Kapitel 9

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Denise

Die ganze Zeit hatte ich den hasserfüllten Blick von Kaitlyn im Rücken gehabt. Und mit Thomas hatte ich nicht ein Wort gewechselt. Dazu war ich viel zu verletzt. Deswegen war ich auch sehr froh gewesen, als wir dann endlich da waren und aussteigen konnten. Ich hüpfte als Erste aus dem Bus und schaute zurück um zu sehen, wann Jenny kam. Ich sah sie oben auf der Treppe stehen. Mit einem sehr genervten Blick starrte sie auf die Treppe, weil es nicht weiter ging. Ich folgte ihrem Blick und sah, dass Kaitlyn und Thomas mitten auf der Treppe standen und sie in volltextete. Alle waren mittlerweile reichlich genervt und fingen an, sich lautstark zu beschweren. Kaitlyn schnaubte und hakte sich bei Thomas ein, damit sie nicht stolperte. Er trug sie mehr die Treppe runter als dass sie lief. Als sie an mir vorbei gingen warf er mir einen entschuldigenden Blick zu und wollte stehen bleiben aber sie zog ihn weiter und schaute mich herablassend an. In mir zerbrach etwas aber ich ließ es mir nicht anmerken. Heute sollte ein super Tag werden mit all meinen chaotischen Ex-Klassenkameraden, die ich kaum noch sah, weil wir für die Kurse auseinander gerupft worden waren.

Schon stand eine von ihnen neben mir. "Weißt du, was die hier zu suchen hat?", fragte Kaya und nickte in Richtung Kaitlyn. "Naja sie ist in der Zehnten zu uns gekommen und hat keine Klasse gehabt. Ich denke sie ist hier, weil wir die kleinste Klasse waren.", erklärte ich. Kaya nickte. "Die weiß aber, was sie hat", sagte sie dann. Ich verstand genau, was sie damit meinte. "Und sie weiß es einzusetzen. Guck mal wie der die anschmachtet" Sie wusste es nicht besser, aber das hatte weh getan. Ich war den Tränen nahe. Wieso passierte sowas immer mir? Und vor allem: warum so eine? Er hatte etwas viel besseres verdient. "Hey, alles gut?" Ich nickte und atmete mehrmals tief durch. Zum Glück sah ich in dem Moment den Lehrer wild durch die Gegend fuchteln. Scheinbar wollte er etwas von uns.

Ich ging zu ihm hin und nach und nach versammelte sich auch der Rest um ihn. Dylan stand neben mir und legte einen Arm um meine Schultern. Scheinbar hatte er das Gespräch mitbekommen. Natürlich hatte er das. Er ließ Kaya ja nicht aus den Augen. Seit der fünften Klasse war er heimlich in sie verliebt. Ich beschloss, diese Wanderung dazu zu nutzen, die beiden zusammen zu bringen. Vielleicht lenkte mich das ja ein wenig von meinem Problem ab.

"Wir wandern da hinten einen Pfad lang und machen das Picknick an einem See. Bis dahin laufen wir ungefähr zwei Stunden. Wir machen eine Stunde Pause und laufen dann zurück." Hinter mir hörte ich die Jungs Wetten abschließen, wer zuerst im Wasser lag. Wir setzten unsere Rucksäcke auf und machten uns auf den Weg. Dylan, Kaya und Jenny gingen mit mir. Jenny und Dylan rechts von mir und Kaya links. Ich ließ mich ein wenig zurück fallen und ging dann ganz außen neben Jenny, damit Dylan und Kaya nebeneinander gehen konnten. Am Anfang schwiegen sie sich an, aber dann vertieften sie sich in ein Gespräch. Ich gab Jenny ein Zeichen, schneller zu gehen, damit wir die beiden nicht störten. Wir überholten ein paar Leute und gingen in einer etwas größeren Lücke weiter. "Süß", sagte Jenny und deutete mit dem Kopf nach hinten. Ich nickte. Ich war zwar neidisch auf die beiden aber dennoch gönnte ich es ihnen von ganzem Herzen.

Wir mussten einen kleinen Hang hoch klettern. Die Jungs vor uns ließen uns den Vortritt. Aber nicht, weil sie höflich waren, sondern, weil sie uns auf den Hintern gucken wollten. Wir machten uns nichts draus und kletterten unserem Lehrer nach. Dann schauten wir von oben über die Kante, um den anderen zu helfen. Gemeinsam zogen wir einen fetten Kerl hoch, den ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Dylan sprang mit Leichtigkeit hoch und zog Kaya an der Hand hoch. Diese ließ er aber nicht mehr los und so gingen die beiden Hand in Hand weiter. Kaitlyn brauchte auch keine Hilfe, sondern fauchte die Jungs, die noch unten standen an, sie sollten ihr nicht unter den Rock gucken.

Mit Thomas und Will waren endlich alle oben und wir konnten weiter. Durch die neu entstandene Reihenfolge mussten wir hinter Thomas und Kaitlyn gehen und ich stellte schmerzlich fest, dass auch sie Hand in Hand gingen. Plötzlich fasste jemand von hinten nach meinem Arm. Ich erschrak und wollte quieken aber ich sah, dass es nur Will war. Er zog mich ein Stück nach hinten und ich ging jetzt neben ihm. "Hör mal, wenn er auf solche steht, dann hat er jemanden wie dich nicht verdient", sagte er leise. "Ist das so offensichtlich?", ich stöhnte und er schüttelte mitleidig den Kopf. "Wollen wir den Rest zusammen gehen?", fragte er. "Klar. Gerne." Ich mochte Will wirklich gerne und hoffte, dass er nicht zu viel hinein interpretierte.

Wir gingen also das letzte Stück gemeinsam und unterhielten uns über allen möglichen Kram, der uns so einfiel. Dann sahen wir endlich den See und einige Jungs rannten quer durch die Büsche darauf zu. Ich schüttelte lachend den Kopf als Will jubelnd hinterher lief. Schon war Jenny neben mir und zog mich mit sich. Der Wald lichtete sich und die strahlende Sonne kam zum Vorschein. Im Wald war es relativ kühl gewesen aber hier war es verdammt warm. Die meisten zogen ihre Schuhe aus, krempelten die Hosen hoch und hüpften im See herum. Andere setzten sich ins Gras und tranken etwas. Wir gingen zu Dylan und Kaya, die schon saßen. Ich hörte wie Kaitlyn meckerte, dass die Sonne nichts für ihre empfindliche Haut sei. Ich sah, wie sie sich mit Thomas in den Schatten setzte.

Ich versuchte, die beiden so gut es ging zu ignorieren aber immer wieder huschte mein Blick zu Thomas. Jedes mal wenn er dann auch in meine Richtung schaute, schlug mein Herz schneller und Millionen Schmetterlinge flatterten in meinem Bauch. Wieso musste mir ausgerechnet jetzt so klar werden, dass ich ihn liebte?
"Habt ihr alle was zu trinken?", fragte unser Lehrer, der plötzlich neben uns stand. "Ich hab noch ein paar Säfte mitgenommen, weil ich wusste, dass jemand was vergessen würde." Ich hatte zwar etwas aber der Kirschsaft in seiner Hand sah so verlockend aus. Deshalb nahm ich ihm die Flasche und einen Plastikbecher ab. "Bringst dus dann zurück?" Ich nickte und warf einen Blick zu seiner Tasche, die in gefährlicher Nähe zu Kaitlyn stand. Ich goss mir etwas ein und stand dann auf, um die Flasche wegzubringen. Bevor ich jedoch doch ankam hörte ich Thomas rufen. "Was hast du da, Denise?" Ich hielt die Flasche hoch. "Kirsche!", rief ich zurück und er winkte mich zu sich. Mein Herz schlug schneller und ich bekam es mit der Angst zu tun. Trotzdem ging ich zu ihm. Er hielt einen Plastikbecher hoch und ich goss ihm etwas ein. Dabei achtete ich darauf weder ihn noch Kaitlyn groß anzusehen. Ein kurzer Blick verriet mir jedoch, dass sie hartnäckig in eine andere Richtung schaute. Gerade, als ich wieder gehen wollte, räusperte sie sich und schaute mich an. Sie war wirklich wunderschön. Einmal mehr konnte ich Thomas' Wahl verstehen. "Ich hätte auch gerne was" Sie hielt einen Becher hoch und schaute mich übertrieben freundlich an. Ich schraubte den Deckel der Flasche erneut ab und goss etwas in den Becher. Als er halb voll war sagte sie: "Das reicht jetzt" und zog den Becher weg bevor ich reagieren konnte. Schnell kippte ich die Flasche zurück aber trotzdem landete etwas Kirschsaft auf ihrem weißen Rock. Sofort fing sie an zu schreien. "Du dämliche Kuh! Das kriege ich nie wieder raus!" Sie schaute erst Thomas und dann mich an. Dabei grinste sie. Das war geplant gewesen! "Jetzt tu doch endlich was!", schrie sie Thomas an. Der holte eine Packung Taschentücher hervor und tupfte auf dem Fleck rum. Dann schaute er mich an. "Entschuldige dich wenigstens!", sagte er wütend. Obwohl ich wusste, dass es nicht meine schuld war, entschuldigte ich mich bevor sie wieder rumschreien konnte und es womöglich die anderen mitbekamen. Der Tag war sowieso schon gelaufen und ich wollte es nicht noch schlimmer machen.

Bitte, ThomasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt