14

5.9K 483 19
                                    

Kyran zieht mich langsam vorwärts und ich folge ihm blind. Vorsichtig setze ich in meinen hohen Schuhen einen Schritt vor den anderen und versuche dabei nicht zu stolpern. Es ist so dunkel, dass ich die Hand vor Augen nicht erkennen kann. Ich wundere mich, wie Kyran sich so selbstsicher in der Finsternis bewegen kann. Aber er gehört zur Mafia, was erwarte ich eigentlich?

Die Unruhe im Saal ist inzwischen greifbar und das Gerede wird lauter. Jeder fragt sich, was hier los ist.Vereinzelt höre ich lautere Schreie, die sich Anweisungen zurufen, um den Strom wieder in Gang zu bekommen. Aufmerksam lausche ich auf jeden kleinsten Hinweis, denn mir ist die Situation nicht geheuer.

„Komm", flüstert Kyran leise und zieht mich weiter, sein einzigartiger Duft steigt mir in die Nase und ich muss es mir verkneifen, genießerisch den Atem einzuziehen. Er riecht nach Sandelholz, gemischt mit einem Hauch des süßen Duftes von Vanille.

Ganz abgelenkt von ihm und seiner Präsenz, nehme ich eine kleine Bodenwelle nicht wahr und stolpere mit einem überraschten Keuchen über meine eigenen Füße. Ich falle wortwörtlich in Kyrans Arme, der mich mit seiner blitzschnellen Reaktion sanft auffängt: „Du musst vorsichtiger sein, Àngel."

„Hmm", nuschle ich unangenehm berührt, stütze mich mit meinen Händen an seinen muskulösen Oberarmen ab und stehe wenig später wieder aufrecht auf den Beinen: „Danke."

„Was treibt ihr beiden denn da hinten? Los, wir müssen hier raus", unterbricht Fynn unseren Dialog, woraufhin Kyran wieder nach meiner Hand greift und wir langsam weitergehen.

Die Sekunden ziehen sich in die Unendlichkeit und ich weiß nicht, wie lange wir schon durch die Dunkelheit laufen und uns einen Weg durch die Menge bahnen. Nervös beiße ich mir auf die Unterlippe, diese Ungewissheit macht mich verrückt.

Plötzlich wird mit einem lauten Knall die Flügeltür, die den Eingang des Saals darstellt, aufgestoßen. Erschrocken zuckt mein Kopf in die Richtung und ich muss geblendet die Augen zusammenkneifen. Scheinbar wurde nur hier drin der Strom abgestellt, was noch verdächtiger ist.

Im Türrahmen steht ein großer Mann, mehr kann ich nicht erkennen, da sein Gesicht im Schatten liegt. Der Fremde hebt seine Hand und bevor ich realisieren kann, was er da bei sich trägt, hallt der ohrenbetäubende Schuss durch den Raum. Meine Kinnlade klappt mir geschockt nach unten und ich klammere mich stärker an Kyrans Hand.

„Da ich nun eure Aufmerksamkeit habe, ich suche jemand ganz besonderen", ertönt eine laute Stimme, bei der ein Zittern meinen Körper durchläuft. Das ist der Mann von der Terrasse: Hermann Fernández. Ich wusste, er würde für Ärger sorgen.

Als wäre das ein Zeichen gewesen, erscheinen hinter ihm in der Tür mehrere Schatten, die ebenfalls schwer bewaffnet sind.

„Scheiße", stößt Fynn zischend aus und ich stimme ihm gedanklich zu.

Da dieses Event hier sämtliche mächtige Familien der Welt zusammengerufen hat, wurde ein allgemeines Waffenverbot verhängt, das streng kontrolliert wurde. Jeder Gast wurde vor seinem Eintritt kontrolliert, aber scheinbar nicht genau genug. Fernández und seine Männer haben es geschafft, Waffen an den Männern meines Vaters vorbeizuschmuggeln. Das kann ja wohl nicht wahr sein!

„Aber meine Lieben, keine Sorge, euch wird nichts passieren", kommentiert Herrmann die steigende Unruhe im Veranstaltungssaal und klingt dabei, wie ein geisteskranker Irrer, „Ich will nur eine Sache: Annalise Pellier! Bringt sie mir und ich lasse euch leben."

War das gerade mein Name?
Hat er gesagt, dass er mich will?!
Oh mein Gott, das auf der Terrasse war also wirklich eine Drohung.
Dieser Scheißkerl droht gerade damit, die komplette Führungsebene der kriminellen Strukturen auszulöschen, nur um an mich heran zu kommen. Und was will er dann mit mir machen? Mich entführen, vergewaltigen oder töten? Das alles nur, weil mein Vater schulden bei ihm hat? Das ist doch krank - absolut gestört!

„Also, wo ist die Kleine?", erhebt er erneut die Stimme und deutet drohend auf seine Männer hinter ihm. Sie alle halten Maschinengewehre im Anschlag und ich weiß nur zu gut, was für einen Schaden diese Waffen anrichten können.

Die Menschen um mich herum bleiben überraschend ruhig, sind aber deutlich angespannt. Niemand lässt sich gerne drohen und schon gar nicht erpressen. Im Gegensatz dazu steht mein ganzer Körper unter Strom und die Gedanken rasen nur so durch meinen Kopf. Ich stecke ziemlich in der Klemme.

„Na, kommt schon. Ihr wisst genau wie ich, dass die Falle längst zugeschnappt hat. Gebt mir das Mädchen und niemand muss heute Abend sterben."

„Wie ist dieser Wixxer hier mit so vielen Männern reingekommen?!", flüstert Kyran Fynn zu. Durch das Licht, was durch die Tür herein scheint, kann ich sehen, wie er den Kopf aufmerksam dreht, um sich einen Überblick zu verschaffen.

„Ich weiß es nicht, er scheint einen Maulwurf eingeschleust zu haben, anders kann ich mir das nicht erklären", antwortet Fynn ein wenig besorgt. Ich verstehe seine Aufruhr, immerhin ist Lillian hier unter uns und ihre Kinder schlafen oben in den Schlafzimmern, unter Aufsicht einer Nanny.

„Was sollen wir jetzt tun?", frage ich die beiden Männer, die vor mir stehen und behalte aufmerksam die Angreifer im Auge. Noch stehen sie im Türrahmen und scheinen auf eine Reaktion zu warten, die Betonung liegt allerdings auf noch. Die Situation kann schnell eskalieren.

„Wir verstecken dich vor diesem Arschloch", meint Kyran bestimmt.

„Das ist dein Plan?", frage ich zweifelnd nach und ziehe kritisch eine Augenbraue nach oben, „Wie soll das funktionieren?"

„Keine Ahnung, verdammt! Es war offensichtlich nicht vorhersehbar, dass dieser Dreckskerl hier auftaucht!"

Laut stoße ich die Luft aus und reibe meine schwitzigen Hände am Stoff meines Kleides ab. Wie soll ich hier nur heil wieder rauskommen? Werde ich das überhaupt überleben?!

„Ich sehe schon, von euch kann ich kein entgegenkommen erwarten!", ruft Fernández laut aus und man kann die Wut aus seiner Stimme heraushören.

Er gibt den Männern hinter sich mit ausgestreckter Hand ein Zeichen und diese setzen sich zielsicher in Bewegung. Anhand von ihrem Verhalten, kann ich mir ableiten, dass das alles schon lange geplant war.

Mit angehaltenem Atem, verfolge ich mit meinem Blick, wie die Männer mit schweren Schritten in den Saal eilen und ihre Waffen in Position bringen. Jetzt wird es ernst.

„Bringt mir Louis' kleine Prinzessin", weißt Fernández seine Leute an - wenig später ertönen die ersten Schüsse.


_______
Hättet ihr damit gerechnet?

Denkt an den ⭐️! <3

Saved Love | pausiert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt