Kapitel 5 | Unfreiwillige Badezeit

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EINEN SCHRAUBENZIEHER HABE ICH NICHT, aber dafür ein Eiscafé-Laden, ganz in der Nähe. Und dort sitzt ein alter Handwerker mit offener Tasche. Perfekt!

«Sorry an den Himmel», sage ich und schleiche mich hinten unauffällig an. Ich tue so, als würde ich stolpern und reiße seine Tasche zu Boden.

«Oh, das tut mir leid», sage ich, als sich eine riesige Auswahl an Werkzeugen über den Boden ergießt. «Warte, ich helfe ihnen.»

«Aufpassen, Mädel», sagt der Handwerker, scheint mir aber nicht sonderlich böse zu sein. «Tollpatschig heute, was?»

Ich räume alles mit seiner Hilfe wieder zurück, lass dabei aber zwei Werkzeuge in meine Hoodie-Taschen gleiten. Praktisch, so ein Kleidungsstück.

«Es tut mir vielmals leid», wiederhole ich, von meinen eigenen Förmlichkeiten genervt. «Bye.»

Und ich verschwinde wieder in Gasse.

«Wo warst du?», fragt mich Matthew.

«Schraubenzieher besorgen», antworte ich und knie mich vor dem Schacht hin.

«Zufällig klauen?», hakt er nach.

«Klappe», zische ich und drehe an den Schrauben; das Werkzeug ist etwas zu klein, aber es funktioniert.

Die anderen drei Schrauben sind schnell weg - Sag mal, wo ist Hart? - und ich klappe das Gitter weg.

«Wehe, das ist der falsche Weg», knurre ich und taste die Wand dahinter nach etwas zum greifen ab; dort ist aber nichts. «Wir springen.»

Ich komme mir etwas verrückt und gar nicht gut vor; aber mir fällt nun echt nichts anderes ein und was bleibt uns übrig?
Während Matthew also entgeistert ruft, das sei doch unmöglich, verrenke ich mich und rutsche langsam hinab, bis ich mich nur noch mit den Fingerspitzen außen festhalte.

Matthews Gesicht schiebt sich in mein Blickfeld.

«Ich rufe, wenn alles okay ist, ja? Wenn ich dich weg scheuche, dann rennst du einfach weg und lässt mich hier; egal, was passiert! Ich habe nicht das Gefühl, dass es harmlos sein wird; tödlich.»

«Aber», widerspricht er, doch ich lasse schon los und falle ins endlose Nichts aus Dunkelheit.

Kalte Luft zerrt an mir, es scheint endlos weiter zu gehen; eigentlich will ich gar nicht wissen, was dort unten lauert, ganz zu schweigen davon, wie ich aufkommen werde.

Diese Frage wird mir erspart, denn ich klatsche mit einem Moment auf den Anderen in eiskaltes Wasser.

Für einen Moment bin ich wie erstarrt; ich sinke wie ein Stein, tiefer und tiefer, die Kälte dringt durch meine Haut, lässt mich gefrieren, bis zu den Knochen, alles in mir schreit nach Luft.

Unter meinen Schuhen spüre ich Boden und stoße mich mit aller Kraft ab.

Ich schnappe hustend und keuchend nach Luft, dann sehe ich mich um.

Ich bin definitiv nicht dort, wo man es unter der Stadt  vermutet, andersherum freue ich mich, nicht in der Kanalisation gelandet zu sein.

Allerdings ist mein Aufenthaltsort auch nicht viel besser als trübe Suppe, ich bin gefangen zwischen vier Glaswänden, in einem Aquarium.

Das beginnt ja super.

Aber scheinbar ist keine Gefahr vorhanden.

«KANNST KOMMEN, MATTI!», rufe ich also mit aller Kraft, wer weiß, wie tief das hier ist.

Er schreit beim Fall und landet neben mir im eiskalten Wasser. Ich hindere ihn daran, zu sinken, wie ich es tat und er klammert sich ein wenig ängstlich an meinen Arm.

Dazu muss ich sagen, mir geht es nicht anders.

«Ein Aquarium? Hoffentlich sind hier keine Haie!», sagt Matthew.

Meine Antwort bleibt aus, denn ein gellender Schrei hallt durch die Wände zu uns her.

Dann ein zweiter. Ich blicke zu drei dunklen Gängen, die von hier ausgehen.

Ein dritter Schrei.

Jetzt bin ich mir sicher.


𝐃𝐈𝐀𝐍𝐀 - 𝐬𝐡𝐨𝐫𝐭 𝐬𝐭𝐨𝐫𝐲 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt