir werden uns schon sehr bald sehr nahe sein", grinst Kyran mich an und ich kann mir ein Augenverdrehen nicht verkneifen: „Du bist so ein Idiot!"

Als ich zu ihm nach oben schaue, treffe ich direkt auf seine waldgrünen Augen. Sein Blick hält den meinen fest und ich atme unbewusst aus. Die Spannung um uns herum lädt sich auf und ich versuche der Situation zu entfliehen, indem ich meine Hände auf seinen Brustkorb lege und ihn von mir wegdrücke. Nun ja, ich versuche es zumindest. Doch Kyran bewegt sich keinen Millimeter. Dabei spannen sich die Muskeln unter meinen Fingern nichtmal an; Ihn scheint es nicht anzustrengen, mir standzuhalten.

„Kyran", bringe ich leise heraus, breche den Blickkontakt aber nicht ab. Seine Augen haben so eine schöne Farbe. An der Pupille sind sie braun, dann geht es über in dunkelgrün und ganz am Rand der Iris sind sie fast hellgrün. Ich bin wirklich neidisch, im Vergleich dazu, sind meine braunen Augen langweilig.

„Komm mit mir nach L.A.", reißt Kyran mich aus meinen Gedanken und ich schaue ihn fragend an: „Los Angeles?"

„Ja, mein Zuhause."

Als ich nichts Antworte ergänzt er: „Du willst mich genauer kennenlernen, also komm mit mir. Ich werde dir Zeit geben und dir meine Welt zeigen."

Nachdenklich schaue ich ihn an, meine Hände liegen dabei immer noch auf seiner Brust: „Das ist am anderen Ende der USA."

„Ich weiß", lacht Kyran leise, „Aber es ist wunderschön! Warst du schon mal in Kalifornien?"

„Nur einmal in San Francisco."

„Dann wird es höchste Zeit, dass du L.A. besuchst", meint Kyran selbstbewusst und lehnt sich noch weiter in meine Richtung, sodass unsere Oberkörper sich fast berühren.

„Ich weiß nicht", bleibe ich unschlüssig. Sein Angebot weiß ich durchaus zu schätzen, aber Los Angeles ist so weit weg von Chicago. Natürlich habe ich gesagt, dass ich ihn besser kennenlernen möchte, darunter habe ich mir aber etwas anderes vorgestellt. Mit einem fast fremden ans andere Ende der Staaten zu fliegen ist vielleicht nicht unbedingt die beste Idee.

„Ich glaube das ist eine gute Idee", redet Kyran weiter auf mich ein. Seine Hand finden den Weg zu meinen Haaren und er beginnt, sich die lose Strähne um den Finger zu wickeln. Er dringt schamlos in meinen privaten Bereich ein. Und was mache ich? Nichts. Zu meinem eigenen Entsetzen fühlt sich diese Intimität auch noch gut an. Kyran weiß genau, was er macht.

Leise stoße ich den angehaltenen Atem aus und lehne meinen Kopf gegen die Wand: „Wie stellst du dir das vor? Ich komme mit und bin dann in deiner Villa gefangen, während du arbeiten gehst?"

„Du hast echt ein schlechtes Bild von mir. Natürlich wird es Sicherheitsmaßnahmen geben, aber wir werden uns die Stadt anschauen, zusammen etwas unternehmen und uns kennenlernen. Also, was sagst du?"

Ohne weiter darüber nachzudenken stimme ich zu: „In Ordnung. Ich komme mit dir, aber vorerst keine Hochzeit!"

„Keine Hochzeit", stimmt Kyran mit einem leichten Lächeln zu zu. Die Finger, die zuvor noch mit meinen Haaren gespielt haben, streichen jetzt sanft über meine Wange. Eine Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen, überfordert von der Nähe und dem Gefühl. Ich kenne ihn doch kaum, also warum fühlt sich das so gut an? Mein Blick findet erneut seine grünen Augen und ich bin wie gefangen - Ich kann nicht wegschauen.

Langsam beugt Kyran sich zu mir herunter: „Du bist einfach unglaublich, Àngel." Sein Gesicht kommt immer näher und die Gedanken rasen in meinem Kopf. Was hat er vor? Will Kyran mich etwa küssen? Würde es mir etwas ausmachen, wenn er mich küsst? Wie erstarrt stehe ich an die Wand gelehnt da und halte fast den Atem an, so angespannt bin ich.

Kyran drückt seine Lippen sanft auf meine Wange und ich schließe erleichtert die Augen. Er überschreitet die Grenze nicht. Bevor er sich von mir löst, küsst Kyran mich ein zweites Mal auf die andere Seite: „Keine Sorge, Annalise. Ich werde nichts tun, was du nicht auch willst."

Mit einem verschmitzten Grinsen tritt er schließlich einen Schritt zurück und gibt mich somit frei: „Der Flug nach L.A. geht morgen nachmittag. Sei bereit."


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Wie fandet ihr das Kapitel?

So langsam wird es „ernster" zwischen den beiden und ich freue mich mega darauf! Kyran hat zwar auch seine schlechten Seiten, aber ich liebe den Kerl trotzdem.

Denkt an den ⭐️! <3

Saved Love | pausiert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt