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„Thea? Kannst du mich hören oder ist die Verbindung schlecht?", spreche ich in das Smartphone und laufe unruhig in Kyrans Gästezimmer herum. Immer hin und her; Ich kann einfach nicht ruhig sitzen oder stehen bleiben während ich telefoniere.

„Yup, ich höre dich, Anni. Wie ist es? Benimmt das Arschloch sich?", erwidert meine ältere Schwester und ich stoße ein belustigtes Schnauben aus. „Das Arschloch?", lache ich, „Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Ja, er benimmt sich. Seine Villa ist wirklich wunderschön, sogar noch größer als unsere."

„Er zwingt dich ihn zu heiraten, also ist er nunmal ein Arschloch", erklärt Thea, „Du schläfst aber nicht bei ihm, oder?"

„Nein, nein, nein. Kyran hat mir das Gästezimmer gegeben. Als ob ich direkt bei ihm schlafe, Thea."

„Da bin ich aber erleichtert! Wann sehe ich dich wieder?"

„Ich bin doch gerade mal einen Tag weg", lache ich und höre Thea ins Handy pusten: „Ich vermisse dich aber jetzt schon, Anni."

„Ich dich auch, meine Lieblingsschwester."

„Pass auf dich auf, ja?"

„Immer. Ich rufe dich an, wenn es was neues gibt."

„In Ordnung. Bis dann!", verabschiedet sich Thea und fast zeitgleich legen wir auf. Ich stecke das Handy zurück in die Hosentasche meiner kurzen Jeans und verlasse das Gästezimmer.

Überraschenderweise habe ich heute Nacht sehr gut geschlafen. Normalerweise mag ich es nicht außerhalb von meinem Zuhause zu übernachten, aber das Bett hier ist wirklich sehr bequem. Noch dazu kommt das die Wohngegend allem Anschein nach sehr ruhig ist.

„Kyran?", rufe ich fragend und jogge die Treppen nach unten. Im Wohnzimmer angekommen stoße ich auf gähnende leere. Wo ist der Kerl denn bloß? Da bin ich den ersten Tag bei ihm und er verpisst sich gleich. Naja, sollte mir eigentlich ganz recht sein.

„Mein Bruderherz ist ausgeflogen", ertönt eine tiefe Stimme hinter mir und ich zucke erschrocken zusammen. Mit der Hand auf der Brust wirbele ich zu Titus herum: „Du hast mich erschreckt!" Anklagend zeige ich mit dem Finger auf den Dunkelhaarigen.

„Sorry, Süße. Kyran hat ein paar geschäftliche Dinge zu erledigen und mich gebeten, dir solange Gesellschaft zu leisten."

„Nenn mich nicht Süße. Ich habe einen Namen", weiße ich den jüngeren Santiago-Bruder zurecht und verdrehe die Augen. Schon bei der Feier vor ein paar Wochen hat der junge Mann mehr als deutlich mit mir geflirtet. Er ist definitiv gutaussehend - Kyran, wie aus dem Gesicht geschnitten. Titus ist mir auf jeden Fall sympathisch und ich schätze, wir werden gute Freunde werden.

„Frühstück?", ignoriert Titus mich und deutet auf den erhöhten Tresen in der Küche. Wie in einer Bar, stehen einige Hocker davor, sodass man entspannt darauf sitzen und etwas essen oder trinken kann. Selbstverständlich hat Kyran auch einen normalen Esstisch, der mir persönlich aber zu groß ist, um dort alleine zu sitzen.

Nickend stimme ich Titus zu und beobachte, wie er Lebensmittel aus den Schränken holt und auf dem Tresen verteilt. „Kann ich dir irgendwie helfen?" Wenn ich tatenlos rumsitze, fühle ich mich schlecht und nutzlos.

„Ach quatsch, ich hab' es gleich. Kaffee, Kakao oder Tee?"

„Tee wäre nett."

„Aber klar doch. Wir haben Kräuter-, Kamille- oder Früchtetee da."

„Früchtetee bitte."

„Kommt sofort, Mylady", grinst Titus mich an und füllt den Wasserkocher auf, bevor er ihn anschaltet.

„Also, wie hat mein Bruder sich so benommen?", fragt Titus und setzt sich mir gegenüber an den Tresen.

„Ähm... gut?"

„Gut? Ach komm schon, ich will die schmutzigen Details wissen. Oder warte: die will ich doch nicht wissen. Ich muss nicht erfahren, wie mein Bruder im Bett ist."

„Was?", pruste ich lachend und muss aufpassen, dass ich nicht von dem Barhocker kippe: „Du denkst, er und ich haben, na du weißt schon?!"

„Habt ihr nicht?"

„Nein, du Perversling", rufe ich aus und verpasse ihm über den Tresen einen leichten Schlag auf die Brust.

„Oh", lacht jetzt auch Titus, steht auf und gießt das kochende Wasser in die bereitstehende Tasse mit dem Teebeutel.

Nachdem das Missverständnis geklärt ist, frühstücken wir gemeinsam und ich erfahre so einiges über Titus und Kyran. Der Dunkelhaarige ist ein riesiges Plappermaul. Ich weiß jetzt schon mal, wem ich meine Geheimnisse in Zukunft nicht anvertrauen werde. Titus erzählt mir unverblümt jede Menge Mist über Kyran und deren gemeinsame Kindheit. Zum Beispiel, wie sie in der achten Klasse den Geburtstagskuchen ihres Vaters in die Luft gejagt haben oder als Kyran mit sieben in den Außenpool gekackt hat. Dann gibt es noch die Story, als die beiden ohne Führerschein den brandneuen Lamborghini ihres Vaters gefahren sind und lasst mich so viel verraten: das Auto hat nicht überlebt.

Den restlichen Tag über zeigt Titus mir das Grundstück und stellt mich einigen Angestellten vor. Titus kennt allerlei Klatsch und Tratsch über Kyrans Mitarbeiter und scheut sich nicht davor, die jungen Frauen mit ihren Schwärmereien über die Security Männer aufzuziehen. Der Mittag mit Titus ist sehr unterhaltsam. Wir verstehen uns wunderbar und ich mag seine humorvolle Art. Am frühen Nachmittag verabschiedet sich Kyrans Bruder dann von mir und ich bleibe alleine in der übergroßen Villa zurück.

Da ich nicht weiß, wann genau Kyran zurückkommt, mache ich es mir mit einem Buch auf dem Sofa im Wohnzimmer bequem. Ein gutes Buch ist einfach der perfekte Zeitvertreib.

Noch immer mit dem Buch in der Hand findet Kyran mich schließlich knapp zwei Stunden später: „Hey Àngel."

„Hey", begrüße ich ihn und setze mich auf, „Alles erledigt?"

Meine Augen wandern wie von alleine an ihm herunter und in Sekundenschnelle checke ich den Mann vor mir ab. Er sieht mal wieder absolut scharf aus: Weiße Hemden an Männern sind einfach heiß. Verdammt.

„Ja, hat länger gedauert als ich erwartet habe. Wie war dein Tag?"

„Gut", grinse ich ihn an, „Dein Bruder hat ein paar nette Geschichten auf Lager."

„Oh Gott, dass der auch nichts für sich behalten kann", meint Kyran leicht genervt, was mich nur noch breiter grinsen lässt.

„Bekomme ich eigentlich keinen Begrüßungskuss?", erhebt Kyran nach einer kurzen Stille erneut das Wort und ein freches Grinsen bildet sich auf seinen Lippen. Überrumpelt von dem abrupten Themenwechsel starre ich ihn sprachlos an.

„Das hast du dir nicht verdient", antworte ich und rutsche unbewusst ein Stück von ihm weg.

„Was muss ich denn machen, um mir einen Kuss zu verdienen?" Blitzschnell hat Kyran den Abstand zwischen uns wieder verringert, sodass ich seine Seite an meiner spüre. Sofort bildet sich eine Gänsehaut auf meinen Armen und ich ziehe stockend die Luft ein: „Ähm."

„Ich höre", fordert der Dunkelhaarige leise und dreht seinen Kopf in meine Richtung. Ungewollt schießt mein Blick zu seinen vollen Lippen und ich stelle mir vor, wie es wohl wäre, ihn zu küssen. Schnell rufe ich mich selbst zur Ordnung und schüttle leicht den Kopf: „So einfach ist das nicht."

„Bist du dir da sicher?", flüstert Kyran. Sein Gesicht schwebt inzwischen direkt vor meinem. Es wäre so leicht - so leicht, meine Lippen auf seine zu pressen. Aber nein! Das wird nicht passieren! Der Mann vor mir ist immer noch Kyran Santiago! Ich ziehe scharf die Luft ein und brauche meine ganze Willenskraft, um den Kopf abzuwenden und aufzustehen: „Gute Nacht!"

Während ich überstürzt aus dem Raum hetze, höre ich das tiefe Lachen von Kyran hinter mir. Thea hatte Recht, er ist ein Arschloch.


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Kyran der kleine Schlingel ;)

Was haltet ihr von Titus?

Denkt an den ⭐️! <3

Saved Love | pausiert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt